Zurück zur Übersicht
20.05.2021
Internationales Steuerrecht

EuG: Kein selektiver Vorteil bzw. keine EU-rechtswidrige Beihilfe zugunsten von Amazon

Im Zusammenhang mit innerhalb des Amazon-Konzerns in Luxemburg gezahlten Lizenzgebühren hat das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden, dass – entgegen dem Beschluss der Europäischen Kommission –das Tax Ruling der luxemburgischen Finanzbehörden, indem die Ermittlungsmethode der konzerninternen Lizenzgebühren gebilligt wurde, keine EU-rechtswidrige Beihilfe darstellt. Ausschlaggebend war, dass die Feststellungen der EU Kommission nach Ansicht des EuG auf Erwägungen beruhen, die in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sind und folglich aus Sicht des EuG die EU-Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Steuerlast durch eine zu hohe Bewertung der Gebühren künstlich verringert wurde. 

Sachverhalt

Der Amazon-Konzern wickelte seine Geschäftstätigkeiten in Europa über zwei in Luxemburg ansässige Gesellschaften ab, nämlich die Amazon Europe Holding Technologies SCS (LuxSCS), eine luxemburgische Kommanditgesellschaft, deren Gesellschafter amerikanische Einheiten des Amazon-Konzerns waren und die somit nicht der luxemburgischen Gesellschaftssteuer unterlag, und die operativ tätige Amazon EU Sàrl (LuxOpCo), eine 100%-ige Tochtergesellschaft von LuxSCS.

LuxOpCo zahlte für die Nutzung von immateriellen Vermögensgegenständen Lizenzgebühren an LuxSCS. Die Höhe der Lizenzgebühren wurde nach der Nettomargenmethode mit LuxOpCo als „tested party“ (zu überprüfendes Unternehmen) bestimmt. Mit einem Tax Ruling (Steuervorbescheid) der Finanzverwaltung in Luxemburg wurde u.a. die Ermittlungsmethode der Lizenzgebühren gebilligt.

Beschluss der EU Kommission vom 04.10.2017

Mit Beschluss vom 04.10.2017 (2018/859) stellte die Europäische Kommission fest, dass das o.g. Tax Ruling der luxemburgischen Finanzverwaltung eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellt. Nach Artikel 107 AEUV sind – soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist – staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Die Europäische Kommission vertritt die Auffassung, dass die Lizenzgebühren zu hoch angesetzt worden sind, so dass die Steuerbemessungsgrundlage der LuxOpCo künstlich verringert worden ist und folglich ein wirtschaftlicher Vorteil (bzw. „selektiver Vorteil“) zugunsten von Amazon vorliegt, da Amazon weniger Steuern zahlt als andere Unternehmen, deren Gewinne in Einklang mit den marktüblichen Bedingungen berechnet werden.

Die Europäische Kommission begründet ihren Beschluss u.a. damit, dass das o.g. Tax Ruling auf der nicht begründeten Annahme beruht, dass LuxSCS einzigartige und wertvolle Funktionen im Hinblick auf die immateriellen Wirtschaftsgüter übernehmen würde, während auf LuxOpco ausschließlich „routinemäßige“ Verwaltungsfunktionen in Verbindung mit dem Europageschäft von Amazon im Online-Einzelhandel entfielen. Folglich hätte aus Sicht der EU Kommission auch LuxSCS (anstelle von LuxOpCO) als „tested party“ bei der Preisermittlung nach der Nettomargenmethode ausgewählt werden müssen.

EuG-Urteile vom 12.05.2021

Hingegen kommt das EuG zu dem Ergebnis, dass die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die Steuerlast von der LuxOpCo zu Unrecht verringert wurde und ein sog. „selektiver Vorteil“ vorliegt. Folglich erklärt das EuG den o.g. Beschluss der Europäischen Kommission in vollem Umfang für nichtig.

Vorliegen eines „selektiven Vorteils“ und Nachweispflicht der EU Kommission

Nach der ständigen Rechtsprechung muss bei der Prüfung, ob ein steuerlicher Vorteil vorliegt, die Situation des Begünstigten, wie sie sich aus der Anwendung der in Rede stehenden Maßnahme ergibt, mit dessen Situation ohne die in Rede stehende Maßnahme, wenn die normalen Steuervorschriften angewandt werden, verglichen werden.

Im Zusammenhang mit steuerlichen Vorteilen bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen weist das EuG daraufhin, dass methodische Fehler für sich allein nicht zwangsläufig zu einem „selektiven Vorteil“ bzw. einer EU-rechtswidrigen Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV führen. Die EU Kommission müsse vielmehr nachweisen, dass etwaige methodische Fehler bei der Ermittlung der Verrechnungspreise auch zu einer (im Vergleich zu einer bei Anwendung der normalen Steuervorschriften ergebenden) geringeren Steuerlast geführt haben.

Fehlerhafte Erwägungen der EU Kommission

In einem nächsten Schritt prüft das EuG, ob die Erwägungen, auf denen die Feststellung der Kommission beruht, zutreffen. In diesem Prüfungsschritt stellt das EuG u.a. fest, dass die von der EU Kommission vorgenommene Analyse der Funktionen der LuxSCS fehlerhaft ist. So habe die Kommission weder die Aufgaben, die LuxSCS bei der Nutzung der betreffenden immateriellen Vermögensgegenstände wahrgenommen hat, noch die Risiken, die diese Gesellschaft insoweit eingegangen ist, gebührend berücksichtigt.

Weiter habe die EU Kommission auch nicht nachgewiesen, dass es einfacher wäre, mit LuxSCS vergleichbare Unternehmen zu bestimmen als mit LuxOpCo vergleichbare, und dass mit dem Abstellen auf LuxSCS als „tested party“ verlässlichere Vergleichsdaten hätten ermittelt werden können. Folglich habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass die luxemburgischen Steuerbehörden bei der Ermittlung der Höhe der Gebühren zu Unrecht LuxOpCo als „tested party“ herangezogen hätten.

Darüber hinaus können nach dem EuG die Aufgaben der LuxSCS nicht mit Dienstleistungen „mit geringer Wertschöpfung“ gleichgesetzt werden. Folglich sei auch der Aufschlag, auf den die EU Kommission abstellt und bei konzerninternen Dienstleistungen mit niedriger Wertschöpfung häufig Anwendung findet, nicht aussagekräftig.

Insoweit stellt das EuG fest, dass die Hauptfeststellung der EU Kommission auf Erwägungen beruht, die in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sind und folglich die EU Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Steuerlast von LuxOpCo durch eine zu hohe Bewertung der Gebühren künstlich verringert wurde.

Betroffene Normen

Art. 107 AEUV

Streitjahr ​2006-2014​ 

Anmerkungen

  • ​Es wird erwartet, dass die EU Kommission gegen dieses Urteil noch Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen wird.
  • Nach Pressemitteilungen geht es bei Amazon um Steuernachzahlungen in Höhe von 250 Mio Euro, die aufgrund der o.g. Entscheidung nicht fällig werden. Nach eigenen Angaben hat Amazon seine in Kritik geratene europäische Steuerpraxis bereits ab 2015 geändert und versteuert seine Gewinne seit 2015 nicht mehr zentral in Luxemburg, sondern in einzelnen ​europäischen Ländern.​​

Fundstelle

EuG, Urteile vom 12.05.2021, T-816/17 und T-318/18

Weitere Fundstellen

​EU Kommission, Beschluss 2018/​859 vom 04.10.2017 über die sta​​atliche Beihilfe Luxemburgs SA.38944 (2014/C) (ex 2014/NN) zugunsten von Amazon, ABl. 2018, L 153, S.1 

Ihr Ansprechpartner

Dr. Alexander Linn
Partner

allinn@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8558

Ihr Ansprechpartner

Dr. Alexander Linn
Partner

allinn@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8558

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.