BMF: PPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau
Das BMF äußert sich zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung sogenannter F- und A-Modelle im Bundesfernstraßenbau.
Hintergrund
Seit Mitte der 2000er-Jahre greift der Bund beim Ausbau der Bundesfernstraßeninfrastruktur auf die Beschaffungsvariante der Public Private Partnership (PPP) zurück. Durch die langfristige Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit der Privatwirtschaft wird mit PPP-Vorhaben im Bundesfernstraßenbau eine effiziente und schnelle Projektrealisierung bezweckt. Mit dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) wurden 1994 die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Bau und die Finanzierung öffentlicher Straßen durch Dritte geschaffen und das Recht zur Erhebung von Maut auf Bundesautobahnen eingeführt. Im Wege der Ausdehnung der Maut auf Bundesstraßen wurde das Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge (ABMG) und die Mauthöheverordnung (MautHV) im Rahmen des Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) vom 12.07.2011 neu gefasst. Mit Schreiben vom 30.03.2022 reagiert das BMF auf die geänderte Rechtslage und gibt seine Rechtsauffassung zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von PPP-Verkehrsprojekten bekannt. Änderungen ergeben sich insbesondere im Rahmen der verschiedenen Modelle F und A, sowie im Rahmen der Mauterhebung nach dem BFStrMG.
Verwaltungsanweisung
Im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung von PPP-Verkehrsprojekten wird zwischen F- und A-Modellen unterschieden.
F-Modell
Beim F-Modell, benannt nach dem FStrPrivFinG, werden Verkehrsprojekte von Privaten errichtet und betrieben. Zur Finanzierung werden Private mit dem Recht zur Erhebung einer Mautgebühr beliehen. Das Mautaufkommen steht dem Privaten (Konzessionär) zu. Der Konzessionär errichtet das Straßenbauwerk auf eigene Kosten. Die Verfügungsmacht am Bauwerk bleibt beim Konzessionär und geht mit Ablauf des Konzessionszeitraums auf den Konzessionsgeber (öffentliche Hand) über. Der Konzessionär wird zu eigenen unternehmerischen Zwecken tätig, indem er der Öffentlichkeit die Nutzung des Verkehrsbauwerks gegen Entgelt ermöglicht. Die von den Straßennutzern entrichtete Mautgebühr stellt die Gegenleistung dar. Mit der Übertragung des Straßenbauwerks nach Ablauf des Konzessionszeitraums erbringt der Konzessionär gegenüber dem Konzessionsgeber eine steuerbare Lieferung. Im Fall der unentgeltlichen Übertragung folgt die Steuerbarkeit aus § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kann in Betracht kommen.
Im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage stellt das BMF nun klar, dass zum Entgelt alles gehört, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Konzessionsnehmer vom Konzessionsgeber oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, abzüglich der Umsatzsteuer. Die unmittelbar zusammenhängenden Subventionen sind bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.
Bezüglich der Behandlung des vom Konzessionsgeber entrichteten Sockelbetrages, der Bestimmung des Steuersatzes und des Vorsteuerabzugs wiederholt das BMF die Ausführungen aus der Verwaltungsanweisung vom 03.02.2005 (BStBl. I 2005, 414, IV A 5 - S 7100 - 15/05).
A-Modell
Beim A-Modell (Ausbaumodell in der Variante Mischmodell) werden Autobahnstreckenabschnitte von Privaten (Konzessionsnehmer) errichtet und im verkehrsrechtlichen Sinn betrieben. Der Bund ist Betreiber im steuerrechtlichen Sinn. Als Gegenleistung erhält der Konzessionsnehmer neben der Anschubfinanzierung einen Teilbetrag der vom Bund erhobenen, streckenbezogenen Maut.
Der Bau des Streckenabschnitts stellt eine Werklieferung dar. Die für die Werklieferung geschuldete Umsatzsteuer entsteht mit der Übergabe des Streckenabschnitts. Die Anschubfinanzierung ist als ein im Voraus gezahltes Entgelt anzusehen.
Im neuen BMF-Schreiben werden auch naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, für die ggf. andere Fertigstellungs- und Übergabetermine als für den Streckenabschnitt vereinbart wurden, als selbstständige Werklieferungen thematisiert.
Die Vorfinanzierung des Bauaufwands durch den Konzessionsnehmer kann eine sonstige Leistung in Form der steuerfreien Kreditgewährung des Konzessionsnehmer an den Bund begründen.
Die vereinnahmte Anschubfinanzierung ist sachgerecht auf die einzelnen Leistungen aufzuteilen. Neu sind auch die Ausführungen des BMF zur sachgerechten Aufteilung der vereinnahmten Maut. Die Maut wird nach Maßgabe der entstandenen Kosten anteilig für die Tilgung der Anschaffungs- /Herstellungskosten aus der Errichtung des Streckenabschnitts, für den Zins aus der Kreditgewährung und für die Erhaltungsmaßnahmen aufgewendet.
Mit der Errichtung und dem Betrieb des Streckenabschnitts erbringt der Private gegenüber dem Bund steuerbare Leistungen. Aus der Errichtung und dem Betrieb des Streckenabschnitts ist der Private nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Reicht die anteilige Mautzahlung des Bundes nach der Anrechnung der Anschubfinanzierung für die Kostendeckung nicht aus, kommt eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Werklieferung und die Erhaltungsleistungen in Betracht. Voraussetzung ist, dass das Entgelt als uneinbringlich einzustufen ist.
Ist der Private vertraglich zur Beseitigung von Unfallschäden verpflichtet, sind Leistungen zur Schadensabwicklung Teil der umsatzsteuerpflichtigen Gesamtleistung des Konzessionsnehmers an den Konzessionsgeber. Tritt der Konzessionsgeber Ansprüche gegen Dritte an den Konzessionsnehmer ab, sind die Zahlungen, die der Konzessionsnehmer von dem Unfallverursacher bzw. dem Versicherer erhält, zusätzliches Entgelt für die umsatzsteuerpflichtige Leistung des Konzessionsnehmers an den Konzessionsgeber.
Mauterhebung nach dem BFStrMG
Die Maut wird durch den Bund auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erhoben. Die Behandlung des Bundes als Nichtunternehmer für die Gewährung des Zugangs zu einer Straße gegen Zahlung der Maut führt nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S.d. § 2b UStG, sodass die Leistung nicht der Umsatzsteuer unterliegt.
Im Falle der Weiterbelastung der Maut durch den Mautschuldner an seinen Leistungsempfänger, ist die Maut Teil des Entgelts. Die Maut stellt keinen durchlaufenden Posten dar, da zwischen dem Bund und dem Mautschuldner keine unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen.
Wird ein Mauterhebungssystems von einem privaten, vom Bundesamt für Güterverkehr Beauftragten betrieben, erbringt der Beauftragte steuerbare sonstige Leistungen an den Bund. Der Private ist nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Betroffene Normen
§ 2b UStG, § 3 UStG, § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG, § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG, § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG, § 13 UStG, § 15 UStG, § 17 UStG
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 30.03.2022, III C 2 - S 7100/20/10002 :001