Brexit: Weiterhin alles offen
Aktuell:
- Brexit-Übergangsgesetz: Zustimmung Bundesrat am 15.02.2019 (BR-Drs. 28/19 (B)),
Die Abstimmung im britischen Unterhaus über das Brexit-Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU hat zu einer klaren Ablehnung dieses Abkommens durch das Unterhaus geführt. Eine Entscheidung über die Ausgestaltung des Brexit oder einer Übergangsregelung nach dem 29.03.2019 ist damit weiter offen. Der Gesetzgeber in Deutschland bereitet sich auf alle Szenarien vor.
Hintergrund
Am 23.06.2016 hat sich der britische Wähler mehrheitlich für den Austritt aus der EU entschieden. Dieser Austritt erfolgte nicht sofort, vielmehr läuft am 30.03.2019 eine Zweijahresfrist nach der offiziellen Mitteilung über die Austrittsabsichten von Großbritannien an den Rat aus, nach der es ohne eine Verlängerung dieser Frist oder einem Austrittsabkommen zu einem sogenannten „harten“ Brexit kommt. In Vertragsverhandlungen zwischen der EU und Großbritannien haben sich beide Parteien auf ein Austrittsabkommen verständigt. Dieses Abkommen bedarf für das Inkrafttreten unter anderem der Zustimmung des britischen Unterhauses. Dieses hat in der Abstimmung am 15.01.2019 sehr deutlich seine Zustimmung verweigert. Auch wenn am 16.01.2019 der Misstrauensantrag gegen Premierministerin Theresa May gescheitert ist und sie damit im Amt bleibt, ist weiterhin offen, welches Szenario am 30.03.2019 zum Tragen kommt.
Weitere Entwicklung
Für den weiteren Brexit-Prozess werden die folgenden Szenarien diskutiert:
1. Rücknahme des Austrittsantrags, ggf. nach einem weiteren Referendum
2. Über ein geändertes Austrittsabkommen wird erneut abgestimmt
3. Es findet sich keine politische Mehrheit für eine andere Lösung als den „harten“ Brexit
Auf dem Weg zu diesen Szenarien sind die verschiedensten Entwicklungen denkbar. So kann es zu Neuwahlen kommen oder der Termin für den Brexit wird auf Wunsch von Großbritannien mit Zustimmung aller EU-Staaten verschoben, wobei sich abzeichnet, dass eine solche Verschiebung – wenn sie überhaupt erfolgt – maximal bis Ende Mai (Europawahlen) bzw. Ende Juni (konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments Anfang Juli) erfolgen wird.
Reaktion des deutschen Gesetzgebers
Ohne ein Szenario vorwegzunehmen oder die Verhandlungsposition der EU zu schwächen, hat auf Initiative der Bundesregierung der deutsche Gesetzgeber bereits damit begonnen, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Brexit-Übergangsgesetz
Mit dem am 17.01.2019 vom Bundestag beschlossenen Brexit- Übergangsgesetz (BrexitÜG; Zustimmung Bundesrat für den 15.02.2019 vorgesehen) soll für den im Austritts-Abkommen vorgesehenen Übergangszeitraum Rechtsklarheit bezüglich jener Bestimmungen im Bundesrecht hergestellt werden, die auf die Mitgliedschaft in der EU Bezug nehmen. Darüber hinaus werden Änderungen im Einbürgerungsverfahren vorgenommen. Dieses Gesetz greift jedoch nur für den Fall, dass das Austrittsabkommen wirksam wird, also nicht für den Fall eines „harten“ Brexit.
Viertes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes
Mit dem am 01.01.2019 in Kraft getretenen Gesetz verfolgt der deutsche Gesetzgeber das Ziel, die den vom Brexit betroffenen Unternehmen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eines geordneten Wechsels in eine inländische Gesellschaftsform zu erweitern und einschlägige Fristen zu verlängern. Siehe auch Deloitte Tax-News.
Brexit-Steuerbegleitgesetz
Mit dem sich in der parlamentarischen Beratung befindlichen Gesetzentwurf soll für Steuerpflichtige verhindert werden, dass allein der Austritt zu unmittelbar nachteiligen steuerlichen Rechtsfolgen führt. Hierbei geht es um Sachverhalte, in denen der Steuerpflichtige vor dem Brexit alle steuerlich relevanten Handlungen vollzogen hat. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Regelungen zur Abfederung von Brexit-Folgen im Finanzmarktbereich. Siehe auch Deloitte Tax-News.
Allerdings enthält dieses Gesetz keine unilateralen Maßnahmen zur Verlängerung anderweitiger Vorteile aus der EU-Mitgliedschaft, da dies dem einheitlichen Verhandlungsansatz der EU widersprechen würde. Dementsprechend würden im Fall eines harten Brexit ungeachtet des Brexit-StBeglG u.a. die Vorteile der Mutter-Tochter-Richtlinie entfallen, sodass Ausschüttungen deutscher Kapitalgesellschaft mit britischen Muttergesellschaften künftig mindestens einer 5%igen Quellensteuer nach dem DBA unterliegen würden. Siehe auch Deloitte Tax-News.
Gesetz zu Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach dem Brexit
Der Regierungsentwurf des Gesetzes befindet sich ebenfalls im Gesetzgebungsverfahren (BR-Drs. 1/19). Mit dem Gesetzentwurf sollen deutsche und britische Staatsbürger, die am 30.03.2019 im jeweils anderen Land leben und arbeiten, ihren Sozialversicherungsschutz behalten, auch für den Fall eines „harten“ Brexit. Gleiches soll für Rentnerinnen und Rentner gelten, die in Großbritannien leben und eine Rente aus Deutschland bekommen. Enthalten sind außerdem Übergangsregelungen zur Arbeitsförderung, zur Altersteilzeit und zur Arbeitnehmerüberlassung. Weiterer Regelungsinhalte beziehen sich auf Auszubildende und Studierende, die eine im jeweils anderen Land begonnene Ausbildung nicht abbrechen müssen. Einbürgerungsbewerber und -bewerberinnen, deren Verfahren nicht bis zum 30.03.2019 abgeschlossen wurde, sollen bei einem „harten“ Brexit ihre jeweilige Staatsangehörigkeit behalten.