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23.09.2021
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH-Vorlage: Rückwirkende Rechnungsberichtigung bei missglückten Dreiecksgeschäften

Wie können missglückte Dreiecksgeschäfte geheilt werden? Ist eine Rechnung, die
keinen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den letzten Abnehmer
enthält, rückwirkend berichtigungsfähig? In der Sache Luxury
Trust Automobil GmbH hat der EuGH Gelegenheit, die unionsrechtlichen Rechnungsanforderungen für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte zu präzisieren.

Sachverhalt

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Luxury Trust Automobil GmbH (nachfolgend: GmbH) mit Sitz in Österreich, kaufte von einem Lieferanten mit Sitz im Vereinigten Königreich Fahrzeuge und veräußerte diese an ein tschechisches Unternehmen. Die Fahrzeuge gelangten vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU direkt aus dem Vereinigten Königreich nach Tschechien. Der Transport wurde von der GmbH veranlasst. Die drei beteiligten Unternehmer traten jeweils unter der USt-IdNr. ihres Sitzstaates auf. Die Rechnungen der GmbH enthielten nur den Hinweis „steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ und wurden ohne Umsatzsteuer ausgestellt. In der Zusammenfasssenden Meldung gab die GmbH die USt-IdNr. des tschechischen Empfängers an und meldete das Vorliegen von Dreiecksgeschäften. Das tschechische Unternehmen war zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen in Tschechien zur Umsatzsteuer veranlagt, wurde allerdings von der Finanzverwaltung als „missing trader“ geführt und führte in Tschechien keine Umsatzsteuer ab.

Da die Rechnungen keinen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld enthielten, ging die österreichische Finanzverwaltung von einem missglückten Dreiecksgeschäft aus. Aufgrund der Verwendung der österreichischen USt-ID Nr. erfolgte die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Die GmbH berichtigte die Rechnungen und erhob Beschwerde. Der BFG wies die Beschwerde u. a. mit der Begründung ab, dass die österreichische Vereinfachungsregelung als Wahlrecht ausgestaltet ist. Entsprechen die Rechnungen des Erwerbers nicht den gesetzlichen Erfordernissen an die Vereinfachungsregelung, ist diese nicht anwendbar. Das BFG ließ die Revision an den VwGH zu, da die Frage, ob eine formell ordnungsgemäße Rechnung mit dem Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld an den letzten Abnehmer zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Vereinfachungsregelung ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Vorlagefragen

Der VwGH legte daraufhin dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor.

 

  1. 1. Geht die Steuerschuld auch dann auf den Empfänger über, wenn sich in der Rechnung kein Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft befindet?
  2. 2. Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
    a. Kann die Rechnung durch Aufnahme eines Hinweises auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft nachträglich wirksam berichtigt werden?
    b. Ist es für eine wirksame Berichtigung erforderlich, dass die berichtigte Rechnung dem Empfänger zugeht?
    c. Tritt die Wirkung der Berichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsstellung ein?
  3. 3. Ist Art. 219a MwStSystRL dahin auszulegen, dass die Vorschriften über die Rechnungsstellung jenes Mitgliedstaats anzuwenden sind, dessen Vorschriften anzuwenden wären, wenn (noch) keine Bestimmung eines Erwerbers zum Steuerschuldner in der Rechnung erfolgt ist oder sind die Vorschriften jenes Mitgliedstaats anzuwenden, dessen Vorschriften bei angenommener Wirksamkeit der Bestimmung des Erwerbers zum Steuerschuldner anzuwenden wären?

Anmerkung

Das österreichische Verfahren ist auch aus deutscher Sicht von einigem Interesse, da die aufgeworfenen Rechtsfragen auch aus deutscher Sicht noch unbeantwortet sind.

Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft ist in § 25b UStG geregelt und unterliegt den dort aufgeführten, kumulativen Voraussetzungen. Sinn und Zweck der Vereinfachungsregelung ist, bei Vorliegen aller Voraussetzungen, Zwischenhändlern die Registrierung im Bestimmungsland zu ersparen. Bei Versäumnissen droht die Erwerbsbesteuerung im Inland ohne Vorsteuerabzug. Eine der Voraussetzungen für die Anwendung der deutschen Vereinfachungsregelung ist, dass der erste Abnehmer dem letzten Abnehmer eine Rechnung im Sinne von § 14a Abs. 7 UStG erteilt, die auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuld des letzten Abnehmers hinweist. Zu beachten ist, dass § 14a UStG allerdings nur dann gilt, wenn die Beförderung oder Versendung im Inland endet. Der ausdrücklich in die Rechnung aufzunehmende Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und den Übergang der Steuerschuldnerschaft dient dazu, dass den Beteiligten, insbesondere dem Empfänger, klar ist, dass die Steuerschuld auf ihn übergeht. Liegt keine ordnungsgemäße Rechnung vor, geht die Steuerschuld nicht über. Wegen der Folge des Übergangs der Steuerschuldnerschaft und der damit einhergehenden Warnfunktion der Rechnung, kommt dieser erhebliche Bedeutung zu (vgl. Abschn. 25b.1. Abs. 1 und 3 UStAE).

Die Frage, ob eine Rechnung, die keinen Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft enthält, bei verunglückten Dreiecksgeschäften rückwirkend berichtigungsfähig ist, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Während das FG Köln eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für Dreiecksgeschäfte mit der Begründung ausgeschlossen hat, dass die Rechnung im Rahmen von Dreiecksgeschäften „eine andere Qualität als beim Vorsteuerabzug“ hat (FG Köln, Urt. v. 26.05.2020, 8 K 250/17, rkr.), haben sowohl das FG Rheinland-Pfalz (FG Neustadt, Urt. v. 28.11.2019, 6 K 1767/17) als auch das FG Münster (Urt. v. 22.04.2020, 15 K 1219/17 U) eine rückwirkende Rechnungsberechtigung für Dreiecksgeschäfte anerkannt. Das FG Rheinland-Pfalz führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Rechnungsberichtigung im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurückwirkt.

Der BFH wird sich mit den beiden zuletzt genannten Entscheidungen im Rahmen der anhängigen Revisionsverfahren (XI R 38/19 und XI R 14/20), erstmalig mit der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften auseinandersetzen.

Nicht auszuschließen ist, dass der BFH diese Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Luxury Trust Automobil GmbH aussetzen wird. Betroffenen Unternehmen ist im Hinblick auf die drohende Zinsbelastung zu empfehlen, die Steuerfestsetzung anzufechten, da die anhängigen Revisionsverfahren einen Anspruch auf Ruhen von Einspruchsverfahren bewirken. ​​

Betroffene Normen

Art. 42 Buchst. a, 197 Abs. 1 Buchst. c, 219a MwStSystRL

Fundstelle

​Vorabentscheidungsersuchen des VwGH (Österreich) vom 20.04.2021, Luxury Trust Automobil GmbH, C-247/21

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

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