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25.02.2021
Internationales Steuerrecht

EuGH: Schwedische Regelung zur Begrenzung des Zinsabzugs EU-rechtswidrig

Nach dem EuGH verstößt eine schwedische Regelung zur Begrenzung des Zinsabzugs gegen die Niederlassungsfreiheit. Nach der schwedischen Regelung ist der Abzug von Zinsaufwendungen gegenüber einem verbundenen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zu versagen, wenn mit dem Schuldverhältnis ein erheblicher Steuervorteil bezweckt wurde. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lässt sich nicht durch Gründe der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung oder der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse rechtfertigen.

Sachverhalt

Eine Gesellschaft mit Sitz in Schweden (im Folgenden: Lexel) finanzierte den Erwerb von Aktien an einer belgischen Gesellschaft (im Folgenden: SESI), die zu derselben Gruppe gehört, durch ein bei einer anderen Gesellschaft dieser Gruppe mit Sitz in Frankreich (im Folgenden: BF) aufgenommenes Darlehen. BF verwendete die eingenommenen Zinsen, um Verluste aus der Tätigkeit der Gesellschaften mit Sitz in Frankreich, aus denen sich die steuerliche Einheit zusammensetzt, auszugleichen. Die schwedische Steuerverwaltung verwehrte den Abzug der Zinskosten des von BF gewährten Darlehens mit Verweis auf eine sog. Ausnahmebestimmung in den schwedischen Zinsabzugsregelungen. Nach dieser Ausnahmebestimmung ist ein Zinsabzug zu versagen, wenn das Schuldverhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen hauptsächlich zu dem Zweck begründet wurde, ihnen einen erheblichen Steuervorteil zu verschaffen. Die Ausnahmebestimmung wäre bei einem inländischen (d.h. hier schwedischen) verbundenen Unternehmen als Darlehensgeber/ Zinsempfänger nicht zur Anwendung gekommen.

Folglich stellte sich die Frage, ob die o.g. Ausnahmebestimmung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Entscheidung

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) durch die o.g. Ausnahmebestimmung in den schwedischen Regelungen zur Begrenzung des Zinsabzugs beschränkt ist.

Vorliegen einer Ungleichbehandlung

Aus Sicht des EuGH liegt im vorliegenden Fall eine Ungleichbehandlung vor, die sich nachteilig auf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften auswirkt. Denn für den Fall, dass der Empfänger der Zinsen im Inland (hier: Schweden) steuerlich ansässig gewesen wäre, wäre die Ausnahmebestimmung bzw. die Begrenzung des Zinsabzugs nicht zur Anwendung gekommen. Eine solche Ungleichbehandlung könne gleichwohl mit Art. 49 AEUV vereinbar sein, wenn sie Sachverhalte betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zu diesem Zweck steht.

Vergleichbarkeit der Sachverhalte

Die beiden Sachverhalte, Zinsempfänger mit Sitz in demselben Mitgliedstaat (hier: Schweden) wie der Darlehensnehmer oder mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, seien auch vergleichbar. Folglich sei zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.

Rechtfertigungsgründe

1) Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung

Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lässt sich durch Gründe der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung nur rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liegt, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird (vgl. EuGH-Urteile vom 12.09.2006, C‑196/04, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas sowie vom 22.02.2018, C‑398/16 und C‑399/16, X und X). Die schwedische Ausnahmebestimmung beschränkt sich nach dem EuGH allerdings nicht auf die Bekämpfung rein künstlicher Konstruktionen, sondern kommt auch auf solche Geschäfte zur Anwendung, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs – wie zwischen unabhängigen Gesellschaften- geschlossen werden. Folglich kann nach dem EuGH eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht durch Gründe der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung hergeleitet werden.

2) Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten

Auch kann die Ungleichbehandlung nach dem EuGH nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren ist.

Nach Auffassung des EuGH bezweckt die Ausnahmebestimmung die Aushöhlung der schwedischen Besteuerungsgrundlage zu verhindern. Dieser Zweck sei aber nicht mit dem Erfordernis zu verwechseln, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. Denn die gezahlten Zinsen wären ohnehin im Empfängerstaat zu besteuern; eine Gewährung des Abzugs der Zinsaufwendungen ändere daran nichts. Überdies wären die Zinsen abzugsfähig gewesen, wenn der Darlehengeber/ Zinsempfänger keine verbundene Gesellschaft gewesen wäre. Folglich komme auch die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nicht als Rechtfertigungsgrund in Betracht.

3) Gesamtbetrachtung der Rechtsfertigungsgründe

Die schwedische Ausnahmebestimmung könne ferner nicht durch eine Gesamtbetrachtung der Rechtfertigungsgründe der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung und der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt werden. Dazu müsste sich der betreffende Mitgliedstaat mit Erfolg auf die Rechtfertigung durch das Erfordernis, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, berufen können. Dies ist – wie oben ausgeführt – allerdings nicht der Fall.

Anmerkungen

Auswirkungen auf die Lizenzschranke gem. § 4j EStG

Die schwedischen Zinsabzugsregelungen weisen Ähnlichkeiten zur deutschen Lizenzschranke gemäß § 4j EStG auf. Während nach den schwedischen Regelungen Zinsaufwendungen gegenüber verbundenen Unternehmen grundsätzlich abzugsfähig sind, wenn der Zinsempfänger mit einem Steuersatz von mindestens 10 Prozent besteuert worden wäre (sog. 10%-Regel), sind nach den deutschen Regelungen Aufwendungen für Rechteüberlassungen an nahestehende Personen nicht mehr oder nur noch zum Teil abziehbar, wenn die entsprechenden Einnahmen beim Empfänger aufgrund eines als schädlich eingestuften Präferenzregimes (u.a. „Lizenzbox“) nicht oder nur niedrig besteuert werden. Da die deutsche Lizenzschranke faktisch nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst, liegt eine Beschränkung der Grundfreiheiten vor, da der grenzüberschreitende EU-Fall schlechter als der reine Inlandsfall behandelt wird. Umstritten ist allerdings, ob diese Beschränkung durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt ist. Das o.g. EuGH-Urteil stärkt die Kritik an der EU-rechtswidrigen Ausgestaltung der deutschen Lizenzschranke, da auch hier die Rechtfertigungsgründe „Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung“ oder „Wahrung der Aufteilung Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten“ nicht vorliegen dürften.

Betroffene Normen

​Art. 49 AEUV​

​Streitjahr ​2013, 2014 

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 20.01.2021, C-484/19 ​​​ 

Weitere Fundstellen

​EuGH, Urteile vom 22.02.2018, C‑398/16 und C‑399/16, X und X, BeckRS 2018, S. 1674

​EuGH, Urteile vom 12.09.2006, C‑196/04, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, IStR 2006, S. 670​ 

Ihr Ansprechpartner

Dr. Alexander Linn
Partner

allinn@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8558

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