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21.05.2019
Indirekte Steuern/Zoll

JStG2019: Die Quick Fixes im Umsatzsteuerrecht liegen im Entwurf vor – rechtzeitiges Handeln erforderlich

 Deloitte Podcast Tax on Air: Quick Fixes – Neuerungen im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2019

 Webcasts zu den "Quick Fixes" in den Webcasts Deloitte "Indirect Tax Insight": zu den Aufzeichnungen

Der Entwurf zum Jahressteuergesetz 2019 enthält auch die nationale Umsetzung der „quick fixes“ der EU. Die Vereinfachungsregeln haben auch eine Schattenseite.

Hintergrund

Nachdem es seit der Ära des Herrn Ministers Schäuble offiziell keine Jahressteuergesetze mehr gibt, wurde nun am 08.05.2019 der Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften veröffentlicht. Neben sehr umfangreichen Änderungen in anderen Steuerarten (siehe Deloitte Tax News) sind auch umfassende Neuerungen des Umsatzsteuerrechts zu erwarten. Im nachfolgenden Beitrag wird die Umsetzung der „quick fixes“ besprochen. Aufgrund des Umfangs sind die weiteren Änderungen des Umsatzsteuerrechts aus dem Entwurf zum JStG 2019 Gegenstand eines gesonderten Beitrags.

Es handelt sich zwar (erst) um den Referentenentwurf des BMF; da dieses Gesetz jedoch auch der Umsetzung der „quick fixes“ der EU dienen soll, welche bis zum 01.01.2020 in nationales Recht transformiert werden müssen, sind in einigen Punkten im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses wenig Änderungen zu erwarten. Die Gesetzesänderungen bedeuten teilweise umfangreiche Anpassungen der umsatzsteuerlichen Prozesse. Somit ist zügiges Handeln angeraten.

Umsetzung der „quick fixes“ in nationales Recht

Durch die sogenannten „quick fixes“, welche vom Rat der europäischen Finanzminister am 02.10.2018 verabschiedet wurden (siehe Deloitte Tax News vom 28.11.2019), sollen kurzfristige Verbesserungen des europäischen Mehrwertsteuerrechts erreicht werden. Die Änderungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sind von den Mitgliedstaaten zum 01.01.2020 umzusetzen.

Reihengeschäfte und Zuordnung der warenbewegten Lieferung

Das nationale Recht enthielt schon lange Regelungen für umsatzsteuerliche Reihengeschäfte – nicht jedoch das Unionsrecht. Künftig wird im nationalen Umsatzsteuerrecht nun ein ganzer Absatz den Reihengeschäften gewidmet. Die bisherigen Sätze 5 und 6 des § 3 Abs. 6 UStG werden durch den neuen § 3 Abs. 6a abgelöst und sowohl das Reihengeschäft selbst definiert, als auch die in der Praxis oft schwer zu beantwortende Frage der Zuordnung der Warenbewegung unionsweit vereinheitlicht.

Künftig gilt bei einer Beförderung oder Versendung durch den ersten Unternehmer in der Kette stets seine Lieferung als warenbewegte Lieferung. Bei einer Beförderung/Versendung durch den letzten Unternehmer in der Kette gilt die Lieferung an ihn als warenbewegte Lieferung. Wenn ein Zwischenhändler (ein Unternehmer, der zugleich Lieferer und Abnehmer ist) befördert oder versendet, gilt grundsätzlich die Lieferung an ihn als warenbewegte Lieferung, es sei denn, er weist nach, dass der Zwischenhändler als Lieferer auftritt. Dies ist exakt das bisherige Wahlrecht des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG.

Während die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung unterschiedlicher Auffassung waren, wie dieses Wahlrecht ausgeübt wird, soll der Nachweis künftig durch die verwendete USt-IdNr. erfolgen. Wenn zu Beginn der Beförderung/Versendung der Zwischenhändler die USt-IdNr. des Abgangsstaates verwendet, ist das Wahlrecht ausgeübt und der Lieferung des Zwischenhändlers die Warenbewegung zuzurechnen. Zu beachten ist, dass das „Verwenden der USt-IdNr.“ ein aktives Tun des Zwischenhändlers voraussetzt. Die in einem Formular eingedruckte USt-IdNr. soll hierfür nicht ausreichen. Diese Praxis ist jedoch bereits von den sonstigen Leistungen bekannt (Abschnitt 3a.2 Abs.10 Satz 5 UStAE).

Auch bei Reihengeschäften aus dem Drittland ist das Wahlrecht zutreffend ausgeübt, wenn der Zwischenhändler (oder sein indirekter Stellvertreter) die Waren für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr anmeldet.

Zwischenfazit: Die durch Rechtsprechung und Verwaltung aufgeheizte und äußerst problembehaftete Frage, wie die Warenbewegung zugerechnet werden kann, wird nun entschärft. Es wird ausschließlich auf die Verwendung der USt-IdNr. abgestimmt. Die „umfassende Prüfung des Einzelfalls“ hinsichtlich der Verfügungsmacht entfällt nun und macht eine rechtssichere Behandlung von grenzüberschreitenden Reihengeschäften erheblich einfacher.

USt-IdNr. und Zusammenfassende Meldung als materielle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung

In zahlreichen Urteilen des EuGH (vgl. etwa die Rs. C-587/10 vom 27.09.2012 „VSTR“, Rs. 628/16 vom 21.02.2018 „Kreutzmayr“, Rs. C-24/15 vom 24.10.2016 „Plöckl“) wurde immer wieder betont, dass sowohl die USt-IdNr. als auch die Zusammenfassende Meldung („ZM“) lediglich formelle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung darstellen. Dies ist künftig nicht mehr der Fall. § 4 Nr. 1b UStG regelt nunmehr, dass die Steuerbefreiung nicht gegeben ist, wenn die ZM unrichtig oder unvollständig ist. Darüber hinaus bestimmt nun § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG, dass der Abnehmer zwingend eine gültige USt-IdNr. zu verwenden hat, damit eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 4 Nr. 1b UStG vorliegt.

Zwischenfazit: Diese Änderungen beenden die Defensivstrategien im Falle von Diskussionen mit der Finanzverwaltung. Solange die materiellen Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachgewiesen werden konnten, waren bisher die formellen Kriterien wie USt-IdNr. und ZM nicht mehr entscheidend. Ab spätestens 01.01.2020 sind jedoch sowohl die ZM als auch die USt-IdNr. materielle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Die Steuerpflichtigen sind daher gezwungen, durch entsprechende Prozesse im Unternehmen zu gewährleisten, dass eine gültige USt-IdNr. vorliegt, als auch eine korrekte ZM abgeben wird. Das heißt, eine unrichtige ZM kann künftig eine (nachträgliche) Steuerpflicht nach sich ziehen.

Konsignationslagerregelung

Während die deutsche Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung des BFH reagiert hat und unter gewissen Voraussetzungen die umsatzsteuerliche Behandlung von Konsignationslagern als direkte innergemeinschaftliche Lieferung würdigt (siehe Deloitte Tax News), wird es künftig in einem neuen § 6b UStG eine eigenständige Konsignationslagerregelung geben. Die Umsetzung dieses quick fix schafft nun unionsweit eine einheitliche Regelung für solche Läger, da bisher einige Mitgliedstaaten diverse Vereinfachungsregelungen vorsahen, die eine umsatzsteuerliche Erfassung im Zielland nicht nötig machten und in der EU stark unterschiedliche Regelungen vorlagen.

Wenn alle Voraussetzungen des § 6b UStG erfüllt sind, gilt im Zeitpunkt der Entnahme aus dem Lager (= Lieferung an den Erwerber) eine innergemeinschaftliche Lieferung an den Erwerber als bewirkt. Dieser Erwerber hat zu diesem Zeitpunkt den entsprechenden innergemeinschaftlichen Erwerb zu besteuern. Das heißt, das bisherige innergemeinschaftliche Verbringen mit anschließender lokalen Lieferung entfällt bei Anwendung der Vereinfachungsregel künftig.

Die Konsignationslagerregelung des neuen § 6b UStG setzt voraus, dass Ware zum Zwecke einer (späteren) Lieferung an einen Erwerber verbracht wird. Dieser Erwerber muss bereits bei Beginn der Beförderung oder Versendung feststehen. Darüber hinaus muss der Unternehmer im Zeitpunkt des Endes des Verbringens noch die (wirtschaftliche) Verfügungsmacht an der Ware innehaben. Ebenso muss die an den Erwerber veräußerte Ware identisch mit der verbrachten Ware sein, darf also nicht be- oder verarbeitet worden sein. Die Waren müssen binnen 12 Monaten nach dem Ende der Beförderung oder Versendung entnommen werden, oder vom Bestimmungsmitgliedstaat in den Ausgangsmitgliedstaat zurück gelangen.

Der leistende Unternehmer darf im Bestimmungsmitgliedstaat nicht ansässig sein und muss zu Beginn des Warentransports die USt-IdNr. des Erwerbers erhalten haben.

Wenn dann noch die neuen Aufzeichnungspflichten für diese Regelung (welche in § 22 Abs. 4f und Abs. 4g UStG aufgenommen wurden) erfüllt werden, steht der Anwendung der Vereinfachungsregel für den Lieferer und den Erwerber nichts mehr im Wege. Weitere Nachweise für die Steuerbefreiung (z.B. eine Gelangensbestätigung) müssen explizit nicht vorhanden sein.

Der liefernde Unternehmer hat folgende Informationen gesondert aufzuzeichnen:

  1. Vollständiger Name und vollständige Anschrift des Erwerbers,
  2. Abgangsmitgliedstaat,
  3. Bestimmungsmitgliedstaat,
  4. Tag des Beginns des Warentransports im Abgangsmitgliedstaat,
  5. Verwendete USt-IdNr. des Erwerbers bei Beginn der Beförderung/Versendung,
  6. Vollständiger Name und vollständige Anschrift des verwendeten Lagers,
  7. Tag des Endes des Warentransports (= Lieferung im Sinne des § 6b Abs. 2 UStG),
  8. USt-IdNr. des Lagerhalters (sofern eine dritte Partei),
  9. Bemessungsgrundlage und handelsübliche Bezeichnung und Menge der eingelagerten Gegenstände (Einkaufspreis bzw. Selbstkosten im Sinne des § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG),
  10. Tag der Entnahme aus dem Warenlager (= Lieferung an den Erwerber),
  11. Entgelt für diese Lieferung an den Erwerber,
  12. USt-IdNr. des Erwerbers im Zeitpunkt der Lagerentnahme,
  13. Entgelt sowie handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände, sollte die Vereinfachungsregel nicht anwendbar sein,
  14. Die Bemessungsgrundlage, für innerhalb von 12 Monaten in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung der Rücksendung.

Der erwerbende Unternehmer muss folgende Informationen aufzeichnen:

  1. USt-IdNr. des liefernden Unternehmers,
  2. Handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Erwerber bestimmten Gegenstände,
  3. Tag des Endes der Beförderung oder Versendung,
  4. Entgelt für die Lieferung sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände,
  5. Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs (=Tag der Entnahme),
  6. Handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Erwerbers entnommenen Gegenstände,
  7. Handelsübliche Bezeichnung von zerstörten oder fehlenden Gegenständen und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder Diebstahls, bzw. der Tag an welchem die Zerstörung oder das Fehlen festgestellt wurde.

Künftig muss der liefernde Unternehmer im Zeitpunkt der Einlieferung die USt-IdNr. des Erwerbers in der ZM melden.

Vorab ist festzuhalten, dass diese Vereinfachungsregel die vom BMF aufgestellten Grundsätze zu den Rechtsfolgen einer verbindlichen Bestellung nicht obsolet machen. Entweder erfolgt die Lieferung über ein Konsignationslager im Sinne des § 6b UStG, oder es liegt eine direkte innergemeinschaftliche Lieferung vor. Im ersten Fall ist der Zeitpunkt der Lieferung (im Regelfall) der Zeitpunkt der Entnahme aus dem Lager, im zweiten Fall der Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung.

Ein Erwerberwechsel ist grundsätzlich möglich. Um jedoch weiterhin in den Genuss der Vereinfachungsregel zu gelangen, muss dieser entsprechend aufgezeichnet werden. Nicht möglich ist jedoch, dass der neue Erwerber in einem anderen Mitgliedstaat als dem Bestimmungsmitgliedstaat ansässig ist. Das heißt, ein weiterer Grenzübertritt führt dazu, dass die Vereinfachungsregel nicht (mehr) anwendbar ist.

Problematisch wird es jedoch, sobald entweder die 12-Monatsfrist überschritten wurde, der Erwerberwechsel nicht entsprechend aufgezeichnet wurde, der liefernde Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ansässig wird, oder die Waren innerhalb der 12 Monate zerstört oder gestohlen werden oder anderweitig verloren gehen. In diesen Fällen liegt ein innergemeinschaftliches Verbringen aus dem Ausgangsmitgliedstaat in den Bestimmungsmitgliedstaat vor, welches zu einer entsprechenden umsatzsteuerlichen Erfassung führt. Als Zeitpunkt des innergemeinschaftlichen Verbringens gilt dann stets der Zeitpunkt, in welchem das Ereignis eingetreten ist oder bemerkt wurde.

Vor dem Hintergrund, dass die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung (welche dann nach § 3 Abs. 1a UStG gegeben ist) künftig voraussetzt, dass eine gültige USt-IdNr. vorliegt, wäre nach strenger Lesart das nun gegebene innergemeinschaftliche Verbringen nicht steuerfrei, da im Rahmen der Vereinfachungsregel ja gerade keine umsatzsteuerliche Erfassung und somit keine USt-IdNr. aus dem Bestimmungsmitgliedstaat vorliegt. Die (künftig) materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung wäre somit nicht gegeben.

Zwischenfazit: Die neue Konsignationslagerregelung ist zu begrüßen, da teilweise Pflichten zur umsatzsteuerlichen Erfassung im Lagerland vermieden werden können. Ebenso entfällt der „Flickenteppich“ an unterschiedlich ausgestalteten Vereinfachungsregelungen der einzelnen Mitgliedstaaten. Die oben dargestellten Aufzeichnungspflichten sind jedoch sehr umfangreich und erfordern Anpassungen der Prozesse; sie stellen zudem hohe Ansprüche an die im ERP-System hinterlegten Daten. Insbesondere die Überwachung der 12-Monatsgrenze sowie die Tatsache, dass nur in den Ausgangsmitgliedstaat zurückgesendet werden darf, wird in der Praxis schwierig abzubilden sein.

Betroffene Norm

§§ 4, 6a, 6b, 18, 18a UStG

Fundstelle

Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, Referentenentwurf vom 08.05.2019

Ihr Ansprechpartner

Lukas Hechl
Senior Manager

lhechl@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 6224

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Lukas Hechl
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lhechl@deloitte.de
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