Zurück zur Übersicht
22.10.2021
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Vorsteuerabzugsberechtigung für Investitionen, die durch nicht steuerbare Zuschüsse finanziert werden

Für die Prüfung des Vorsteuerabzugsrechts aus Leistungsbezügen ist es unerheblich, wie diese finanziert werden – sei es durch Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten oder durch aus dem Staatshaushalt erhaltene Zuschüsse.

Hintergrund

 Die umsatzsteuerliche Behandlung von Zuwendungen an einen Unternehmer ist in der Praxis oftmals streitig, da die Frage, ob der Zuschuss unabhängig von einer Leistung des Empfängers gezahlt wird (echter Zuschuss) oder Entgelt für eine steuerbare Leistung des Unternehmers an den Zuschussgeber darstellt (unechter Zuschuss) oder es sich um Entgelt von dritter Seite handelt, regelmäßig der Einzelfallbetrachtung unterliegt. Grundsätzlich liegen echte, nicht steuerbare Zuschüsse vor, wenn diese unabhängig von einer bestimmten Leistung gewährt werden. Die Zahlungen werden daher gerade nicht auf Grundlage eines Leistungsaustausches erbracht. Steuerbare und damit unechte Zuschüsse liegen hingegen vor, wenn zwischen der Leistung des Empfängers und der Zuschussgewährung ein unmittelbarer wirtschaftliche Zusammenhang besteht.

Ein zusätzliches steuerbares Entgelt von dritter Seite stellen solche Zuschüsse dar, die von einem anderen als dem Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung gewährt werden, wenn ein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Leistung des Unternehmers und dem Zuschuss des Dritten feststellbar ist. Auch nach der unionsrechtlichen Anpassung des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG, nach dem auch die mit Umsätzen zusammenhängenden Subventionen in die BMG mit einzubeziehen sind, gibt es Schwierigkeiten im Rahmen der Abgrenzung.

Sachverhalt

Der bulgarische Sachverhalt betrifft einen Sonderfall der Finanzierung des dortigen Fernsehangebots. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob die staatlich bezuschusste Erbringung audiovisueller Mediendienste eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters Dienstleistungen gegen Entgelt darstellen, wenn die Zuschauer keine Gebühren für die Ausrichtung entrichten. Des Weiteren war der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug fraglich, dh. ob der öffentli​ch-rechtliche nationale Fernsehanbieter zum vollen oder teilweisen Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, die für zum Vorsteuerabzug berechtigende und für die Zwecke seiner Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der MwSt fallen, verwendet werden.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH urteilte, dass die Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters, die in der Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer besteht und vom Staat durch einen Zuschuss finanziert wird, wobei die Zuschauer für ihre Ausstrahlung keine Gebühren entrichten, keine Dienstleistung gegen Entgelt darstellt. Der öffentlich-rechtliche nationale Fernsehanbieter darf die Vorsteuer abziehen, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendet werden; nicht abziehen darf er die Vorsteuer, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Tätigkeiten verwendet werden.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen steuerbaren und nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Umsätzen festzulegen; dabei haben sie den Zweck und die Systematik dieser Richtlinie zu berücksichtigen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Anmerkung

Aus Sicht der deutschen Besteuerungspraxis ist die EuGH Entscheidung zu begrüßen. Denn der EuGH bestätigt seine frühere Rechtsprechung (ua. EuGH Urt. v. 22.10.2015, C-126/14, Sveda) und damit auch die deutschen Rechtsgrundsätze. Allein aus Klarstellungsgründen ist das Urteil daher auch aus nationaler Sicht wesentlich.

Zunächst führt der EuGH aus, dass im vorliegenden Fall keine Dienstleistung gegen Entgelt vorliegt, da zwischen dem öffentlich-rechtlichen Anbieter und den Fernsehzuschauern kein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Auch besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen audiovisuellen Mediendiensten und dem Zuschuss. Die Zahlung des Zuschusses kommt allen Fernsehzuschauern zugute und wird unabhängig von der Nutzung, der Identität der Zuschauer oder in Abhängigkeit ihrer konkreten Anzahl gewährt. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalt stellt somit keine Dienstleistung gegen Entgelt dar. Es handelt sich um eine nicht steuerbare Leistung. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man die deutschen Rechtsgrundsätze zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Zuschüssen auf den Fall anwendet.

Im Hinblick auf den Vorsteuerabzug führt der EuGH aus, dass nur ein anteiliges Vorsteuerabzugsrecht besteht und die Mitgliedstaaten in der Pflicht sind, eine richtlinienkonforme Aufteilung der Vorsteuerbeträge festzulegen. An dieser Stelle führt der EuGH nochmal grundlegend aus, dass der Vorsteuerabzug dadurch gerechtfertigt wird, dass die auf der vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zum Zwecke steuerbarer Umsätze verwendet werden. Die Art der Finanzierung solcher Käufe, sei es durch Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten oder durch aus dem Staatshaushalt erhaltene Zuschüsse, ist für die Feststellung, ob ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, ohne Belang. Nichts anderes gilt für die Vorsteuerabzugsberechtigung für Investitionen, die durch nicht steuerbare Zuschüsse finanziert werden.

Allein die Klarstellung, dass die Art der Finanzierung keine Auswirkung auf die Beantwortung der Frage hat, ob ein Vorsteuerabzugsrecht besteht, wird in der Praxis vermutlich für Erleichterungen sorgen. Denn insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen wurde die Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Zweifel gezogen, wenn eine Finanzierung durch nicht steuerbare Zuschüsse vorlag. Des Weiteren führt der EuGH aus, dass kein Zusammenhang mit steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden Ausgangsleistungen bestehen darf. Werden wie im vorliegenden Fall die bezogenen Leistungen sowohl für wirtschaftliche als auch für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten verwendet, kann der Vorsteuerabzug nur anteilig, entsprechend den Regelungen und Aufteilungsschlüsseln der Mitgliedstaaten, vorgenommen werden.

Betroffene Normen

​§ 15 UStG; § 15 Abs. 4 analog; § 10 Abs. 1 S. 2 UStG; Art. 2 Abs. 1 Buchst. C MwStSystRL; Art. 168 MwStSystRL

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 16.09.2021, C-21/20

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.