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07.12.2023
Internationales Steuerrecht

BMF: Entwurf eines Schreibens zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes

Die Finanzverwaltung hat mit Datum vom 30.11.2023 einen Entwurf eines Schreibens zu den Grundsätzen zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes veröffentlicht. Das Entwurfsschreiben enthält insbesondere umfangreiche Ausführungen und Beispiele zu den einzelnen Abwehrmaßnahmen des Steueroasen-Abwehrgesetzes.  

Hintergrund

Mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 2056, siehe Deloitte Tax News) setzte der deutsche Gesetzgeber die politische Vereinbarung der EU-Mitgliedstaaten um, nach welcher im Rahmen eines koordinierten Verfahrens durch die Schaffung spezifischer Abwehrmaßnahmen gegen Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb vorgegangen werden soll. Die Abwehrmaßnahmen richten sich gegen die Personen und Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen oder Personen in nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten unterhalten.

Der Rat der EU veröffentlicht zweimal jährlich die EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete (auch EU-Blacklist genannt). Auf der aktuellen EU-Blacklist vom Oktober 2023 stehen die folgenden 16 Länder und Gebiete: Amerikanisch-Samoa, Antigua und Barbuda, Anguilla, Bahamas, Belize, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Russland, Samoa, Seychellen, Trinidad und Tobago, Turks- und Caicosinseln, Amerikanische Jungferninseln und Vanuatu (siehe auch Deloitte Tax News).

Die für die Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes als nicht kooperativ eingestuften Steuerhoheitsgebiete werden in der sog. Steueroasen-Abwehrverordnung (StAbwV) veröffentlicht. Im derzeit vorliegenden Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Steueroasen-Abwehrverordnung vom 01.11.2023 (Drucksache 559/23) sind die o.g. 16 Länder und Gebiete auch bereits enthalten. Der Bundesrat wird seine Zustimmung zu dieser Verordnung voraussichtlich am 15.12.2023 erteilen.

Mit Datum vom 30.11.2023 hat nun das BMF einen Entwurf zu den Grundsätzen der Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes veröffentlicht. Die geltende Fassung des Entwurfs wurde an die Verbände zur Stellungnahme geschickt, welche nun bis zum 09.01.2024 Gelegenheit zur Stellungnahme haben.

Verwaltungsschreiben

Im Folgenden geben wir einen Überblick über das Entwurfsschreiben vom 30.11.2023. Das Schreiben gliedert sich in sieben Kapitel:

I. Umsetzung der Maßnahmen der Gruppe Verhaltenskodex

(Unternehmensbesteuerung)

II. Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete und Ansässigkeit

III. Anwendungsbereich

IV. Betroffene Geschäftsvorgänge

V. Abwehrmaßnahmen

VI. Verhältnis zu anderen Regelungen

VII. Schlussbestimmungen

Anwendungsbereich

Persönlicher Anwendungsbereich

  • Die Vorschriften des StAbwG sind auf natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ungeachtet deren steuerlichen Ansässigkeit anzuwenden.

Zeitlicher Anwendungsbereich

  • Wird ein Steuerhoheitsgebiet in der StAbwV als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet genannt, finden die Abwehrmaßnahmen in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet ab dem Beginn des Folgejahres des Inkrafttretens der StAbwV Anwendung. Für die Maßnahmen der §§ 8 und 11 StAbwG gelten Ausnahmen, wodurch diese erst zu einem späteren Zeitpunkt Anwendung finden.
  • Wird ein zunächst in der StAbwV aufgeführtes nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet aus der StAbwV genommen, werden die Abwehrmaßnahmen in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet bereits ab dem 1. Januar dieses Kalenderjahres nicht mehr angewendet.
  • Die Abwehrmaßnahme des § 8 StAbwG (Versagung des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs) findet mit Bezug auf ein Steuerhoheitsgebiet erstmals ab dem Beginn des vierten Jahres nach Inkrafttreten derjenigen Fassung der StAbwV Anwendung, die das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet erstmalig aufführt. Für die Abwehrmaßnahme des § 11 StAbwG (Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen) gilt dies entsprechend ab dem Beginn des dritten Jahres nach Inkrafttreten der jeweiligen Fassung der StAbwV.

Betroffene Geschäftsvorgänge

  • Die Abwehrmaßnahmen knüpfen an die Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse an, die Steuerpflichtige in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhalten. Unbeachtlich ist dabei, ob die Geschäftsbeziehung zwischen nahestehenden Personen unterhalten wird oder ob ihr eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt. Es werden auch Geschäftsvorgänge einer oder über eine Personengesellschaft oder Betriebsstätte erfasst.
  • Das Entwurfsschreiben führt aus, dass bei den § 9 StAbwG (Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung) und § 11 StAbwG (Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen) auch mittelbare Beteiligungen zu den nach § 7 StAbwG betroffenen Beteiligungsverhältnissen gehören können.

Abwehrmaßnahmen

Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG)

  • Nach § 8 S. 1 StAbwG dürfen Aufwendungen aus betroffenen Geschäftsvorgängen (s.o.) die Einkünfte nicht mindern. Auch Aufwendungen für Absetzungen für Abnutzung stellen entsprechende Aufwendungen dar.
  • § 8 S. 1 StAbwG greift nicht, soweit die den Aufwendungen entsprechenden Erträge der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht nach den Vorschriften des EStG, KStG oder StAbwG unterliegen; oder auf Grund der aus den Aufwendungen resultierenden Einnahmen ein Hinzurechnungsbetrag im Sinne des § 10 Abs. 1 S.1 AStG anzusetzen ist. Dies betrifft sowohl die Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 und 13 AStG als auch der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG.

Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG)

  • Sind unbeschränkt steuerpflichtige Personen an einer ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG (gemäß § 7 AStG) beteiligt, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, ist diese Zwischengesellschaft für ihre gesamten (also aktive und passive) Einkünfte, die insgesamt einer niedrigen Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 5 AStG unterliegen („vollumfängliche Hinzurechnungsbesteuerung“). Die Erfüllung des Motivtests (§ 8 Abs. 2 bis 4 AStG) und die Wahrung der Freigrenze bei gemischten Einkünften (§ 9 AStG) sind für die Anwendung der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung unbeachtlich.

Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG)

  • Nach § 10 Abs. 1 S. 1 StAbwG liegen steuerpflichtige Einkünfte derjenigen natürlichen Personen sowie derjenigen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen vor, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, soweit sie bestimmte Einkünfte erzielen (z.B. aus Finanzierungsbeziehungen). § 10 StAbwG erweitert die Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht des § 49 EStG.
  • Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verwirklichung des Tatbestands des § 10 StAbwG ist der Tag des Zuflusses der Vergütung bei dem in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Vergütungsgläubiger. Kann der Zeitpunkt des Zuflusses der Vergütung beim Vergütungsgläubiger durch den inländischen Vergütungsschuldner nicht bestimmt werden, ist hilfsweise auf den Zeitpunkt des Abflusses der Vergütung beim Vergütungsschuldner abzustellen.
  • Der Vergütungsschuldner ist verpflichtet die Steuer beim Bundeszentralamt für Steuern anzumelden und an das BZSt abzuführen. Soweit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAbwG vorliegen, werden die betreffenden Einkünfte einem Steuerabzug in entsprechender Anwendung des Steuerabzugsverfahrens des § 50a EStG unterworfen. Der Steuersatz beträgt einheitlich 15 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag.
  • Soweit bereits Einkünfte nach § 49 EStG vorliegen, kommt § 10 StAbwG nicht zur Anwendung.
  • Im Entwurfsschreiben finden sich weitere Ausführungen einschließlich zahlreicher Beispiele zu den einzelnen Tatbeständen des § 10 Abs. 1 S. 1 StAbwG (Finanzierungsbeziehungen, Versicherungs- und Rückversicherungsprämien, Dienstleistungen, Handel mit Waren oder Dienstleistungen, Registerfälle).

Versagung der Steuerbefreiung für Dividenden und Veräußerungsgewinne (§ 11 StAbwG)

  • Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAbwG ist die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG für Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG ausgeschlossen, die von einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Körperschaft geleistet werden.
  • § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAbwG schließt Steuerbefreiungen für Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG aufgrund von DBA aus, wenn die Vorschriften des DBA mit § 8b Abs. 1 S. 1 KStG vergleichbar sind.
  • § 11 Abs. 1 S. 2 StAbwG schließt die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG und vergleichbare abkommensrechtliche Steuerbefreiungen für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger oder bei der Empfängerin zu Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG führen, aus.
  • Die Regelungen zur Abgeltungsteuer und zum Teileinkünfteverfahren sind gem. § 11 Abs. 2 StAbwG auf Einkünfte i.S.d. § 11 Abs. 1 StAbwG nicht anzuwenden.

Verhältnis der Abwehrmaßnahmen untereinander

  • Bezogen auf den jeweiligen Geschäftsvorgang findet nur eine Abwehrmaßnahme Anwendung.

Gesteigerte Mitwirkungspflichten

  • Nach § 12 Abs. 1 StAbwG hat die unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Person über die nach § 90 AO bestehenden Mitwirkungspflichten hinaus eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Diese zusätzlichen Pflichten umfassen insbesondere Aufzeichnungen über die Geschäftsbeziehung, die zugrunde liegenden Verträge, die ausgeübten Funktionen, die Geschäftsstrategien und die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse.
  • Nach § 12 Abs. 2 S. 2 StAbwG sind die Aufzeichnungen spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres oder Wirtschaftsjahres zu erstellen und an die örtlich zuständige Finanzbehörde sowie in den Fällen der Verpflichtung zum Country-by-Country Reporting auch an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Bei einem nicht nur geringfügigen Verletzen der gesteigerten Mitwirkungspflichten werden Zuschläge gemäß § 162 Abs. 4 AO erhoben.

Verhältnis zu anderen Regelungen

Das Entwurfsschreiben geht in diesem Kapital auf das Verhältnis einzelner Vorschriften des StAbwG zu bestimmten AStG-Vorschriften (§§ 2, 10 und 11 AStG), zu bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und zu anderen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverboten (z.B. § 4k EStG) – auch mit Zuhilfenahme zahlreicher Beispiele - ein.

Anmerkungen

Praxishinweise

  • Ein Online-Formular zur Übermittlung der Aufzeichnung nach § 12 StAbwG ist seit Ende September 2023 im Online Portal (BOP) abrufbar. Weiterhin wird seit dem 01.10.2023 ein Formular zur Anmeldung über den Steuerabzug nach § 10 StAbwG über das BZStOnline-Portal bereitgestellt.
  • Für das im Jahr 2023 neu auf die EU-Blacklist aufgenommenes Land Russland sind bestimmte Abwehrmaßnahmen (verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, Quellensteuermaßnahmen sowie gesteigerte Mitwirkungspflichten) bereits ab dem 01.01.2024 zu berücksichtigen.

Fundstelle

BMF, Entwurf von Grundsätzen zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes vom 30.11.2023

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