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27.01.2022
Internationales Steuerrecht

BFH: Veräußerung einer Beteiligung im Zuzugsfall

In den Fällen des Zuzugs eines Anteilsinhabers werden nach § 17 Abs. 2 S. 3 EStG unter bestimmten Voraussetzungen bei der Ermittlung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung von steuerverstrickten Anteilen nicht die ursprünglichen Anschaffungskosten berücksichtigt, sondern der Wert, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung einer mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer zugrunde gelegt hat. Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs hat dabei nicht i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 3 EStG im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen, wenn dort keine Steuer festgesetzt worden ist.

Sachverhalt

Der Kläger, ein niederländischer Staatsbürger, zog nach Deutschland und wurde gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Im Jahr 2016 veräußerte er seine im Privatvermögen gehaltene 100%-Beteiligung an einer niederländischen B.V. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns berücksichtigte der Kläger dabei den von der niederländischen Finanzverwaltung festgestellten Wert der Beteiligung bei Wegzug als Anschaffungskosten. Die niederländische Finanzverwaltung hatte es jedoch versäumt, auf den bei Wegzug festgestellten Wert der Beteiligung Steuern festzusetzen oder zu erheben.

Finanzamt und FG waren der Ansicht, dass als Anschaffungskosten lediglich das Stammkapital und nicht der von der niederländischen Finanzverwaltung festgestellte Wert der Beteiligung anzusetzen sei, da der Wert der Beteiligung in den Niederlanden bei Wegzug keiner Steuer unterlegen habe.

Entscheidung

Dem ist der BFH im Ergebnis gefolgt.

Gesetzliche Grundlagen

Bei Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft i.S.v. § 17 EStG bestimmt sich der Veräußerungsgewinn grundsätzlich aus dem Veräußerungserlös abzüglich der Anschaffungs- und Veräußerungskosten. Weist der Veräußerer für den Fall des Zuzugs nach, dass ihm die Anteile bereits im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zuzurechnen waren und dass der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen hat, tritt nach § 17 Abs. 2 S. 3 EStG an die Stelle der Anschaffungskosten der Wert, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer zugrunde gelegt hat (sog. Wertverknüpfung).

Keine Anwendung des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG

Nach Ansicht des BFH sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG für erhöhte Anschaffungskosten nicht gegeben. Zwar sei die niederländische Regelung zur Wegzugsbesteuerung mit der deutschen Regelung des § 6 AStG vergleichbar. Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs der Beteiligung habe in den Niederlanden allerdings nicht einer mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen.

Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Unterlegen“ in § 17 Abs. 2 S. 3 EStG

Der Wortlaut „unterlegen“ spricht aus Sicht des BFH – anders als vom FG und Finanzamt angenommen – im Ausgangspunkt gegen die Auslegung, dass die Steuer festgesetzt und tatsächlich bezahlt worden sein muss. Dieser Begriff sei nicht in dem Sinne eindeutig, dass der Gesetzestext es von vornherein ermögliche, auf die dem Kläger gegenüber festgesetzte und von ihm entrichtete Steuer abzustellen.

Da im Rahmen der Rechtsfolge des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG (Anknüpfung an den „Entstrickungswert“) maßgebend eine „Berechnung“ der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer vorausgesetzt werde, trete jedoch insoweit eine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „einer […] Steuer unterlegen hat“ in dem Sinne ein, dass zumindest ein Steuerbescheid des Wegzugsstaats mit Berechnung und Festsetzung der Steuer ergangen sein müsse.

Auslegungsergebnis steht im Einklang mit den Regelungen des DBA NL

Dieses Auslegungsergebnis steht laut BFH auch im Einklang mit Art. 13 Abs. 6 DBA NL 2012. Danach wird dem Wegzugsstaat – im Streitfall den Niederlanden – das Recht eingeräumt, den bis zum Wegzug entstandenen Wertzuwachs zu versteuern. Dieser habe die Möglichkeit, jedoch nicht die Verpflichtung, eine Besteuerung durchzuführen. Nur im Fall der Besteuerung durch den Wegzugsstaat ist Deutschland als Ansässigkeitsstaat daran gebunden und darf diesen Wertzuwachs gemäß Art. 13 Abs. 6 S. 2 DBA NL 2012 nicht erneut besteuern. Dies bedeutet nach Auffassung des BFH im Umkehrschluss jedoch, dass Deutschland als Zuzugsstaat den Vermögenszuwachs im Einklang mit Art. 13 Abs. 5 und 6 DBA NL 2012 vollumfänglich besteuern darf, wenn es in den Niederlanden – wie im Streitfall – nicht zu einer Besteuerung gekommen ist.

Betroffene Normen

​§ 17 Abs. 2 S. 3 EStG

Streitjahr 2016 

Anmerkungen

​Im Ergebnis gelangt der BFH in dem dargestellten Urteil vom 26.10.2021 zu der Auffassung, dass der bis zum Zuzug im Ausland entstandene Vermögenszuwachs einer Beteiligung bei einer späteren Veräußerung dieser Beteiligung dann nicht der inländischen Besteuerung unterfällt, wenn im Ausland eine Steuer berechnet und in einem Steuerbescheid festgesetzt worden ist. Ob die ausländische Steuer tatsächlich gezahlt wurde oder ob diese gestundet und nach einiger Zeit sogar ganz erlassen wurde, spielt für den BFH keine Rolle. 

OFD Frankfurt a.M., 08.09.2022, Rundvfg. vom 08.09.2022: Anschaffungskosten bei Zuzug aus dem Ausland im Fall der Veräußerung einer Beteiligung nach § 17 EStG

Im hier besprochenen BFH-Urteil vom 26.10.2021 hatte der BFH die Rechtsfrage zu klären, ob § 17 Abs. 2 S. 3 EStG nur dann anzuwenden sei, wenn der Steuerpflichtige eine nach § 6 AStG vergleichbare, festgesetzte Steuer tatsächlich an den Wegzugsstaat gezahlt hat oder ob es für die Anwendung des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG ausreicht, dass eine Besteuerung im Wegzugsstaat zwar normativ vorgesehen, aber nicht vollzogen wurde. Der BFH verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG, da der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG entstandene Vermögenszuwachs nicht einer Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen hat, wenn im Wegzugstaat keine Steuer festgesetzt worden ist. Der BFH führte weiter aus, dass die im Wortlaut des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG verwendeten Begriffe „einer (…) Steuer unterlegen hat“ isoliert nicht ausschließen, dass es auf die rechtlich lediglich vorgesehene, aber weder festgesetzte noch gezahlte ausländische Steuer ankomme. Die vorgenannten Begriffe werden durch den weiteren Tatbestand des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG konkretisiert. Demnach setzt die Verwendung des Wortes „Berechnung“ voraus, dass zumindest ein Steuerbescheid des Wegzugsstaates ergangen sein muss. Dafür spricht auch, dass der Veräußerer nachweisen muss, dass der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs einer entsprechenden Steuer unterlegen hat. Der BFH stellt in diesem Zusammenhang weder auf die bloße normative Möglichkeit der Wegzugsbesteuerung noch auf deren tatsächliche Zahlung, sondern auf die Festsetzung der Wegzugsbesteuerung ab, um die Voraussetzungen „einer (…) Steuer unterlegen hat“ und somit § 17 Abs. 2 S. 3 EStG zu bejahen. Dir OFD Frankfurt a.M. weist nun an, dass Rechtsbehelfsverfahren, die aufgrund des Revisionsverfahrens ruhen, wieder aufzugreifen und entsprechend zu entscheiden sind.

Vorinstanz

​Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2020, 7 K 2991/19 E, EFG 2020, S. 1307

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26.10.2021, IX R 13/20, BStBl. II 2022, S.172

Weitere Fundstelle

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, 08.09.2022, Rundvfg. vom 08.09.2022, S 1978 A-048-St 519

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