Zurück zur Übersicht
17.06.2011
Internationales Steuerrecht

FG Bremen: Keine Vorrangstellung eines DBA vor anderen Gesetzen

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben. Die Einkünfte, die der Pilot von seinem irischen Arbeitgeber erzielt, sind antragsgemäß steuerfrei zu belassen, jedoch dem inländischen Progressionsvorbehalt zu unterwerfen. 
BFH, Urteil vom 11.01.2012, I R 27/11, siehe Deloitte Tax-News

Sachverhalt FG

Der Kläger ist als Pilot im internationalen Luftverkehr bei einer in Irland ansässigen Gesellschaft beschäftigt und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seinen Wohnsitz hat der Kläger in Deutschland. Die von seinem Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte irische Steuer wurde auf Antrag in voller Höhe von der irischen Finanzbehörde erstattet, da er in Irland nicht unbeschränkt steuerpflichtig war und auch keine irischen Flughäfen angeflogen hatte. Das deutsche Finanzamt unterwarf seinen Bruttoarbeitslohn der inländischen Besteuerung mit der Begründung, § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG sei anwendbar, da die Vergütungen aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens überhaupt keiner Besteuerung unterliegen würden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Treaty Override-Regelung würden ebenfalls nicht bestehen.

Entscheidung FG

Das Finanzamt hat zu Recht den Arbeitslohn des Klägers in Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG der inländischen Besteuerung unterworfen.

Der Kläger ist aufgrund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Nach dem DBA Irland würde Irland das Besteuerungsrecht zustehen, da der Kläger als Pilot im internationalen Flugverkehr tätig war und sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Arbeitgebers in Irland befand (Art. XII Abs. 3 DBA Irland). Seine Einkünfte wären grds. in Deutschland steuerfrei und im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (Art. XXII Abs. 2 DBA Irland). Die Freistellung der Einkünfte wird jedoch ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Diese Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG wurde mit dem JStG 2007 ab dem Veranlagungszeitraum 2007 in das EStG eingefügt und soll nach der amtlichen Begründung eine Nichtbesteuerung von Einkünften in beiden Staaten verhindern. Dabei ist § 50d Abs. 9 EStG nur auf Einkünfte anwendbar, die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind. Steuerbefreiungen, die sich aus dem innerstaatlichen Recht ergeben, bleiben somit unberührt.

Die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Pilot bei seinem in Irland ansässigen Arbeitgeber sind grundsätzlich nach dem DBA Irland von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Diese Einkünfte sind in Irland nicht steuerpflichtig, weil er in Irland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Die in § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG normierten Voraussetzungen für das Absehen von der Gewährung der Freistellung der Einkünfte liegen demnach vor.

Die Norm des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar ist das unilaterale Abweichen von den Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages (Treaty Override) vor diesem Hintergrund ein Vertragsbruch und völkerrechtswidrig. Die Völkerrechtswidrigkeit hat jedoch ausschließlich Auswirkungen auf völkerrechtlicher Ebene mit der Folge, dass der jeweilige Vertragspartner den Vertragsbruch rügen, den Vertrag kündigen bzw. Vertragsänderungen verlangen oder andere diplomatische Schritte unternehmen kann. Die innerstaatliche Wirksamkeit des Treaty Override, also des Gesetzes, mit dem gegen einen völkerrechtlichen Vertrag verstoßen wird, bleibt hingegen von der Völkerrechtswidrigkeit unberührt. Die formell ordnungsgemäß erlassene Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG begegnet weiter keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil subjektive Rechte des Steuerpflichtigen nicht verletzt werden. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG ergeben sich auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 19.05.2010.

Die Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG führt im Streitfall dazu, dass die Freistellung der streitigen Einkünfte in Deutschland rückgängig gemacht wird. Im Ergebnis wird somit durch § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG die Rechtslage wieder hergestellt, die ohne das DBA-Irland bestehen würde.

Betroffene Normen

§ 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007; § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG; Art. XII Abs. 3 DBA Irland; Art. XXII Abs. 2 DBA Irland; § 2 AO
Streitjahr 2007

Fundstelle

Finanzgericht Bremen, Urteil vom 10.02.2011, 1 K 20/10 3, DStRE 2011, S. 679

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 19.05.2010, I B 191/09, BStBl II 2011, S. 156, siehe Beitrag in den Deloitte Tax-News (18.06.2010)

Weitere Beiträge

Vgl. auch das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zur Treaty Override-Regelung des § 50d Abs. 10 EStG, siehe hierzu in den Deloitte Tax-News (24.05.2011)

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.