EU Kommission: Richtlinien-Vorschlag zu DEBRA („debt-equity bias reduction allowance“)
Am 11.05.2022 hat die EU-Kommission einen Richtlinien-Vorschlag veröffentlicht, der für Steuerpflichtige, die in einem EU-Mitgliedstaat der Körperschaftsteuer unterliegen, einerseits einen sog. Freibetrag für Eigenkapital und andererseits eine Abzugsbeschränkung für Fremdkapital vorsieht. Ab 2024 könnten die Regelungen zur Anwendung kommen.
Hintergrund
Bereits in der „Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ vom 18.05.2021 hatte die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zu DEBRA („debt-equity bias reduction allowance“) mit dem Ziel angekündigt, die steuerliche Ungleichbehandlung von Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierungen zu reduzieren und Unternehmen zu ermutigen eine Eigenkapitalfinanzierung zu wählen (siehe Deloitte Tax News). Laut Management Plan der EU Kommission für 2022 vom 07.03.2022 war dieser Richtlinienvorschlag für das erste Quartal 2022 geplant (siehe Deloitte Tax News).
Am 11.05.2022 wurde nun der Richtlinien-Vorschlag zu DEBRA veröffentlicht. Der Vorschlag sieht einerseits einen steuerlich abzugsfähigen, fiktiven Zins auf Eigenkapitalzuführungen (sog. Freibetrag für Eigenkapital) und andererseits eine begrenzte steuerliche Abzugsfähigkeit von (Fremdkapital-)Zinsen vor.
Begründet wird der Richtlinien-Vorschlag damit, dass die derzeitigen steuerrechtlichen Anreize für die Fremdkapitalfinanzierung, die es den Unternehmen ermöglichen, Zinsen für eine Fremdkapitalfinanzierung abzusetzen, nicht jedoch die mit der Eigenkapitalfinanzierung verbundenen Kosten, für den hohen Verschuldungsgrad der Unternehmen mitverantwortlich sind. Eine übermäßige Verschuldung macht Unternehmen allerdings anfällig für unvorhergesehene Veränderungen im Unternehmensumfeld. Die Verringerung der übermäßigen Fremdfinanzierung und die Unterstützung für die Neuausrichtung der Kapitalstruktur der Unternehmen soll positive Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum haben.
Richtlinien-Vorschlag vom 11.05.2022
Im Folgenden haben wir einen Überblick über die Regelungen des Richtlinien-Vorschlags vom 11.05.2022 erstellt:
Persönlicher Anwendungsbereich
Die Regelungen sollen für alle Steuerpflichtige, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten, der Körperschaftsteuer unterliegen, zur Anwendung kommen. Eine Ausnahme hiervon soll für bestimmte Finanzunternehmen gelten.
Kernelemente: Freibetrag für Eigenkapital („Allowance on equity“) und Abzugsbeschränkung für Fremdkapitalzinsen
Der Richtlinien-Vorschlag sieht zwei getrennte, voneinander unabhängige Maßnahmen vor: den sog. Freibetrag für Eigenkapital („Allowance on equity“) und die Abzugsbeschränkung für Fremdkapitalzinsen.
- sog. Freibetrag für Eigenkapital:
Der Freibetrag für Eigenkapital errechnet sich aus der Eigenkapitalzufuhr (Differenz des Netto-Eigenkapitals am Jahresende und des Netto-Eigenkapitals am Ende des Vorjahres) eines Jahres multipliziert mit dem fiktiven Zinssatz. Der fiktive Zinssatz berechnet sich wiederum aus dem 10-jährigen risikolosen Zinssatz für die jeweilige Währung des Steuerpflichtigen zuzüglich eines Risikoaufschlags von 1% bzw. 1,5% (bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen).
Der Freibetrag ist jährlich jeweils neu zu ermitteln und wird dann grundsätzlich für die nächsten 10 Jahre gewährt. Im nächsten Jahr erfolgt eine erneute Ermittlung für die dann folgenden 10 Jahre. Eigenkapitalreduzierungen in einem Jahr können dazu führen, dass entsprechende Beträge für die nächsten 10 Jahre steuerpflichtig werden.
Die Abzugsfähigkeit des Freibetrags für Eigenkapital ist auf 30% des EBITDA („earnings before interest, tax, depreciation and amortization“; also einem um Zinsen, Steuern und Abschreibungen bereinigten zu versteuerndes Einkommen) des Steuerpflichtigen beschränkt. Der Teilbetrag des Freibetrags, der mangels zu versteuernden Einkommens nicht abzugsfähig war, kann (unbegrenzt) vorgetragen werden. Weiter kann nicht genutzte Freibetragskapazität, wenn also die o.g. 30%-EBITDA-Grenze nicht ausgeschöpft wurde, maximal 5 Jahre vorgetragen werden. Der Richtlinien-Vorschlag enthält auch Missbrauchsvermeidungsvorschriften (u.a. zu konzerninternen Darlehen und bestimmten Bar- und Sacheinlagen).
- Abzugsbeschränkung für Fremdkapitalzinsen:
Fremdkapitalzinsen sollen grundsätzlich nur noch zu 85% abzugsfähig sein, soweit sie die Zinserträge übersteigen.
Sofern auch die Zinsabzugsbeschränkungen nach Art. 4 ATAD („Anti-Tax-Avoidance Directive (ATAD)“, siehe auch Deloitte Tax News) zur Anwendung kommen, sollen sowohl die nach Art. 6 der DEBRA-Richtlinie und die nach Art. 4 ATAD abzugsfähigen Zinsen ermittelt werden. Der niedrigere Betrag der beiden ermittelten Beträge soll zum Ansatz kommen. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen kann im Einklang mit Art. 4 ATAD vor- und/oder zurückgetragen werden.
Zeitliche Anwendung
Die (vorgeschlagenen) Regelungen sollen bis zum 31.12.2023 in nationales Recht der Mitgliedstaaten bis zum 31.12.2023 umgesetzt und ab 01.01.2024 anwendbar sein.
Ausblick
Die Annahme des Richtlinien-Vorschlags setzt Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten im Rat der EU voraus. Derzeit ist noch nicht absehbar, ob und wann der Richtlinien-Vorschlag angenommen wird.
Anmerkung
Zum o.g. Richtlinien-Vorschlag gibt es auch einen englischsprachigen Beitrag von Deloitte Niederlande.
Fundstellen
EU Kommission, Richtlinien-Vorschlag zu DEBRA vom 11.05.2022
EU Kommission, Pressemitteilung vom 11.05.2022
EU Kommission, Bemerkungen von Gentiloni vom 11.05.2022
