BFH: Organ einer Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter
Organe von juristischen Personen können ständige Vertreter nach § 13 AO sein und durch ihre Tätigkeit eine abkommensrechtliche Vertreterbetriebsstätte der Gesellschaft begründen (entgegen weiten Teilen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung).
Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer luxemburgischen Aktiengesellschaft war für die Wahrnehmung geschäftlicher Aktivitäten der Gesellschaft häufig in Deutschlang unterwegs, hauptsächlich um Waren deutscher Kunden zu kaufen und zu verkaufen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Gesellschaft aufgrund der Tätigkeit des Geschäftsführers als ständiger Vertreter i.S.d. §13 AO eine Vertreterbetriebstätte in Deutschland begründe, was zur beschränkten Steuerpflicht der Gesellschaft in Deutschland führe. Das FG ging jedoch davon aus, dass der Geschäftsführer als Organ einer Kapitalgesellschaft in dieser Eigenschaft nicht ständiger Vertreter der Gesellschaft sein könne.
Entscheidung
Der BFH kommt entgegen der Ansicht des FG zu dem Ergebnis, dass sich die Geschäftsführertätigkeit und die Tätigkeit als ständiger Vertreter nicht ausschließen.
Ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO
Gem. § 13 S. 1 AO ist ständiger Vertreter i.S.d. §§ 2 Nr. 1 KStG, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. § 13 S. 2 AO bestimmt hierzu ergänzend, dass ständiger Vertreter insbesondere eine Person ist, die für ein Unternehmen nachhaltig Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.
Problemaufriss
§ 13 S. 1 AO setzt ein Unternehmen und einen Vertreter voraus. Nach der Rechtsprechung des BFH kann der Inhaber eines Unternehmens nicht zugleich sein eigener (ständiger) Vertreter sein (BFH-Urteil vom 18.12.1990, X R 82/89). Erforderlich ist demnach die Personenverschiedenheit von Unternehmer und (ständigem) Vertreter. Umstritten ist, ob der Geschäftsführer als Organ der Kapitalgesellschaft diese Voraussetzung erfüllen kann. Denn nach deutschem Zivilrecht handelt das Unternehmen selbst, wenn seine Organe tätig werden.
Auffassung in weiten Teilen der FG-Rechtsprechung und im Schrifttum
Unter Zugrundelegung des zu einem Einzelunternehmen ergangenem BFH-Urteil vom 18.12.1990 argumentieren viele Finanzgerichte sowie Stimmen in der Literatur, dass es an der im § 13 S. 1 AO geforderten Personenverschiedenheit im Falle der Tätigkeit eines Organs einer juristischen Person fehlt. Gestützt wird diese Ansicht auf die zivilrechtliche Zurechnung des Handelns der Organe der juristischen Person wie Eigenhandeln.
Entscheidung des Streits durch den BFH
Der BFH ist nicht der Ansicht, dass aus dem BFH-Urteil vom 18.12.1990 das obige von großen Teilen der Finanzgerichte angenommene Ergebnis gezogen werden kann. Er ist vielmehr der Meinung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 S. 1 AO nach dem Wortlaut des Gesetzes auch von Personen erfüllt werden können, die in ihrer Eigenschaft als Organ einer juristischen Person tätig sind. Dafür spreche zum einen, dass die Organtheorie bereits im Zivilrecht die Anwendung der Vertretungsvorschriften nicht hindert. Zum anderen sei nach dem Wortlaut der AO Organhandeln regelmäßig als Vertreterhandeln anzusehen, wie z.B. die Regelungen in §§ 34 Abs. 1 und 79 Abs. 1 Nr. 3 AO zeigen. Darüber hinaus stellt der BFH fest, dass der Wortlaut des § 13 AO schon begrifflich die geschäftsführenden Tätigkeiten eines Organs erfasst, wie „Verträge abschließen“ oder „Aufträge einholen“. Die nachhaltige Tätigkeit des Organs für seine Gesellschaft schließe, so der BFH, die gleichzeitige Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschaft nicht aus.
Weder die Entstehungsgeschichte des § 13 AO sowie der damit in Zusammenhang stehenden Regelungen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht, noch die teleologische Auslegung oder der Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG liefern dem BFH einen Anhalt dafür, dass Organe von Kapitalgesellschaften keine ständigen Vertreter sein können.
Betroffene Norm
§ 13 AO, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, § 2 Nr. 1 KStG, Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c DBA Luxemburg 1958/1973
Streitjahre 2001-2007
Vorinstanz
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.06.2016, 1 K 1685/14, EFG 2016, S. 1324
Fundstelle
BFH, Urteil vom 23.10.2018, I R 54/16, lt. BMF-Schreiben vom 12.07.2019 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.12.1990, X R 82/89, BStBl II 1991, S. 395
DBA Luxemburg vom 23.08.1958, BGBl II 1959, S. 1270, BStBl I 1959, S. 1023 i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15.06.1973, BGBl II 1978, S. 111, BStBl I 1978, S. 73