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18.10.2018
Internationales Steuerrecht

BFH: Keine Hinzurechnungsbesteuerung bei wirklicher wirtschaftlicher Tätigkeit

Von der Hinzurechnungsbesteuerung ist unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache Cadbury Schweppes dann abzusehen, wenn auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte nachgewiesen wird, dass die der Hinzurechnung unterliegenden Einkünfte auf einer „wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ und damit auf einer von der Zwischengesellschaft selbst ausgeübten Tätigkeit beruhen.

Sachverhalt

Die Klägerin war über eine in den Niederlanden ansässige Tochtergesellschaft (B-B.V.) an der auf Zypern ansässigen C Ltd. zu 100 % mittelbar beteiligt. Hauptaufgabe der C Ltd. war das Einholen von Lizenzen an Urheberrechten sowie die Unterlizenzierung an andere Konzerngesellschaften. Hierfür hatte die C Ltd. auf Zypern Büroräume angemietet und beschäftigte zur Wahrnehmung administrativer Aufgaben als einzige Angestellte eine Geschäftsführerin. Die Klägerin war der Auffassung, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung im Hinblick auf das Urteil des EuGH in Sachen „Cadbury Schweppes“ nicht erfolgen dürfe. Dem widersprachen Finanzamt und FG mit der Begründung, dass es an der erforderlichen "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" der C Ltd. auf Zypern fehle.

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Schluss, dass von einer Hinzurechnungsbesteuerung abzusehen ist. Dies basiert im Wesentlichen auf einer vorrangig erfolgten Minderung der potenziell hinzurechnungspflichtigen Einkünfte nach den deutschen Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage. Für die hiernach verbleibenden Einkünfte aus Verwaltungstätigkeit sei von einer ausreichenden Substanz im Sinne einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen.

Keine Hinzurechnung der Lizenzeinnahmen: verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen in Dreiecksverhältnissen

Die an die C Ltd. geleisteten Lizenzzahlungen der anderen Konzerngesellschaften sind als vGA an die Klägerin als inländische Muttergesellschaft zu werten, die alsdann von der Klägerin im Wege der verdeckten Einlage über die B B.V. in das Vermögen der C Ltd. geleistet wurden. Der BFH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, wonach bei der Ermittlung der dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünfte durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einkünfteminderungen und verhinderte Einkünfteerhöhungen durch den Ansatz von vGA und verdeckten Einlagen zu korrigieren sind. Im Ergebnis kommt der BFH im Streitfall zu dem Schluss, dass der einlagebedingten mindernden Korrektur des Zurechnungsbetrags weder § 8 Abs. 3 S. 4 noch S. 5 KStG entgegen stehen. Denn nach Auffassung des BFH sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelungen nicht erfüllt. Es liege keine Nichtberücksichtigung i. S. von § 8 Abs. 3 S. 5 KStG vor, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung bei der Veranlagung des Gesellschafters zwar nicht erfasst worden ist, jedoch nach Maßgabe von § 8b Abs. 1 KStG ohnehin hätte außer Ansatz bleiben müssen. Aktuell: Dieser Ansicht tritt nun das BMF mit Schreiben vom 19.11.2020 entgegen, wonach die BFH-Auslegung des § 8 Abs. 3 S. 5 KStG über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht allgemein anzuwenden ist (siehe unter „Aktueller Hinweis“).

Keine Hinzurechnung der Einkünfte aus der administrativen Tätigkeit: Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“

Für eine Hinzurechnungsbesteuerung standen somit nur noch die die administrative Tätigkeit abgeltenden Einnahmen zur Diskussion. Auch diesbezüglich sah der BFH eine Zurechnung der Einkünfte der C Ltd. als nicht gegeben an, da diese den unionsrechtlichen Grundfreiheiten widerspräche. Der BFH stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des EuGH in der Sache Cadbury Schweppes (EuGH-Urteil vom 06.09.2006). 

Die Grundsätze des EuGH-Urteils Cadbury Schweppes zur Rechtfertigung der britischen Hinzurechnungsbesteuerung sind auch im Bereich der §§ 7 ff. AStG zu beachten (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 12.10.2016). Hiernach können nationale Maßnahmen, die die Niederlassungsfreiheit beschränken, nur gerechtfertigt sein, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen beziehen, die darauf ausgerichtet sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Hinzurechnungsbesteuerung als eine solche, die Niederlassungsfreiheit beschränkende nationale Maßnahme, ist jedenfalls dann abzusehen, wenn auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte nachgewiesen wird, dass die beherrschte Gesellschaft tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.

Gegenbeweis über tatsächliche wirtschaftliche Aktivitäten

Als Reaktion des Gesetzgebers auf die Cadbury Schweppes Entscheidung des EuGH wurde § 8 Abs. 2 AStG i. d. F. des JStG 2008 in das AStG eingefügt. Zwar ist die Vorschrift nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich für den Streitfall noch nicht anwendbar, dennoch ist dem Steuerpflichtigen der unionsrechtlich gebotene Gegenbeweis über seine tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten im Einzelfall zu eröffnen (vgl. BMF-Schreiben vom 08.01.2007). Dieser Gegenbeweis erfordert zum einen den Nachweis, dass die Gestaltung nicht überwiegend steuerlich motiviert war (subjektives Element). Zum anderen muss anhand von objektiven Anhaltspunkten feststellbar sein (objektives Element), dass die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft mit einer tatsächlichen Ansiedelung zusammenhängt, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen (vgl. EuGH-Urteil vom 06.09.2009).

Zu den objektiven Anhaltspunkten für eine tatsächliche Ansiedlung gehören eine stabile und kontinuierliche Teilnahme am Wirtschaftsleben des Ansässigkeitsstaats, die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung sowie das Vorhandensein von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen (vgl. EuGH-Urteil vom 06.09.2009). Der Umstand, dass die Tätigkeiten der beherrschten ausländischen Gesellschaft ebenso gut im Ansässigkeitsstaat des beherrschenden Gesellschafters hätten ausgeführt werden können, lässt demgegenüber nicht den Schluss auf eine rein künstliche Gestaltung zu.

Aktueller Hinweis zum BMF-Schreiben vom 19.11.2020

Gesetzliche Grundlage gemäß § 8 Abs. 3 S. 5 KStG

Eine verdeckte Einlage, die auf der vGA einer dem Gesellschafter nahestehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde (…), erhöht nach Maßgabe von § 8 Abs. 3 S. 5 KStG das Einkommen der empfangenden Körperschaft.

Auslegung der Vorschrift durch den BFH im Urteil 13.06.2018, I R 94/15

Der BFH ist der Auffassung, dass keine Nichtberücksichtigung i. S. von § 8 Abs. 3 S. 5 KStG vorliegt, wenn die vGA bei der Veranlagung des Gesellschafters zwar nicht erfasst worden ist, jedoch nach Maßgabe von § 8b Abs. 1 KStG ohnehin hätte außer Ansatz bleiben müssen.

BMF-Schreiben vom 19.11.2020

Die Finanzverwaltung wendet diese Auslegung des § 8 Abs. 3 S. 5 KStG durch den BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht allgemein an. Das BMF weist vielmehr an, dass eine vGA bei der Besteuerung eines Gesellschafters als nicht berücksichtigt anzusehen ist, wenn sie im Rahmen seiner Veranlagung bei der Einkommensermittlung tatsächlich nicht angesetzt worden ist. Bei dieser Prüfung habe unberücksichtigt zu bleiben, ob die vGA in einem folgenden Schritt unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 1 KStG freigestellt werden würde. Eine rein hypothetische Erfassung und Steuerfreistellung der vGA nach § 8b Abs. 1 KStG erfülle das Tatbestandsmerkmal der Nichtberücksichtigung i. S. von § 8 Abs. 3 S. 5 KStG.

Betroffene Normen

§§ 7 bis 14 AStG
Streitjahr 2007

Anmerkungen

Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG i. d. F. des JStG 2008

Für die Praxis dürfte das Verständnis und die Auslegung der vom EuGH in der Cadbury Schweppes Entscheidung aufgestellten Grundsätze durch den BFH in seinem hier dargestellten Urteil für die Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG, der im Urteilsfall noch nicht anwendbar war, zu berücksichtigen sein.

Prüfung der Substanzanforderungen im Zurechnungsbescheid

Der Gesetzeswortlaut von § 14 Abs. 1 S. 1 und § 8 Abs. 2 AStG n.F. regelt wohl nicht eindeutig (vgl. auch Scheipers/Linn, IStR 2011, 601, S. 605 f.), ob die Substanzanforderungen bei einer nachgelagerten Zwischengesellschaft im Rahmen des Zurechnungs- oder des Hinzurechnungsbescheids zu prüfen sind. Der BFH vertritt in seinem Urteil vom 13.06.2018 in einem obiter dictum die Auffassung, dass die Frage des Substanzerfordernisses insbesondere auch mit Blick auf die mögliche Beteiligung weiterer Personen an der nachgelagerten Zwischengesellschaft im Zurechnungsbescheid abschließend zu beurteilen sei (so im Ergebnis auch Linn/Pignot, IWB 2016, 466, 471).

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 20.11.2015, 10 K 1410/12 F, EFG 2016, S. 453, siehe Deloitte Tax-News

Fundstellen

BMF, Schreiben vom 19.11.2020, IV C 2 - S 2743/18/10002 :001

BFH, Urteil vom 13.06.2018, I R 94/15

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 06.09.2006, C-196/04 „Cadbury Schweppes“, BB 2006, S. 2118

BFH, Beschluss vom 12.10.2016, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 08.01.2007, IV B 4-S 1351-1/07, BStBl. I 2007, S. 99

Ihr Ansprechpartner

Dr. Alexander Linn
Partner

allinn@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8558

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