BFH: Besteuerung von Stock Options bei Ansässigkeitswechsel
Die geldwerten Vorteile, die einem Arbeitnehmer aus der Gewährung von Stock Options im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zugewendet werden, fließen auch schon nach bisheriger BFH-Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Ausübung der Option zu. Der BFH hatte nun über die Folgen eines Ansässigkeitswechsels vor Optionsausübung zu entscheiden. Hinsichtlich der Frage, welchem Staat das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der Ausübung von Stock Options zusteht, stellt der BFH im DBA-Fall auf die Ansässigkeit zum Zeitpunkt der Einkünfteerzielung (Zuflusszeitpunkt) ab. Er erteilt der Ansicht des FG Baden-Württemberg, das auf den Erdienenszeitraum abstellte, damit eine Absage.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer (M) war von Juni 2001 bis Mitte April 2005 für die in den USA ansässige Tochtergesellschaft (Y) der X-AG tätig. Während dieses Zeitraums hatte M seinen Wohnsitz von Deutschland in die USA verlegt. M unternahm Dienstreisen außerhalb der USA und hielt sich während eines Drittels seiner außerhalb der USA vorgenommenen Dienstreisen in Deutschland auf (Gesamtaufenthalt < 60 Tage pro Kalenderjahr). Die Tochtergesellschaft trug das Gehalt des M. Ab Mai 2005 kehrte M wieder nach Deutschland zurück und war dort tätig.
Im April 2003 gewährte die Tochtergesellschaft dem M nicht handelbare Stock Options, die ab April 2005 zu 50% und ab April 2006 zu 100% ausgeübt werden konnten. In 2011 übte M einen Teil dieser Optionen aus. Der daraus resultierenden Einkünfte, die anteilig auf die Arbeitstage in den USA entfielen, wurde in den USA der Besteuerung unterworfen.
Das Finanzamt behandelte die nicht in den USA besteuerten Einkünfte als in Deutschland steuerpflichtig. Das FG war dagegen der Auffassung, dass die Einkünfte von der inländischen Besteuerung freizustellen und lediglich dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen seien, da für die Frage der Ansässigkeit nicht das Jahr des Zuflusses, sondern die Ansässigkeit in dem Zeitraum zwischen der Gewährung der Optionen und erstmaliger Ausübbarkeit (Erdienenszeitraum) maßgeblich sei.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des BFH richtet sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine etwaige abkommensrechtliche Freistellung der Einkünfte aus der Ausübung von Stock Options nach der Tätigkeit im Erdienenszeitraum. Soweit Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 an eine „in einem Vertragsstaat ansässige Person“ anknüpft, ist dagegen allein die Ansässigkeit i. S. d. Art. 4 DBA-USA 1989/2008 zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einkünfte maßgeblich.
Gesetzliche Grundlage
Nach Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 2008 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbstständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Staat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, können die dafür bezogenen Vergütungen nach § 15 Abs. 1 S. 2 DBA-USA 1989/2008 im anderen Staat besteuert werden. Bezieht eine in Deutschland ansässige Person Einkünfte nach Art. 15 DBA-USA 1989/2008, die in den USA besteuert werden können, sind sie nach Art. 23 Abs. 3 S. 1 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 i.V.m. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG unter Progessionsvorbehalt von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen.
Deutschland als Anässigkeitsstaat
Nationales Recht: Wie schon das FG kommt auch der BFH zu dem Ergebnis, dass die Einkünfte des M aus den Stock Options nach nationalem Recht steuerpflichtig sind, da M seinen Wohnsitz (wieder) in Deutschland hatte, demnach in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist und sämtliche Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer unterliegen. Zu diesen Einkünften gehört auch der geldwerte Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG durch den verbilligten Erwerb der Aktien.
DBA-Recht: Für unzutreffend hält der BFH hingegen die Auffassung des FG, dass es für die Prüfung der abkommensrechtlichen Besteuerungsbefugnisse nach Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 auf die Ansässigkeit des M in den USA während seiner Tätigkeit für die Tochtergesellschaft ankomme, sodass sämtliche Einkünfte des M aus den Stock Options – und nicht nur die auf Tätigkeiten in den USA entfallenden Einkünfte – von der inländischen Besteuerung freizustellen seien. Vielmehr sei Deutschland Ansässigkeitsstaat i.S.d. Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008.
Zeitraumbezogene Vorteile aus Aktienoptionen
Schon nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung sollen Aktienoptionen für Arbeitnehmer grundsätzlich nicht Leistungen in der Vergangenheit abgelten, sondern als „Anreiz-Lohn“ dazu dienen, eine besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu schaffen. Dementsprechend würden die geldwerten Vorteile aus der Ausübung solcher Aktienoptionen – ungeachtet der Besteuerung zum Zeitpunkt der Optionsausübung – zeitraumbezogen gewährt. Sie seien anteilig dem Erdienenszeitraum zuzuordnen und nach Maßgabe des einschlägigen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ggf. von der deutschen Steuer freizustellen (vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2001, I R 100/98 und I R 119/98). An dieser Auffassung hält der BFH weiterhin fest.
Bestimmung der Ansässigkeit
In der Folge komme es für die Anwendung des Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 zunächst auf den Ort der Arbeitsausübung während des Erdienenszeitraum an, so der BFH. Dieser befinde sich nach der ständigen Rechtsprechung dort, wo sich der Arbeitnehmer zur Ausübung seiner Tätigkeit physisch aufgehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 16.01.2019, I R 66/17).
Für das Kriterium der Ansässigkeit im Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 ist nach dem BFH aber nicht auf den Erdienenszeitraum abzustellen. Für Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008, der an eine „in einem Vertragsstaat ansässige Person“ anknüpft, sei stattdessen allein die Ansässigkeit i.S. des Art. 4 DBA-USA 1989/2008 zum Zeitpunkt des Zuflusses maßgeblich.
Bestimmung der Ansässigkeit bei Ansässigkeitswechsel vor der Optionsausübung
Welche Rechtsfolgen ein Ansässigkeitswechsel vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Ausübung der Option (als Zuflusszeitpunkt) hat, ist bisher höchstrichterlich noch nicht abschließend entschieden und umstritten. Das FG ist in einer früheren Entscheidung davon ausgegangen, dass es auf die Ansässigkeit während des Erdienenszeitraums ankommt (vgl. FG-Urteil vom 24.11.2014, 6 K 4033/13, Revision als unzulässig verworfen). Nach der Gegenauffassung ist stets derjenige Staat als Ansässigkeitsstaat i.S. der Verteilungsnorm des Art. 15 OECD-Musterabkommen anzusehen, in dem der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Einkünfteerzielung ansässig und damit abkommensberechtigt ist.
Ansässigkeit zum Zeitpunkt der Optionsausübung maßgeblich
Nach Auffassung des BFH kommt es für die Anwendung des Art. 15 DBA-USA 1989/2008 auf die Ansässigkeit zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ausübung der Option (Zufluss) an. Dies folge bereits daraus, dass sich gerade zu diesem Zeitpunkt die Frage stellt, ob die nationale Besteuerung abkommensrechtlich eingeschränkt wird. Darüber hinaus setze Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 voraus, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person bezogen werden. Dadurch werde die Frage der Ansässigkeit mit dem Bezug der Einkünfte verknüpft. Beide Tatbestandsmerkmale müssen für die Anwendung des Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 gleichzeitig erfüllt sein. Zu welchem Zeitpunkt die Einkünfte bezogen werden, sei dagegen nicht im Abkommen geregelt. Insofern komme es nach dem BFH auf das nationale Recht an, d.h. im Streitfall auf den Zeitpunkt des Zuflusses des geldwerten Vorteils bei Ausübung der Option.
Ergebnis
Ausgehend von einer Ansässigkeit in Deutschland, werde das inländische Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus den Stock Options nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 3 S. 1 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 nur insoweit eingeschränkt, als die Tätigkeit im Erdienenszeitraum in den USA ausgeübt worden ist. Für die Beschäftigungstage, an denen M auf Dienstreise im Deutschland oder in Drittstaaten war, stehe das Besteuerungsrecht dagegen Deutschland zu.
Zurückweisung an das FG
Der BFH verweist die Sache daher zwecks der Feststellung, auf welchen Erdienenszeitraum sich die Stock Options beziehen, an das FG zurück. Nach dem BFH sei es unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips gerechtfertigt, als Erdienenszeitraum den Zeitraum zwischen der Gewährung der Stock Options und ihrer erstmaligen Ausübbarkeit anzusehen. Soweit aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH abgeleitet werden könne, dass der Erdienenszeitraum in der Regel bis zum Zeitpunkt der Optionsausübung auszudehnen sei, halte der BFH daran nicht fest. Eine abschließende Bemessung der Dauer des Erdienenszeitraums sei nur anhand der konkreten Vereinbarungen bei Gewährung der Stock Options sowie den sonstigen Umständen des Einzelfalls möglich. Ist der Erdienenszeitraum bestimmt, sei von dem FG weiter festzustellen, zu welchen Anteilen M in diesem Zeitraum in den USA, in Deutschland oder in Drittstaaten tätig war. Etwaige DBA sind zu beachten.
Betroffene Normen
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008
Streitjahr 2011
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2019, 6 K 488/17, DStRE 2021, S. 65
Fundstelle
BFH, Urteil vom 21.12.2022, I R 11/20, BStBl II 2023, S. 825
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 24.01.2001, I R 100/98, BStBl. II 2001, S. 509
BFH, Urteil vom 24.01.2001, I R 119/98, BStBl. II 2001, S. 512
BFH, Urteil vom 16.01.2019, I R 66/17, BFH/NV 2019, S. 1067
FG-Urteil vom 24.11.2014, 6 K 4033/13, EFG 2015, S. 410