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14.10.2021
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Umsatzsteuerpflicht von Abmahnungen ab dem 01.11.2021

Aufwendungsersatz, der aufgrund einer Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung oder wegen eines Wettbewerbsverstoßes erfolgt, unterliegt ab dem 01.11.2021 der Umsatzsteuer. Die Finanzverwaltung übernimmt die aktuelle Rechtsprechung des BFH in den Anwendungserlass mit gravierenden Folgen für Unternehmen und die von ihnen mit Abmahnungen beauftragten Kanzleien.

Hintergrund

Bislang stellte die Geltendmachung von urheberrechtlichen Ansprüchen gegenüber dem Schädiger keine steuerbare und steuerpflichtige Leistung dar. Abmahnende verlangten und erhielten den Aufwendungsersatz bislang als Nettobetrag vom Abgemahnten. Diese jahrzehnterlange Praxis wurde bislang von den Finanzbehörden mitgetragen. Dann entschied der BFH mit Urteil v. 13.02.2019, XI R 1/17, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen des steuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren sind. In seinen Entscheidungsgründen folgte der BFH dem - bis dahin etwas in Vergessenheit geratenen - Urteil zur umsatzsteuerlichen Behandlung von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen aus dem Jahr 2016 (Urt. v. 21.12.2016, XI R 27/14). Danach stellen Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, umsatzsteuerliches Entgelt im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschs dar.

Im Ergebnis vertritt der BFH sowohl für die wettbewerbsrechtliche als auch für die urheberrechtliche Abmahnung die Ansicht, dass der Abmahnende gegenüber dem Abgemahnten eine steuerbare Leistung erbringt, die darin besteht, dass der Abmahnende dem Abgemahnten einen Weg weist, den Abmahnenden als Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Durch die auf die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gerichtete Abmahnung wird dem Rechtsverletzer aufgrund der Warn-, Streitbeilegungs- und Kostenvermeidungswirkung der Abmahnung der Vorteil zugewendet, einen Prozess zu vermeiden. Dieser konkrete Vorteil des Abgemahnten ist mit dem Zahlungsanspruch des Abmahnenden unmittelbar verbunden.

Die Finanzverwaltung hat sich mit Schreiben vom 01.10.2021 der Ansicht der Rechtsprechung angeschlossen und nimmt darüber hinaus Stellung zur Frage des Leistungsgegenstands (berechtigte/unberechtigte Abmahnung), zum Leistungszeitpunkt, zur Bemessungsgrundlage sowie zum Steuersatz.

BMF-Schreiben zur Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen

 
1. Abmahnung als Leistungsgegenstand; Leistungsinhalt

Das BMF definiert zunächst die Abmahnung, um in Anschluss daran mit der Rechtsprechung festzustellen, dass die Leistung des Abmahnenden darin besteht, dass der Abgemahnte mit der Abmahnung nicht nur die Gelegenheit erhält, möglichst kostengünstig Zahlungsansprüche des Abmahnenden zu befriedigen. Ferner wird dem Abgemahnten (möglicherweise erstmals) der Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht und es werden ihm die notwendigen Informationen gegeben, um durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung den (nicht auf Geld gerichteten) Unterlassungsanspruch zu erfüllen.

2. Leistungszeitpunkt; Zeitpunkt der Berichtigung

An den Abgemahnten wird der wirtschaftliche Vorteil aus der Abmahnung in dem Zeitpunkt geleistet, in dem ihm die Abmahnung zugeht. Aus Vereinfachungsgründen beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für die Abmahnleistung in dem Voranmeldezeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde. Bei substantiiertem Bestreiten der Verletzung durch den Abgemahnten, hat der Abmahnende den Steuerbetrag in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Abmahnung bestritten wird, zu berichtigen.

3. Bemessungsgrundlage

Die Bemessungsgrundlage ist der Aufwendungsersatz. Im Bereich des Urheberrechts bestimmt sich der Aufwendungsersatzanspruch nach dem Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs. Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören alle hierfür erhaltenen Zahlungen, d. h. auch der Ersatz von Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechtsverletzers (z. B. Gerichtskosten des richterlichen Gestattungsverfahrens sowie Kosten für die Auskunftserteilung durch den Internetprovider). In der Abmahnung sind die geltend gemachten Zahlungsansprüche in Schadensersatz und Aufwendungsersatz aufzuschlüsseln. Sollte entgegen § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG keine Aufschlüsselung erfolgen, ist der Pauschalbetrag insgesamt als Aufwendungsersatz und damit als Entgelt zu behandeln.

4. Steuersatz

Die Abmahnleistung unterliegt dem Regelsteuersatz von derzeit 19%.

5. Unberechtigter Steuerausweis

Erfolgt die Zusendung einer Abmahnung an einen potenziellen Rechtsverletzer nicht aufgrund

eines berechtigten Anspruchs (unberechtigte Abmahnung) und erteilt der Abmahnende hierüber eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, liegt ein unberechtigter Steuerausweis vor. Der Abmahnende schuldet bis zur Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 2 S. 1 UStG

6. Nichtbeanstandungsregelung

Das Schreiben der Finanzverwaltung ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es allerdings nicht, wenn Zahlungen aufgrund einer Abmahnung vor dem 01.11.2021 von den Beteiligten übereinstimmend als nicht steuerbar behandelt werden.

Anmerkung

Die Finanzverwaltung versucht im Schreiben alle Aspekte und Fragen aufzugreifen, die nach dem Erlass der genannten Urteile des BFH beim Rechtsanwender entstanden sind. Dass das im Detail unmöglich ist, zeigt das vorliegende Schreiben. So bezieht sich das Schreiben ausdrücklich nur auf die urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Abmahnung. Für die markenrechtliche Abmahnung gilt jedoch nichts anderes (siehe auch BGH Urt. v. 21.01.2021, I ZR 87/20). Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist auch nicht ersichtlich, warum die berechtigte patentrechtliche Abmahnung nicht der Steuerpflicht unterliegen sollte, denn auch hier wird dem Abgemahnten der Vorteil der Abmahnung zugewendet. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass berechtigte Abmahnungen (denn nur diese stellen eine Leistung dar) im gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und im Urheberrecht der Steuerpflicht unterliegen.

Oftmals wissen Abmahnende zum Zeitpunkt der Versendung der Abmahnung nicht, ob es sich bei dem mutmaßlichen Verletzer, dem die Abmahnung zugestellt wurde, auch um den tatsächlichen Rechtsverletzer handelt. Diese Ungewissheit, ob der Abmahnende eine unberechtigte Steuer ausgewiesen hat, sowie die Unsicherheit, ob die Abmahnung, sofern sie denn berechtigt ist, erfolgreich sein wird, hat der Abmahnende ebenso zu tragen wie zunächst die Umsatzsteuer. Abmahnende bzw. die mit der Abmahnung beauftragte Kanzlei sollten künftig auch den Aufwendungs- und den Schadensersatzanspruch klar voneinander abgrenzen, statt einen nicht weiter differenzierten Pauschalbetrag geltend zu machen. Andernfalls stellt der volle Pauschalbetrag die steuerliche Bemessungsgrundlage dar.

Entschädigungs- und Schadensersatzleistungen stellen jedoch kein Entgelt im Sinne der Umsatzsteuer dar, da der Zahlende gerade nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung zahlt, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat. Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören nur die erhaltenen Zahlungen, die als Aufwendungsersatz aufgrund der Abmahnung geleistet werden, d.h. auch der Ersatz von Ermittlungskosten sowie eventuell angefallene Kosten für die Beauskunftung durch den Provider. Denn der Aufwendungsersatz entspricht den Kosten, die der Abmahnende für die Abmahnung aufwenden musste.

Zu guter Letzt ist zu bemerken, dass die meisten Rechtsanwender zwar einerseits glücklich darüber sind, dass eine Nichtbeanstandungsregelung Eingang in das Schreiben der Finanzverwaltung gefunden hat, es sich aber dennoch um eine sehr kurze Übergangszeit bis zum 01.11.2021 handelt. Abmahnende, die Abmahnprozesse durch von Ihnen beauftragte Rechtsanwälte verfolgen, sollten sich daher, sofern noch nicht geschehen, mit diesen auf ein gemeinsames Monitoring- und Reporting System einigen. Ein solches muss mit den internen Arbeitsabläufen und den Computersystemen des Abmahnenden abgestimmt sein. Denn bei den Abmahnenden handelt es sich gewöhnlich um größere Unternehmen, die eigene IP-Abteilungen (zuständig für Intellectual Property) haben, die selbst keine Rechnungen ausstellen, da sie nicht ins operative Geschäft eingebunden sind. Die Implementierung von neuen internen Arbeitsabläufen und Systemanpassungen, gegebenenfalls auch unter Einbeziehung von Rechtsanwälten, die im Namen ihrer Mandanten abmahnen, bedarf jetzt eines zügigen Handelns. Der zu implementierende Prozess setzt voraus, dass entweder der Anwalt oder der Abmahnende selbst für jede Abmahnung zeitnah eine Rechnung (im Namen des Abmahnenden) stellt, weil nur dann die Steuerabteilung des Abmahnenden einen Beleg für die Buchung der Umsatzsteuer hat und diese in die monatliche Erklärung ordnungsgemäß eingepflegt werden kann. Dabei sollte auch das Schicksal einzelner Forderungen nicht aus dem Blick geraten, insbesondere wenn der Abgemahnte die Vorwürfe substantiiert bestreitet und auf Seiten des Abmahnenden steuerrechtliche Korrekturen vorgenommen werden müssen.

Betroffene Normen

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG; § 12 Abs. 1 UStG; § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG; Abschnitt 1.3 Abs. 16a UStAE; Abschn. 13.1 Abs. 7 UStAE

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 01.10.2021, III C 2 – S 7100/19/10001 :006

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

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