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18.08.2022
Internationales Steuerrecht

BFH: Betriebsstätte bei Einschaltung einer Managementgesellschaft

Die Übertragung von Aufgaben durch eine ausländische Gesellschaft auf eine inländische Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft begründet nur dann eine inländische Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO, wenn der Auftraggeber eigene wirtschaftliche Tätigkeiten (z.B. Überwachung des Auftragnehmers) für eine gewisse Dauer in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers ausführt und sich der (fremden) Räumlichkeit in der Art bedient, dass eine gewisse Verfügungsmacht unterstellt werden kann. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben reicht dagegen nicht aus. Ebenso genügt es nicht, wenn die Überwachungstätigkeiten (allein) aus dem Ausland heraus wahrgenommen werden. 

Sachverhalt

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH mit Ort der Geschäftsleitung in Luxemburg, war die Verwaltung eigenen inländischen Grundvermögens. Alleiniger Geschäftsführer war der mehrheitlich beteiligte Gesellschafter M mit Wohnsitz in Luxemburg. Im Jahr 2009 erteilte die Klägerin der inländischen R-GmbH im Rahmen einer schriftlichen Hausverwaltungsvollmacht alle Rechte und Pflichten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung der Immobilie standen, z.B. die Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber Mietern und Pächtern der Immobilie. Darüber hinaus konnte die R-GmbH einzelne Verwaltungsaufgaben an geeignete Dritte übertragen, Untervollmachten erteilen und die Klägerin gegenüber Behörden vertreten.

Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass durch den Abschluss der Hausverwaltungsvollmacht eine der Gewerbesteuer unterliegende inländische Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO mit der Folge entstanden war, dass die Vermietungseinkünfte der Klägerin gewerbesteuerpflichtig waren.

Entscheidung

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass das FG auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zu Unrecht entschieden hat, dass die Klägerin eine inländische Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO unterhalten hat.

Gesetzliche Grundlage

Gemäß § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient.

Ständige Rechtsprechung

Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 S. 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 05.11.2014, IV R 30/11):

  • Für eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2005, III R 76/03) noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit aus (vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07).
  • Weiter muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen (BFH-Urteil vom 04.07.2012, II R 38/10). Für die Annahme eines unmittelbaren "Dienens" der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt daher nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden (z.B. Vermietung/Verpachtung), begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden (BFH-Urteil vom 10.02.1988, VIII R 159/84); dies gilt selbst dann, wenn der Zweck des Geschäfts gerade in der Vermietung oder Verpachtung besteht.
  • Erforderlich ist vielmehr, dass in dem vermieteten Objekt eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird (BFH-Urteil vom 26.07.2017, III R 4/16) und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07 sowie BFH-Beschluss vom 18.02.2021, III R 8/19).
  • Eine Betriebsstätte kann aber auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer beschäftigt oder Subunternehmer dort tätig werden (vgl. BFH-Urteil vom 26.07.2017, III R 4/16 und Beschluss vom 18.02.2021, III R 8/19).

Beauftragung einer Managementgesellschaft

In Rechtsprechung und Literatur wird zwar angenommen, dass in besonderen Konstellationen durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft eine Betriebsstätte für das beauftragende Unternehmen auch dann entstehen kann, wenn das beauftragende Unternehmen selbst über keine Räumlichkeit verfügt und auch nicht über die Räumlichkeiten der beauftragten Managementgesellschaft verfügen kann (vgl. BFH-Urteile vom 24.08.2011, I R 46/10, vom 23.02.2011, I R 52/10, vom 13.10.2010, I R 61/09 und vom 03.02.1993, I R 80-81/91 sowie BFH-Beschluss vom 08.06.2015, I B 3/14). Allein die – auch umfassende – Übertragung der Aufgaben auf einen selbständig Dritten reicht aber nicht aus, um eine Betriebsstätte in den Räumen des Dritten zu begründen, so der BFH. Ansonsten könne eine Betriebsstätte bei jedem Subunternehmer begründet werden. Vielmehr entstehe eine solche nur dann, wenn der Hauptunternehmer an dem betreffenden Ort eigene betriebliche Handlungen mit einer gewissen Nachhaltigkeit vornimmt. Diese könnten zwar beispielsweise in einer Überwachung des Subunternehmers bestehen, bestriebsstättenbegründend seien dahingehende Maßnahmen des Hauptunternehmers aber wiederum nur dann, wenn sie eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen (vgl. BFH-Urteil vom 13.06.2006, I R 84/05).

Bei der Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft ist es nach dem BFH ausschlaggebend, dass der Auftraggeber mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen „Apparats“ in der Lage ist, seiner unternehmerischen Tätigkeit „operativ“ nachzugehen, und dass er infolgedessen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hat (BFH-Urteile vom 24.08.2011, I R 46/10, vom 29.11.2017, I R 58/15). Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann nach dem BFH beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird (vgl. BFH-Beschluss vom 08.06.2015, I B 3/14). Die Personenidentität der Leitungsorgane ersetzt gleichsam die genannte erforderliche nachhaltige Überwachung (vgl. BFH-Urteile vom 23.02.2011, I R 52/10 und vom 18.09.2019, III R 3/19).

Keine Identität der Leitungsorgane

Fehlt es hingegen an der Identität der Leitungsorgane, die die erforderliche nachhaltige Überwachung oder die tatsächliche Verfügungsmacht über die Räume des Dritten ersetzt, können die Räumlichkeiten des Dritten nur dann zur Betriebsstätte des Auftraggebers werden, wenn er in diesen Räumen eigene betriebliche Handlungen vornimmt. Diese können zwar auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber die Tätigkeit des Auftragnehmers oder der Managementgesellschaft im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend und nachhaltig überwacht. Entscheidend ist nach Auffassung des BFH in einem solchen Fall jedoch, dass die fortlaufende Überwachung an dem betreffenden Ort, also in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers, erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 13.06.2006, I R 84/05, der auf die Überwachungstätigkeit am Ort der verpachteten Tankstellen abstellt). Denn nur bei einer gewissen räumlichen und zeitlichen "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in der inländischen Betriebsstätte des Dritten kann von dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen unmittelbaren Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke gesprochen werden. Bei fehlender Identität der Leitungsorgane und fehlender ortsbezogener Überwachung kann somit allein die Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft nicht zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers führen.

Zurückweisung an das FG

Dem BFH reicht die Feststellung des FG, die R-GmbH sei eine mit der Klägerin wirtschaftlich verflochtene Managementgesellschaft, die durch schriftliche und telefonische Kommunikation überwacht worden sei, nicht aus, um zu der Annahme zu gelangen, dass eine inländische Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO in den Räumen der R-GmbH begründet wurde. Der BFH verweist die Sache daher zwecks weiterer Feststellungen und zur erneuten Entscheidung an das FG zurück. Sollte sich im zweiten Rechtsgang eine inländische Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO in dem Vermietungsobjekt nicht feststellen lassen, hat das FG ferner die Gelegenheit zu prüfen, ob die Klägerin eine inländische oder eine ausschließlich am Wohnsitz des geschäftsführenden Gesellschafters befindliche Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Sinne des § 12 S. 2 Nr. 1 AO hatte. Die bisherigen Feststellungen des FG genügen dem BFH nicht, um zu beurteilen, ob die tatsächliche Geschäftsleitung auf die Hausverwaltungsgesellschaft übertragen und vom dortigen Geschäftsführer ausgeübt worden ist oder (ausschließlich) beim geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin (möglicherweise am Wohnsitz in Luxemburg) lag. 

Betroffene Normen

​§ 12 S. 1 AO

Streitjahr ​2013​

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.11.2019, 9 K 11108/17, EFG 2020, S. 669

Fundstelle

​BFH, Urteil vom 23.03.2022, III R 35/20, BStBl. II 2022, S. 844

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 05.11.2014, IV R 30/11, BStBl. II 2015, S. 601, siehe Deloitte Tax-News​

BFH, Urteil vom 30.06.2005, III R 76/03, BStBl. II 2006, S. 84.

BFH, Urteil vom 04.06.2008, I R 30/07, BStBl. II 2008, S. 922.

BFH, Urteil vom 04.07.2012, II R 38/10, BStBl. II 2012, S. 782.

BFH, Urteil vom 10.02.1988, VIII R 159/84, BStBl. II 1988, S. 653.

BFH, Urteil vom 26.07.2017, III R 4/16, BFH/NV 2018, S. 233.

BFH, Beschluss vom 18.02.2021, III R 8/19, BStBl. II 2021, S. 627.

BFH, Urteil vom 23.02.2011, I R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1354.

BFH, Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09, BStBl. II 2011, S. 249.

BFH, Urteil vom 03.02.1993, I R 80-81/91, BStBl. II 1993, S. 462.

BFH, Beschluss vom 08.06.2015, I B 3/14, BFH/NV 2015, S. 1553,

BFH, Urteil vom 13.06.2006, I R 84/05, BStBl. II 2007, S. 94.

BFH, Urteil vom 24.08.2011, I R 46/10, BStBl. II 2014, S. 764.

BFH, Urteil vom 29.11.2017, I R 58/15, BFHE 260, S. 209, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 18.09.2019, III R 3/19, BFH/NV 2020, S. 708. 

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