BFH: Britische Claw-back-Besteuerung
Der Gewinn aus der Veräußerung einer in Großbritannien belegenen Immobilie darf in Deutschland besteuert werden, wenn die Veräußerung nach britischem Steuerrecht nur dazu führt, dass zuvor gewährte Abschreibungen auf Teile der Immobilie rückgängig gemacht werden (Claw-back-Besteuerung).
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine KG, die als Limited Partner an der grundbesitzverwaltenden X-LP in Großbritannien beteiligt ist. Im Jahr 1998 hatte die X-LP eine in Großbritannien belegene Immobilie erworben, die sie Streitjahr 1999 veräußerte. Nach englischem Recht sind Abschreibungen geltend gemacht worden. Im Jahr der Veräußerung ist in Großbritannien ein Gewinn in Höhe der gewährten Abschreibungen im Rahmen der sog. Claw-back-Besteuerung besteuert worden. Ferner erzielte die X-LP Zinserträge aus der kurzfristigen Anlage von Liquiditätsüberschüssen aus Mieteinkünften sowie von Rücklagen für die Instandhaltung von Mietobjekten, die in Großbritannien nicht besteuert wurden. Das Finanzamt erfasste den bei der X-LP entstandenen Veräußerungsgewinn sowie die Zinserträge als gewerbliche Einkünfte der Klägerin. Die dagegen gerichtete Klage hatte zum Teil Erfolg
Entscheidung
Die streitigen Zinseinkünfte dürfen in Deutschland besteuert werden. Auch der Gewinn aus der Veräußerung einer in Großbritannien belegenen Immobilie darf in Deutschland besteuert werden, da die Veräußerung nach britischem Steuerrecht nur dazu führt, dass zuvor gewährte Abschreibungen auf Teile der Immobilie rückgängig gemacht werden ("Claw-back-Besteuerung").
Hinsichtlich der Zinseinkünfte hat Deutschland das ausschließliche Besteuerungsrecht (Art. 7 Abs. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970). Dieses Besteuerungsrecht wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das DBA-Großbritannien 1964/1970 den Anteil eines Mitunternehmers an den gewerblichen Gewinnen eines Unternehmens zwar grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Mitunternehmers, den Anteil am Gewinn aus einer im anderen Vertragsstaat gelegenen Betriebsstätte aber dem Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zuweist. Denn die hier in Rede stehenden Zinsen zählen nicht zu den "gewerblichen Gewinnen" i.S. des Art. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970. Die Einkünfte der Klägerin beruhen nach den bindenden Feststellungen des FG auf der langfristigen Verwaltung von Grundstücken und der vorübergehenden Anlage liquider Mittel durch die X-LP. Diese Tätigkeiten sind ihrer Art nach nicht gewerblicher Natur (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997), sondern dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen. Die daraus von der Klägerin erzielten Einkünfte gelten zwar aus der Sicht des deutschen Rechts in vollem Umfang als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997). Der Senat hat aber zum Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit den USA - DBA-USA 1989 a.F. - entschieden, dass diese fiktive Umqualifizierung von Einkünften einer "gewerblich geprägten Personengesellschaft" nicht auf das Abkommensrecht durchschlägt (BFH-Urteil vom 28.04.2010). Diese Beurteilung ist auch für das DBA-Großbritannien 1964/1970 einschlägig. Dasselbe gilt im Ergebnis für Art. 12 DBA-Großbritannien 1964/1970, der die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen betrifft. Er ordnet zwar insoweit ein Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates an. Zinserträge aus der Anlage von Mieteinnahmen und ähnlichen vorübergehend freien Mitteln sind aber keine Einkünfte aus der "Nutzung unbeweglichen Vermögens"; auch insoweit gelten die zum Abkommen mit den USA entwickelten Grundsätze gleichermaßen.
Hinsichtlich des Anteils der Klägerin an dem von der X-LP erzielten Veräußerungsgewinn hat das Finanzamt zu Recht einen steuerpflichtigen Gewinn festgestellt. Aus der Sicht des internen deutschen Steuerrechts ist dieser Gewinn den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Das folgt schon daraus, dass die X-LP eine gewerblich geprägte Personengesellschaft war. Da der Gewinn in Großbritannien besteuert werden darf, ist er im Grundsatz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, soweit er auf eine in Deutschland ansässige Person entfällt. Diese Rechtsfolge tritt aber nur dann ein, wenn er im Vereinigten Königreich steuerpflichtig ist (Art. 18 Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien 1964/1970). Daran fehlt es im Streitfall.
Das britische Steuerrecht ordnet eine (vollständige oder teilweise) Aufholung von Abschreibungen im Fall der Veräußerung an und sieht darüber hinaus unter den Gegebenheiten des Streitfalls keine Besteuerung eines Veräußerungsgewinns vor. Die so beschriebene "Aufholung" früherer Abschreibungen bedeutet nicht, dass im Vereinigten Königreich ein "Veräußerungsgewinn steuerpflichtig" ist. Das FG hat festgestellt, dass die X-LP zunächst Abschreibungen auf die später veräußerte Immobilie vorgenommen hat, die aufgrund der britischen Claw-back-Besteuerung im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks nachbesteuert worden sind. Eine weitere Besteuerung des Veräußerungsgewinns ist in Großbritannien nicht erfolgt. Mit der "Claw-back-Besteuerung" wird also nicht ein Gewinn aus der Veräußerung erfasst, sondern nur die in der Vergangenheit vorgenommene Besteuerung der laufenden Gewinne des Veräußerers korrigiert. Die Veräußerung wird lediglich zum Auslöser für die Rückforderung eines in der Vergangenheit gewährten Steuervorteils. Den durch die Veräußerung realisierten Wertzuwachs erfasst sie nicht und soll sie nicht erfassen. Der anteilige Veräußerungsgewinn des Klägers unterliegt der deutschen Besteuerung.
Betroffene Normen
Art. 7 Abs. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970, Art. 12 DBA-Großbritannien 1964/1970, Art. 18 DBA-Großbritannien 1964/1970
Streitjahr 1999
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2009, 17 K 1070/07 F, EFG 2009, S. 1395, siehe ausführlicher in den Deloitte Tax-News
Fundstellen
BFH, Urteil vom 09.12.2010, I R 49/09, BStBl II 2011, S. 482
Bestätigung durch:
BFH, Urteil vom 15.11.2017, I R 55/15, BStBl II 2018 Seite 287
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 28.04.2010, I R 81/09, BFHE 229, S. 252, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News