FG Düsseldorf: Haftung einer (Ur-)Enkelgesellschaft bei umsatzsteuerlicher Organschaft
Innerhalb der umsatzsteuerlichen Organschaft haftet die (Ur-) Enkelgesellschaft, für die von der Organträgerin geschuldete Umsatzsteuer.
Sachverhalt
Streitig war, ob die Urenkelgesellschaft, für die von der Organträgerin geschuldete Umsatzsteuer haftet. Die A-GmbH iL. wurde als Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH durch Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer der Organträgerin der C-AG iL. in Anspruch genommen. Die Umsatzsteuer wurde durch Leistungsbeziehungen der B-GmbH verursacht. Zwischen den Parteien lag eine umsatzsteuerliche Organschaft mit C-AG iL. als Organträgerin, der E-GmbH als Tochtergesellschaft, der A-GmbH iL. als Engelgesellschaft sowie der B-GmbH als Urenkelgesellschaft vor.
Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass auch die Enkel- bzw. Urenkelgesellschaft innerhalb der umsatzsteuerlichen Organschaft für die von der Organträgerin geschuldete Umsatzsteuer, begrenzt auf die durch die Organgesellschaft veranlasste Steuer, hafte. Als Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH hafte daher die A-GmbH iL. für die durch die B-GmbH verursachte Umsatzsteuer.
Entscheidung
Das FG bejaht die Haftung der Enkelgesellschaft auch für die von der Mutter als Organträgerin geschuldete Umsatzsteuer und weicht damit von der Rechtsprechung zur körperschaftsteuerlichen Organschaft ab. Im Hinblick auf die körperschaftsteuerliche Organschaft entschied der BFH, dass aus § 73 Satz 1 AO eine Haftung nur der jeweiligen Tochter-, nicht aber der Enkelgesellschaft der Organträgerin folgt, da nur im Verhältnis Mutter-Tochter die körperschaftsteuerliche Organschaft von Bedeutung ist (vgl. BFH v. 31.5.2017, I R 54/15).
Ausdrücklich gilt das jedoch nicht für die umsatzsteuerliche Organschaft, da sie sich in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen erheblich von der körperschaftsteuerlichen Organschaft unterscheidet. Während die körperschaftsteuerliche Organschaft immer nur zwischen zwei Körperschaftsteuersubjekten (Mutter und Tochter bzw. Tochter und Enkel usw.) besteht, gelten bei der umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaften als Teile eines einheitlichen Unternehmens. Sämtliche Gesellschaften verlieren im umsatzsteuerlichen Organkreis für Zwecke der Umsatzsteuer ihre Selbständigkeit und stehen fiskalisch betrachtet auf derselben Ebene.
Die umsatzsteuerliche Organschaft ist damit für alle an der Organschaft beteiligten Gesellschaften und Umsätze von unmittelbarer Bedeutung. Folglich erstreckt sich die Haftung auf alle Organgesellschaften. Die steuerlichen Risiken, die mit der Verlagerung der steuerlichen Rechtszuständigkeit auf den Organträger verbunden ist, können nur so ausgeglichen werden. Im Hinblick auf den Umfang der Haftung verweist das FG auf den Wortlaut von § 73 Satz 1 AO, wonach bereits auf Tatbestandsebene eine Einschränkung des Haftungsumfangs auf die Steuerschulden erfolgt, „soweit“ die Organschaft zwischen Organgesellschaft und Organträger von steuerlicher Bedeutung ist.
Die Revision ist zugelassen worden.
Anmerkung
Die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der körperschaftsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Organschaft führen im Ergebnis auch zu voneinander abweichender Beurteilung der Haftung in Art und Umfang. Für die umsatzsteuerliche Organschaft stellt das FG unter anderem auf den Wortlaut von § 73 Satz 1 AO ab und betont, dass dieser zwanglos die Auslegung zulässt, dass eine organschaftliche Verbundenheit (…) auch über ein Tochter-Enkelverhältnis die vom Gesetz vorausgesetzte steuerliche Bedeutung hat. Im vorliegenden Fall führt das für die Enkelgesellschaft, als Rechtsnachfolgerin der Urenkelgesellschaft, zu der praktischen Herausforderung den Haftungsbetrag der durch die Urenkelgesellschaft verursachten Zahllast zu ermitteln.
Das Urteil erstreckt sich jedoch nicht nur auf die Fallgruppen der Insolvenz von Organgesellschaften, sondern wirkt sich zum Beispiel auch auf die verschiedenen Fallgruppen von Unternehmens(ver)käufen aus. Aus dem Urteil geht nicht eindeutig hervor, ob es sich auch auf die Haftung für die Umsatzsteuer, die auf die Tätigkeiten von Schwestergesellschaften entfällt, erstreckt. Beim Erwerb von Organgesellschaften sollte daher auf die Aufnahme von entsprechenden Steuerklauseln in den Kaufvertrag geachtet werden. Das gilt auch für den umgekehrten Fall, dass der Organträger selbst verkauft.
Betroffene Normen
§ 73, § 191 AO
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG
Fundstelle
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil v. 22.02.2018, 9 K 280/15 H(U), das Verfahren VII R 19/18 ist erledigt durch Zurücknahme der Revision
Weitere Fundstelle
BFH, Urteil v. 31.05.2017, I R 54/15