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01.09.2016
Internationales Steuerrecht

BFH: Keine Verdrängung von § 50d Abs. 8 EStG durch ein zeitlich nachfolgendes DBA

Die durch Zustimmungsgesetz zum DBA-Aserbaidschan in nationales Recht überführte Regelung (hier: Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Aserbaidschan), die ein Nachweiserfordernis für eine Steuerfreistellung nicht vorsieht, hat keinen Vorrang gegenüber § 50d Abs. 8 EStG.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, hatte im Streitjahr 2008 ihren Wohnsitz in Deutschland. Sie war für eine Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Aserbaidschan tätig, erhielt für diese Tätigkeit Einnahmen für eine unselbstständige Tätigkeit und hielt sich in Aserbaidschan an mehr als 183 Tagen auf.

Das Finanzamt setzte unter Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG die von der OSZE erhaltenen Einnahmen als steuerpflichtige Einnahmen gem. § 19 EStG 2002 an. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage war erfolgreich: das Finanzgericht Hamburg behandelte die erzielten Einnahmen als steuerfrei, die lediglich dem Progressionsvorbehalt unterlagen.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der OSZE gezahlten Vergütungen nicht gem. § 50d Abs. 8 EStG in Deutschland steuerpflichtig seien.

Es sei unstreitig, dass die von der OSZE gezahlten Vergütungen nach abkommensrechtlichen Maßgaben (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a S. 1 DBA-Aserbaidschan) von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind. Zwar sei die Klägerin jedenfalls nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Aserbaidschan als eine nur in Deutschland ansässige Person (Mittelpunkt der Lebensinteressen durch das Verbleiben ihrer Familie in Deutschland) anzusehen. Allerdings seien die Vergütungen für eine unselbständige Arbeit im Rahmen einer Aufenthaltsdauer von über 183 Tagen in Aserbaidschan auch dort zu versteuern (Art. 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 DBA-Aserbaidschan).

Die abkommensrechtliche Steuerfreistellung werde jedoch unter Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG wieder aufgehoben. § 50d Abs. 8 EStG beziehe sich als sog. subject-to-tax-Klausel insbesondere auf solche Einkünfte, die in dem nach Abkommensrecht zur Besteuerung berechtigten Staat nicht deklariert wurden. Die Klägerin könne den für die Steuerfreistellung erforderlichen Nachweis im Sinne des § 50d Abs. 8 EStG nicht erbringen. Das Zustimmungsgesetz zum DBA-Aserbaidschan, das keine Nachweiserfordernis für eine Steuerfreistellung vorsieht, habe keinen Vorrang gegenüber § 50d Abs. 8 EStG.

Der Vorrang des § 50d Abs. 8 EStG gelte – entgegen dem FG – auch für solche DBA, die – wie vorliegend – nach dem Erlass des § 50d Abs. 8 EStG 2002 in Kraft getreten sind. Entgegen dem FG lasse sich daraus, dass nach dem Inkrafttreten der Regelung des § 50d Abs. 8 EStG 2002 einige DBA – wie im Streitfall – keinen Vorbehalt zur Anwendung der Freistellungsmethode enthalten, andere dagegen schon, keine Einschränkung des Wirkbereichs des § 50d Abs. 8 S. 1 EStG 2002 ableiten. Ansonsten würde man dem Gesetzgeber unterstellen, dass er durch das Zustimmungsgesetz im sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens die bereits vorhandene nationale Regelung mit einer einengenden Voraussetzung für die Steuerfreistellung (teilweise) außer Kraft setzen („national law override“) und deren Regelungszweck nur noch nach abweichenden Maßgaben aufrechterhalten wolle. Eine Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel zum Vorrang des späteren Gesetzes („Lex-posterior-Grundsatz“) könne daher vorliegend nicht zum Tragen kommen.

Eine entsprechende Deutung könne wohl auch den (insoweit nicht bindenden) Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluss vom 15.12.2015 zugrunde liegen. Der Gesetzgeber habe in § 50d Abs. 8 S. 1 EStG – so das BVerfG – seinen Willen zur Abkommensüberschreibung (Treaty Override) eindeutig zum Ausdruck gebracht („ungeachtet des Abkommens“), so dass weder mit Blick auf den Rang noch auf die Zeitfolge noch auf die Spezialität der Regelung Zweifel am Vorrang des § 50d Abs. 8 S. 1 EStG vor inhaltlich abweichenden völkerrechtlichen Vereinbarungen in Doppelbesteuerungsabkommen bestünden.

Betroffene Normen
§ 50d Abs. 8 EStG, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a S. 1 DBA-Aserbaidschan

Vorinstanz
Finanzgericht Hamburg 21.08.2013, 1 K 87/12, EFG 2013, 1932

Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.05.2016, I R 64/13 

Weitere Fundstelle
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, siehe Deloitte Tax-News 

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