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30.10.2018
Internationales Steuerrecht

BMF: Passive Entstrickung aufgrund erstmaliger Anwendung eines DBA

Eine sogenannte passive Entstrickung liegt nach Ansicht des BMF vor, wenn durch eine Änderung der rechtlichen Ausgangssituation, beispielsweise aufgrund der erstmaligen Anwendbarkeit eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), der Tatbestand des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AStG, § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG oder gleichlautender Vorschriften ausgelöst wird.

Verwaltungsanweisung

Unterschiedliche Normen des deutschen Steuerrechts knüpfen eine fiktive Veräußerung oder Entnahme – mit der Folge der Gewinnrealisierung – an den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Veräußerungsgewinns. Neben tatsächlichen Handlungen des Steuerpflichtigen, wie dem Wegzug oder der Verbringung von Wirtschaftsgütern, kann auch ohne Zutun des Steuerpflichtigen ein solcher Ausschluss oder eine solche Beschränkung eintreten, beispielsweise wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen erstmals abgeschlossen oder geändert wird und hierdurch deutsche Besteuerungsrechte eingeschränkt werden. Es ist in der Literatur seit längerem umstritten, ob dies zu einer Besteuerung führen kann, oder ob hierfür eine Handlung des Steuerpflichtigen nötig ist.

Das BMF nimmt in seinem Schreiben wie folgt Stellung:

Passive Entstrickung

Der Tatbestand des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AStG, § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG oder gleichlautender Vorschriften setzt keine Handlung des Steuerpflichtigen voraus. Er kann unabhängig von einer Handlung des Steuerpflichtigen durch eine Änderung der rechtlichen Ausgangssituation, beispielsweise aufgrund der erstmaligen Anwendbarkeit eines DBAs, welches eine mit Artikel 13 Absatz 4 OECD-Musterabkommen vergleichbare Regelung enthält, ausgelöst werden – sogenannte passive Entstrickung.

Entstrickungszeitpunkt

Mit der erstmaligen Anwendbarkeit eines erstmals abgeschlossenen oder revidierten DBA treten die Rechtsfolgen der Entstrickung ein. Bezogen auf das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg vom 23.04.2012 (BGBl. II S. 1403, BStBl. I 2015 S. 7) ist dies gemäß Art. 30 Abs. 2 dieses Abkommens der 1. Januar 2014, 0 Uhr, und bezogen auf das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien vom 03.02.2011 (BGBl. II 2012 S. 18, BStBl. I 2013 S. 349) ist dies gemäß Art. 30 Abs. 2 dieses Abkommens der 1. Januar 2013, 0 Uhr.

Beispielsfall DBA Spanien

Nach Ansicht des BMF erfüllt eine in Deutschland ansässige Person (mindestens zehn Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig) den Tatbestand der passiven Entstrickung, wenn sie zu Beginn des Jahres 2013 einen Anteil an einer spanischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen hat, dessen Wert zu mehr als 50% unmittelbar oder mittelbar auf ein Landhaus in Spanien entfällt, und diese Gewinne entsprechend dem Belegenheitsprinzip nach Art. 13 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 nunmehr in Spanien besteuert werden dürfen. Es liegt eine Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AStG hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen nach § 17 EStG vor.

Als Rechtsfolge ist die Wertsteigerung zwischen Erwerb und dem 01.01.2013 durch Entstrickung nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AStG iVm § 17 EStG auch ohne tatsächliche Veräußerung in Deutschland steuerpflichtig. Allerdings wird in Fällen, in denen beispielsweise wie hier aufgrund der Neufassung des DBAs Spanien Steuer noch nicht entrichtet ist, eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung nach § 6 Abs. 5 Nr. 4 AStG gewährt. Die Stundung in diesen Fällen wurde zum 31.12.2014 im Gesetzestext ergänzt.

Mitteilungspflichten nach § 138 Abs. 2 AO

Auf die Mitteilungspflichten bei Auslandsbeziehungen nach § 138 Abs. 2 AO von inländischen Steuerpflichtige wird hingewiesen.

Anmerkungen

Mit dem BMF-Schreiben positioniert sich die Finanzverwaltung nun eindeutig in dieser umstrittenen Frage, zu der bislang noch keine Rechtsprechung existiert. Über den Abschluss oder die Änderung von DBA hinaus können auch andere Vorgänge zu passiven Ver- und Entstrickungsfällen führen. Hierzu zählt insbesondere die Über- oder Unterschreitung eines Schwellenwerts für Grundbesitzgesellschaften, soweit nur hierdurch ein deutsches Besteuerungsrecht begründet oder beschränkt wird. Möglicherweise war die aktuelle Gesetzgebung zur Begründung einer beschränkten Steuerpflicht bei Veräußerung von Grundbesitzgesellschaften im Entwurf des JStG 2018 jetzt auch Anlass für die Veröffentlichung dieses BMF-Schreibens. Soweit ersichtlich wurden bislang nur im DBA-Liechtenstein seinerzeit Regelungen aufgenommen, wie die Folgen einer passiven Entstrickung abgemildert werden können. Prot. Nr. 4 dieses DBAs sieht eine ausdrückliche Stundungsregel für mögliche Entstrickungsfälle vor.

Steuerpflichtige sollten daher sorgfältig prüfen, ob es in der Vergangenheit zu einer passiven Entstrickung gekommen ist. Da die Auffassung der Finanzverwaltung insoweit allerdings durchaus als umstritten bezeichnet werden kann, wäre bei Festsetzung einer Steuer aufgrund passiver Entstrickung zu prüfen, ob geeignete Rechtsmittel eingelegt werden.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AStG

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 26.10.2018, IV B 5 -S 1348/07/10002-01, siehe hierzu auch den englischen Beitrag in den German Tax and Legal News

Ihre Ansprechpartner

Dr. Alexander Linn
Partner

allinn@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8558

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