Zurück zur Übersicht
26.01.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Konsignationslagerregelung konkretisiert

Mit dem JStG 2019 wurde die Konsignationslagerregelung in Umsetzung der „Quick Fixes“ eingeführt. Knapp zwei Jahre später positioniert sich das BMF mit einem Einführungsschreiben zu § 6b UStG. Sind die Rechtsunsicherheiten damit passé?

Hintergrund

Vor Verabschiedung der „Quick Fixes“ (siehe Richtlinie (EU)/2018/1910 des Rates v. 04.12.2018) waren Warenlieferungen über ein Konsignationslager unionsrechtlich nicht einheitlich geregelt. Mit der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben und der Einführung der Konsignationslagerregelung in § 6b UStG im Januar 2020 wurde eine Vereinfachungsregelung für Lieferungen in Warenlager zu Abrufzwecken im Gemeinschaftsgebiet eingeführt.

Die Konsignationslagerregelung dient der Vereinfachung. Unternehmer sollen von Registrierungs- und Deklarationspflichten im Bestimmungsmitgliedstaat entlastet werden. Sind die Voraussetzungen des § 6b UStG erfüllt, stellt die Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat keinen umsatzsteuerlich relevanten Vorgang dar. Erst im Zeitpunkt der Entnahme des Gegenstandes aus dem Konsignationslager werden eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und ein innergemeinschaftlicher Erwerb fingiert. Dies setzt u.a. voraus, dass die Lieferung innerhalb von zwölf Monaten an den Abnehmer bewirkt wird. Nach Fristablauf gilt der Gegenstand am darauffolgenden Tag als innergemeinschaftlich verbracht und der Unternehmer hat im Abgangsmitgliedstaat eine fiktive Lieferung im Abgangsmitgliedstaat und einen fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat anzumelden.

Seit der Einführung der Konsignationslagerregelung blieben viele Fragen ungeklärt. Rechtsunsicherheiten bestanden insbesondere im Hinblick auf die Definition des Verwendens der USt-IdNr., die Ansässigkeit des Unternehmers sowie den Folgen bei Untergang der Ware. Rund zwei Jahre später reagierte das BMF mit einem Einführungsschreiben und änderte den Anwendungserlass.

Verwaltungsanweisung

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Konsignationslagerregelung führt das BMF aus, dass zu Beginn des EU-grenzüberschreitenden Warentransports dem Unternehmer nicht nur der vollständige Name und die vollständige Adresse des Erwerbers, sondern auch die ihm im Bestimmungsmitgliedstaat erteilte USt-IdNr. bekannt sein muss (Abschn. 6b.1. Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Keine Ansässigkeit des liefernden Unternehmers im Bestimmungsmitgliedstaat

Die Konsignationslagerregelung setzt voraus, dass der Lieferer im Bestimmungsmitgliedstaat nicht ansässig ist. Wird ein im Bestimmungsmitgliedstaat im Eigentum des Lieferers befindliches oder angemietetes Lager mit eigenem Personal betrieben, ist von einer Ansässigkeit im Bestimmungsmitgliedstaat auszugehen (Abschn. 6b.1. Abs. 2 Satz 3 UStAE).

Mehrere Abnehmer

Sind Vereinbarungen mit mehreren Abnehmern abgeschlossen, muss durch Aufzeichnungen sichergestellt sein, dass die Gegenstände dem jeweiligen Erwerber zugeordnet werden können (Abschn. 6b.1. Abs. 3 Satz 6 UStAE).

Konsignationslager

Ein Konsignationslager ist nach dem BMF jeder räumlich und physisch bestimmbare Ort. Auf die Ortsfestigkeit kommt es nicht an, so dass z.B. auch Container und Binnenschiffe ein Konsignationslager sein können, wenn sich aus den Aufzeichnungen ergibt, wo sich die Gegenstände bis zur Entnahme befinden (Abschn. 6b.1. Abs. 4 Sätze 3 und 5 f. UStAE).

Unternehmereigenschaft des Erwerbers

Der Erwerber muss ein Unternehmer sein, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwerben will. Die Konsignationslagerregelung setzt voraus, dass der Erwerber gegenüber dem Lieferer die ihm vom Bestimmungsmitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwendet. Im Hinblick auf den umstrittenen Begriff des Verwendens verweist das BMF auf Abschn. 3a.2 Abs. 10 Sätze 2 bis 10 UStAE. Verwenden setzt demnach ein positives Tun des Erwerbers, in der Regel bei Vertragsabschluss, voraus. Verwendet der Leistungsempfänger eine USt-IdNr. aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Bestimmungsmitgliedstaat, sind die Voraussetzungen der Konsignationslagerregelung nicht erfüllt (Abschn. 6b.1. Abs. 5 Satz 6 UStAE).

Erwerberwechsel

Ein Austausch des Abnehmers innerhalb der 12-Monatsfrist ist unschädlich, wenn eine vertragliche Vereinbarung über den Erwerberwechsel am Tag des Wirksamwerdens des Erlöschens der bisherigen Vereinbarung abgeschlossen wurde. Der Erwerberwechsel führt nicht zu einer Verlängerung der 12-Monatsfrist (Abschn. 6b.1. Abs. 6 Satz 7 UStAE).

Gelangen in einen anderen Mitgliedstaat

Der Gegenstand muss aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangen. Die Beförderung oder Versendung kann auch durch den späteren Erwerber erfolgen, wenn er den Transport ausdrücklich und erkennbar im Namen des liefernden Unternehmers übernimmt, ohne dass dem späteren Erwerber damit die Verfügungsmacht verschafft wird (Abschn. 6b.1. Abs. 7 Satz 2 UStAE).

Be- oder Verarbeitung des Gegenstandes

Die Verwendung des Gegenstandes vor Entnahme durch den Erwerber für eine Werklieferung oder Werkleistung des Unternehmers führt zum Ausschluss der Konsignationslagerregelung (Abschn. 6b.1. Abs. 8 Satz 2 UStAE).

Lieferungen von Drittlandsunternehmern

Auch für Lieferungen eines Drittlandunternehmers ist die Konsignationslagerregelung anwendbar, wenn er umsatzsteuerlich im Abgangsmitgliedstaat registriert ist (Abschn. 6b.1. Abs. 11 Satz 2 UStAE).

Verbleiben im Bestimmungsmitgliedstaat

Der Gegenstand muss bis zur Entnahme durch den Erwerber in dem Bestimmungsmitgliedstaat verbleiben. Innerhalb des Bestimmungsmitgliedstaats kann der Gegenstand in ein anderes Konsignationslager verbracht werden. Wird der Gegenstand unmittelbar aus dem Bestimmungsmitgliedstaat unter Verzicht auf eine Rücklieferung in einen anderen Mitgliedstaat oder in das Drittlandsgebiet transportiert, findet die Konsignationslagerregelung keine Anwendung (Abschn. 6b.1. Abs. 13 Satz 5 UStAE).

Reihengeschäft

Sind die Voraussetzungen eines Reihengeschäfts erfüllt, kommt die Konsignationslagerregelung nicht in Betracht, da mit der Warenbewegung die Verfügungsmacht verschafft wird (Abschn. 6b.1. Abs. 14 UStAE).

12-Monatsfrist

Der Gegenstand muss innerhalb von 12 Monaten von dem vorbestimmten oder dem diesen ersetzenden Abnehmer abgenommen werden. Für die Fristberechnung gelten unionsrechtliche Grundsätze (Art. 2 und Art. 3 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71). Der Unternehmer hat den Tag der Einlagerung und der Entnahme aufzuzeichnen (Abschn. 6b.1. Abs. 15 Sätze 4 und 5 UStAE). Bei Flüssigkeiten, Gasen oder Schüttgüter kann die FIFO-Methode (first in – first out) angewandt werden (Abschn. 6b.1. Abs. 16 Satz 1 UStAE).

Faktisches Optionsrecht des Lieferers

Das BMF führt aus, dass der Lieferer durch die Nichterfüllung der Voraussetzungen erreichen kann, dass die Vereinfachungsregelung gegenstandsbezogen nicht angewendet wird (Abschn. 6b.1. Abs. 19 Sätze 2 und 3 UStAE).

Wegfall der Voraussetzungen innerhalb der 12-Monatsfrist

Werden die Voraussetzungen der Konsignationslagerregelung nicht erfüllt, kommt ein innergemeinschaftliches Verbringen in Betracht. Dies gilt insbesondere, wenn

  • ein anderer als der vorbestimmte oder ausgetauschte Erwerber die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erlangt (Abschn. 6b.1. Abs. 20 Satz 1 UStAE),
  • der Gegenstand vor oder bei der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Abgangsmitgliedstaat oder das Drittland transportiert wird, wenn keine Rücklieferung in den Abgangsmitgliedstaat erfolgt (Abschn. 6b.1. Abs. 21 Sätze 1 und 3 UStAE),
  • der Gegenstand nach der Einlagerung und vor der Verschaffung der Verfügungsmacht durch Zerstörung, Verlust oder Diebstahl verloren geht. Kleine Verluste (in der Regel wert- oder mengenmäßig unter 5% des Gesamtbestandes) stehen der Anwendung der Konsignationslagerregelung nicht entgegen (Abschn. 6b.1. Abs. 22 Sätze 3 und 4 UStAE).

Brexit

Das BMF nimmt auch zu den Auswirkungen des Brexit Stellung. Die Grundsätze des Einführungsschreibens gelten demnach nicht für Lieferungen, deren Warentransport nach dem 31.12.2020 in das oder aus dem Vereinigten Königreich (ohne Nordirland) erfolgt. Für Waren, die vor dem 01.01.2021 in ein Konsignationslager im Vereinigten Königreich (ohne Nordirland) verbracht wurden oder die aus diesem Gebiet in ein Konsignationslager in der EU verbracht wurden, sind Billigkeitsregelungen vorgesehen (Abschn. 6b.1. Abs. 24 UStAE).

Rückwirkende Anwendung

Die Verwaltungsgrundsätze sind auf Umsätze anzuwenden, bei denen der Transport in das Konsignationslager am oder nach dem 01.01.2020 begonnen hat.

Anmerkung

Das BMF-Schreiben enthält einige Klarstellungen, die die Rechtsanwendung erleichtern. So sind z.B. die konkretisierenden Ausführungen des BMF zum nicht legaldefinierten Begriff des Konsignationslagers, zur 12-Monatsfrist sowie zum Erwerberwechsel zu begrüßen.

Auch nach den Auslegungshinweisen der EU-Kommission steht dem liefernden Unternehmer ein faktisches Optionsrecht zu (Ziff. 2.5.2. Erläuterungen der EU-Kommission zu den „Quick Fixes 2020“). Durch die Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen, z.B. der Aufzeichnungs- und Meldepflichten, kann der liefernde Unternehmer erreichen, dass die Rechtsfolge der Konsignationslagerregelung nicht eintritt. Das BMF stellt insoweit klar, dass das faktische Optionsrecht gegenstandsbezogen auszuüben ist.

Im Hinblick auf die Ausführungen des BMF zu kleineren Verlusten schließt sich das BMF den Ausführungen des MwSt-Ausschusses an.

Betroffene Norm

§​ 6b UStG

Fundstelle

​BMF, Schreiben vom 10.12.2021, III C 3 -S 7146/20/10001 :005

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.