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04.05.2021
Internationales Steuerrecht

FG Hessen: Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer

Die Anrechnungsverpflichtung kanadischer Quellensteuern auf Dividenden an eine deutsche Muttergesellschaft gilt nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Kanada (DBA-Kanada) auch für die Gewerbesteuer, da es sich bei der Gewerbesteuer um eine „Steuer vom Einkommen“ im Sinne des DBA-Kanada handelt und das DBA-Kanada eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuern auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich ausschließt. Die Vorschriften, § 34c EStG und § 26 KStG, die die Anrechnung ausländischer Steuern auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer regeln, sind für die Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer entsprechend anzuwenden. 

Sachverhalt

Eine im Inland ansässige GmbH (Klägerin) war in den Streitjahren 2008-2010 zu 0,22% an der in Kanada ansässigen D-Inc. beteiligt. Die Ausschüttung der D-Inc. erfolgte unter Einbehalt kanadischer Quellensteuern.

Für Zwecke der Körperschaftsteuer stellten auf Ebene der GmbH die erhaltenen Dividenden zu 95% steuerfreie Beteiligungserträge gemäß § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG a.F. dar. Hingegen waren die erhaltenen Dividenden für Gewerbesteuerzwecke voll steuerpflichtig (vgl. § 8 Nr. 5 GewStG). Die einbehaltene kanadische Quellensteuer wurde nach § 10 Nr. 2 KStG (a.F.) als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe behandelt.

Die GmbH beantragte die Anrechnung der kanadischen Quellensteuer auf die Gewerbesteuer bzw. den Gewerbesteuermessbetrag. Das Finanzamt hatte diesen Antrag abgelehnt.

Entscheidung

Das FG Hessen kommt zu dem Ergebnis, dass die kanadische Quellensteuer auf die Gewerbesteuer anzurechnen ist.

Relevante Artikel aus dem DBA-Kanada

Nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. b) DBA-Kanada gehören zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, in der Bundesrepublik Deutschland u.a. auch die Gewerbesteuer. Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Kanada). 

Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Kanada wird unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern die kanadische auf die deutsche Steuer vom Einkommen angerechnet, die in Übereinstimmung mit diesem Abkommen von den nachstehenden Einkünften gezahlt worden ist: u.a. Dividenden im Sinne des Artikels 10[, die nicht unter Buchst. a fallen].

Vorliegen einer Doppelbesteuerung

Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem anderen Staat besteuert werden. Diese Dividenden können jedoch auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividende zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist und dieser Nutzungsberechtigte weniger als 10 % der Stimmrechte der die Dividenden zahlenden Gesellschaft kontrolliert, 15 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen (vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. b DBA-Kanada). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Dies führe zu einer Doppelbesteuerung im rechtlichen Sinne, da Deutschland und Kanada vom demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand (Steuerobjekt) und denselben Zeitraum eine gleichartige Steuer erheben.

Gewerbesteuer und kanadische Income Tax als gleichartige Steuer

Nach Auffassung des FG handelt es sich bei der deutschen Gewerbesteuer und der kanadischen Income Tax um eine gleichartige Steuer im abkommensrechtlichen Sinne nach Art. 2 Abs. 1 DBA-Kanada. Denn gemäß Art. 2 Abs. 1 DBA-Kanada gelte das Abkommen (ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung) für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten, und im Falle der Bundesrepublik Deutschland, eines seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Nach Art. 2 Abs. 2 DBA-Kanada gelten als Steuern vom Einkommen alle Steuern, die vom Gesamteinkommen oder von Teilen des Einkommens erhoben werden. Als „Faustregel“ könne gelten, dass alles, was Bemessungsgrundlage für eine ausländische Steuer i.S.d. § 34c EStG sein kann, unter den abkommensrechtlichen Begriff „Einkommen“ bzw. „Teile des Einkommens“ fällt.

Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung

Folglich sei die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der kanadischen Steuer auf die deutsche Gewerbesteuer zu beseitigen. Die Vorschrift des Methodenartikels (hier: Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Kanada) differenziere ausdrücklich nicht zwischen einer Anrechnung auf die Körperschaft- oder Einkommensteuer einerseits und einer Anrechnung auf die Gewerbesteuer andererseits, sondern spricht nur allgemein von der Steuer vom Einkommen, unter die nach Auffassung des FG auch die Gewerbesteuer fällt. Zwar sei die Gewerbesteuer nach deutschem Steuerrecht gerade keine Steuer vom Einkommen. Für die Auslegung des Begriffs „Einkommen“ i.S.d. Methodenartikels sei allerdings der umfassendere Begriff des Artikels 2 maßgeblich.

Entsprechende Anwendung der § 34c EStG, § 26 KStG

Nach dem FG scheitert eine Anrechnung auch nicht daran, dass es im deutschen Gewerbesteuerrecht keine den § 34c EStG und § 26 KStG entsprechende Vorschrift gibt, die eine Anrechnung ausländischer Steuern regelt. Es liegt eine Regelungslücke vor, so das FG. Denn aufgrund der klaren Anordnung des DBA-Kanada, welches eine Anrechnung vorschreibt (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Kanada), hätte es zur Umsetzung der Anrechnung einer den § 34c EStG und § 26 KStG entsprechenden Anrechnungsvorschrift bedurft. Diese Regelungslücke ist, nach dem FG, durch eine entsprechende Anwendung der § 34c EStG, § 26 KStG auszufüllen. 

Dem stehe auch die jüngere finanzgerichtliche Rechtsprechung nicht entgegen. Zwar führt das FG Niedersachsen in seiner Entscheidung vom 18.03.2020 aus, dass § 34c EStG nur Regelungen über die Anrechnung auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer oder wahlweise über den Abzug von der entsprechenden Bemessungsgrundlage regeln würde, nicht jedoch über die Anrechnung auf die Gewerbesteuer bzw. den Abzug vom Gewerbeertrag (vgl. FG Niedersachen, Urteil vom 18.03.2020, 6 K 20/18). Allerdings war auch nur die Frage streitig, ob ausländische Quellensteuern auf nach § 8b KStG steuerfreie Streubesitzdividenden gemäß § 7 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 26 Abs. 6 KStG und § 34c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags, also der Bemessungsgrundlage, abziehbar sind. Im Hinblick auf die vor dem FG Niedersachsen streitige Frage schließt sich das FG Hessen insoweit an, dass für einen Abzug ausländischer Steuern von dem Gewerbeertrag als gewerbesteuerlicher Bemessungsgrundlage kein Raum ist.

Kein ausdrücklicher Ausschluss im DBA Kanada

Weiter führt das FG aus, dass das DBA Kanada eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuern auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich ausschließt (wie etwa das DBA Schweiz, vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz), so dass davon ausgegangen werden muss, dass eine Doppelbesteuerung auch durch Anrechnung auf die Gewerbesteuer vermieden oder zumindest vom Grundsatz her nicht ausgeschlossen sein sollte. 

Ergebnis

Nach dem FG hat folglich die Anrechnung der kanadischen Quellensteuern auf die Gewerbesteuer in entsprechender Anwendung von § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG, § 34c Abs. 6 S. 2 EStG zu erfolgen.

Für die Anrechnung der kanadischen Steuer auf die Gewerbesteuer gelten, nach dem FG, bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten die Vorschriften des § 34c Abs. 1 bis 3 und 5 bis 7 EStG, § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG analog. Gemäß § 34c Abs. 6 S. 2 EStG ist in den Fällen, in denen die DBA (auch) eine Anrechnung vorsehen, auf den anzurechnenden Teil § 34c Abs. 1 S. 2 bis 5 sowie Abs. 2 anzuwenden, soweit das DBA dies nicht ausschließt. § 34c Abs. 1 S. 2 bis 5 EStG regele dabei die Abzugsbetragshöhe und den Abzugszeitpunkt. Da im Streitfall sich der Gewerbeertrag (fast) ausschließlich aus den kanadischen Dividendenerträgen zusammensetzte, habe auch eine Anrechnung – ggfs. bis zur vollen Höhe der deutschen Gewerbesteuer – zu erfolgen und es sei auch keine Berechnung nach der Herkunft der Dividenden (per-country-limitation) vorzunehmen.

Betroffene Normen

​§ 34c EStG, § 26 KStG

Streitjahr ​2008-2010

Anmerkungen

Praxishinweise

Zwar betraf der Urteilsfall die Anrechnung ausländischer Steuern auf Streubesitzdividenden i.S.d. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Kanada. Die Ausführungen des FG müssten grundsätzlich aber auch für vergleichbare Fallkonstellationen gelten, bei denen insbesondere das anzuwendende DBA eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuern auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich ausschließt, wie z.B. im DBA-Kanada bei Zinsen und Lizenzgebühren oder bei Einkünften ausländischer, passiv tätiger Betriebsstätten. Das FG hat die Revision zugelassen, so dass vergleichbare Fällen nach Rücksprache mit dem Mandanten offen gehalten werden sollten.

Die Frage, in welcher Reihenfolge die Anrechnung vorzunehmen ist, wenn gegen den Steuerpflichtigen auch deutsche Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer festgesetzt wird, hatte das FG nicht zu beantworten.

Aktuelle Rechtslage: keine Steuerbefreiung bei sog. Streubesitzdividenden:

Für sog. Streubesitzdividenden (Beteiligungen < 10%), die nach dem 28.02.2013 zufließen, gilt die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 1 KStG nicht mehr, d.h. diese sind für Zwecke der Körperschaftsteuer voll steuerpflichtig.

Fundstelle

​Finanzgericht Hessen, Urteil vom 26.08.2020, 8 K 1860/16, BFH-anhängig: I R 8/21, IStR 2021, S. 271

Weitere Fundstellen

​Finanzgericht Niedersachen, Urteil vom 18.03.2020, 6 K 20/18, BFH-anhängig: I R 16/20, siehe Deloitte Tax News

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