EuGH: Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004 unionsrechtswidrig
Aktuell:
- Der BFH schließt sich mit Urteil vom 11.10.2023 (I R 23/23 (I R 33/17)) der Auffassung des EuGH an. Aus unionsrechtlichen Gründen ist die Steuerbefreiung gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F. (InvStG 2004) auch für gebietsfremde Spezialimmobilienfonds zu gewähren.
BFH, Urteil vom 11.10.2023 (I R 23/23 (I R 33/17))
EuGH:
Die Besteuerung gebietsfremder Spezialimmobilienfonds nach dem bis zur Investmentsteuerreform 2018 geltenden alten Investmentsteuerrecht (InvStG 2004) ist europarechtswidrig.
Sachverhalt
Der L Fund (Kläger) ist ein nach Luxemburger Recht errichteter, geschlossener Immobilienfonds mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland. Der L Fund erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus der Vermietung und aus dem Verkauf seiner in Deutschland belegenen Immobilien.
Der L Fund vertrat die Auffassung, dass er in Deutschland nicht der Körperschaftsteuer unterlag. Im Gegensatz dazu bejahte das Finanzamt die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht des L Funds.
Auch der BFH kam zu dem Ergebnis, dass der L Fund gemäß § 2 Nr. 1 KStG mit seinen gesamten in Deutschland erzielten Einkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. Steuerbefreiungen persönlicher oder sachlicher Natur kommen nach dem BFH nicht zur Anwendung.
Im Gegensatz zu vom nationalen Recht geregelten offenen Investmentfonds könne der L Fund nicht in den Genuss der in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. vorgesehenen Befreiung von der Körperschaftsteuer kommen, da der L Fund nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG a.F. in Verbindung mit § 2 Abs. 8 InvG a.F. ein ausländischer Fonds sei.
Der BFH hatte dem EuGH folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht der Kapitalverkehrsfreiheit die Regelung eines Mitgliedstaats (§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.) entgegen, der zufolge inländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern von der Körperschaftsteuer befreit sind, während ausländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern hinsichtlich ihrer im Inland erzielten Vermietungseinkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen?
Entscheidung
Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die in den Streitjahren bestehende deutsche Regelung (§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.), die gebietsfremde Spezialimmobilienfonds gegenüber gebietsansässige Spezialimmobilienfonds nachteilig behandelt, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Es liegt eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor.
Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
Nach dem EuGH stellen die relevanten deutschen Vorschriften des Investmentsteuergesetz eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da gebietsansässige Spezialimmobilienfonds von der Körperschaftsteuer befreit sind, gebietsfremde hingegen nicht. Gebietsfremde Spezialimmobilienfonds werden gegenüber gebietsansässigen Fonds benachteiligt.
Eine solche Ungleichbehandlung sei geeignet, gebietsfremde Spezialimmobilienfonds von Investitionen in in Deutschland belegene Immobilien abzuhalten und halte darüber hinaus in Deutschland ansässige Anleger davon ab, für solche Investitionen gebietsfremde Spezialimmobilienfonds in Anspruch zu nehmen.
Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
Die deutsche Regelung könne dennoch als mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.
Vorliegen objektiv vergleichbarer Situationen
Der EuGH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 17.03.2022, C-545/19 „AllianzGI-Fonds“) und folgert, dass ein gebietsfremder Spezialimmobilienfonds, der auch in Deutschland ansässige Anleger haben kann, sich in einer Situation befindet, die mit der eines gebietsansässigen Spezialimmobilienfonds objektiv vergleichbar ist.
Zwingende Gründe des Allgemeininteresses
Nach dem EuGH lasse sich die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen.
Der EuGH vertritt die Auffassung, dass die Kohärenz des Steuersystems mit Hilfe von verhältnismäßigeren Alternativen (z.B. wenn die gebietsfremden Spezialimmobilienfonds von der Körperschaftsteuer befreit werden könnten, sofern sich die deutschen Steuerbehörden unter voller Zusammenarbeit dieser Fonds vergewissern, dass die Anleger dieser Fonds eine Steuer entrichten, die derjenigen entspricht, der die Anleger eines gebietsansässigen Spezialimmobilienfonds unterliegen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 21.06.2018, C-480/16, „Fidelity Funds“) hätte gewahrt werden können.
Auch der Rechtfertigungsgrund einer Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten liege nicht vor. Denn ein Mitgliedstaat, der sich dafür entscheidet, die inländischen Einkünfte gebietsansässiger Fonds nicht zu besteuern, könne sich nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung gebietsfremder Fonds zu rechtfertigen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 17.03.2022, C-545/19, „AllianzGI-Fonds“).
Betroffene Normen
§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F., § 15 Abs. 2 S. 2 InvStG a.F.
Streitjahre: 2008-2010
Anmerkungen
Hintergrund: Regelungen des InvStG 2004
Das o.g. EuGH-Urteil betrifft noch das bis zur Investmentsteuerreform 2018 geltende alte Investmentsteuerrecht (InvStG 2004). Mit Einführung des neuen InvStG 2018 unterliegen sowohl inländische als auch ausländische Fonds gemäß § 6 InvStG 2018 grundsätzlich gleichermaßen der Körperschaftsteuerpflicht.
Vorinstanz
BFH, EuGH-Vorlage vom 18.12.2019, I R 33/17, siehe unter Anmerkungen Deloitte Tax News
Fundstellen
BFH, Urteil vom 11.10.2023, I R 23/23 (I R 33/17)
EuGH, Urteil vom 27.04.2023, C-537/20
Weitere Fundstellen
EuGH, Urteil vom 17.03.2022, C-545/19, „AllianzGI-Fonds“, siehe Deloitte Tax News
EuGH, Urteil vom 21.06.2018, C 480/16, Fidelity Funds
Englischsprachiger Beitrag
Für weitere Informationen, siehe auch den englischsprachigen Beitrag zum Urteil.