BFH: Zur Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist nur dann Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Fehlt es hieran, kann sie nicht Organträger sein.
Sachverhalt
Streitig war, ob eine Gemeinde, die mit dem Neubau eines Freizeitbades und der nachfolgenden Verpachtung des Sportzentrums einen Betrieb gewerblicher Art unterhält und ob sie damit unternehmerisch tätig ist, da der von der Gemeinde geltend gemachte Verlustvortrag in keinem Verhältnis zu den von ihr vereinnahmten Pachteinnahmen steht.
Entscheidung
Der BFH verweist die Sache zurück an das Sächsische Finanzgericht. Nach Ansicht des BFH muss das Finanzgericht zunächst klären, ob die Gemeinde entsprechend dem EuGH-Urteil Gemeente Borsele vom 12.05.2016, C-520/14, als Unternehmerin auch unternehmerisch tätig ist. Nach dem EuGH-Urteil fehlt es an einer unternehmerischen Tätigkeit, wenn die Gemeinde über die von ihr vereinnahmten Beiträge nur einen kleinen Teil ihrer Kosten deckt. Werden die Kosten nur zu 3% aus Einnahmen und im Übrigen mit öffentlichen Mitteln finanziert, deutet dieses Ungleichgewicht zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung erhaltenen Beträgen darauf hin, dass kein Leistungsentgelt und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen. Da Pacht und Verlustausgleich im vorliegenden Fall auf einer einheitlichen vertraglichen Grundlage beruhen, wird die Vorinstanz auch überprüfen müssen, ob die Pachtzahlungen mit dem Verlustausgleich zu saldieren sind und damit gegebenenfalls eine unentgeltliche Überlassung vorliegt. Auch eine nicht steuerbare Beistellung könnte vorliegen, so dass die Pacht als bloßer Verrechnungsposten zu qualifizieren wäre.
Anmerkung
Das Urteil ist zur alten Rechtslage ergangen (§ 2 Abs. 3 UStG). Die Unternehmereigenschaft einer jPöR richtet sich seit dem 01.01.2017 nach § 2b UStG. Allerdings haben die jPdöR für eine Übergangsfrist zum alten Recht zu optieren. Ungeachtet dessen, stellt sich bei dauerdefizitärer Betätigung die umsatzsteuerliche Frage nach der Unternehmereigenschaft. Nach den EuGH Urteilen vom 02.06.2016, C-263/15, Lavjér und vom 12.05.2016, C-520/14, Gemeente Borsele ist die Unternehmereigenschaft dann zu bejahen, wenn sich die Einnahmen als Gegenleistung für eine eigene Leistung darstellen und damit ein Leistungsaustausch zu bejahen ist. Steht das Entgelt völlig außer Verhältnis zur erbrachten Leistung, so fehlt es an einem Leistungsaustausch und damit an der Unternehmereigenschaft. Kann die Unternehmereigenschaft bejaht werden und erbringt die jPöR entgeltliche Leistungen, so schließt sich die Frage an, ob der Vorsteuerabzug aus den im Zusammenhang mit den nicht kostendeckenden Ausgangsumsätzen entstehenden Aufwendungen eingeschränkt ist.
Der BFH wird in Kürze im anhängigen Revisionsverfahren XI R 12/15 Gelegenheit haben, hierzu Stellung zu nehmen.
Betroffene Norm
§ 2b UStG
Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 29.10.2015 – 6 K 1104/13
Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.12.2016, V R 44/15
Weiterführende Literatur
Ismer, MwStR 2016, 654