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22.12.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung – Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung

Mit der vorliegenden Grundsatz-Entscheidung schließt sich der fünfte Senat des BFH den Ausführungen des EuGH im Fall Senatex, C-518/14, an und stellt klar, dass die Rechnungsberichtigung eines Unternehmers für eine von ihm erbrachte Leistung auf den Zeitpunkt zurück wirkt, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde. Ferner bezieht der BFH ausführlich Stellung zu den bislang noch offenen Fragen, welche Mindestanforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung zu stellen sind und bis wann eine Berichtigung vorgenommen werden kann.

Sachverhalt

Im Streitfall hatte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen, die nur auf einen nicht näher bezeichneten „Beratervertrag“ Bezug nahmen. Weitere Rechnungen hatte ihr eine Unternehmensberatung ohne weitere Erläuterung für „allgemeine wirtschaftliche Beratung“ und „zusätzliche betriebswirtschaftliche Beratung“ erteilt. Das Finanzamt versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den in den Streitjahren 2005 bis 2007 erteilten Rechnungen. Es ging davon aus, dass die Rechnungen keine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung enthielten. Dagegen erhob die Klägerin Klage und legte während des Klageverfahrens im Jahr 2013 berichtigte Rechnungen vor, die die Leistungen ordnungsgemäß beschrieben. Das FG wies die Klage gleichwohl ab. Nach dem Urteil des FG ermöglichten die berichtigten Rechnungen einen Vorsteuerabzug erst in 2013 und wirkten nicht auf die erstmalige Rechnungserteilung in den Streitjahren zurück.

Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und den Vorsteuerabzug für die Jahre 2005 bis 2007 zugesprochen. Dies beruht maßgeblich auf dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache Senatex vom 15.09.2016 C-518/14 (siehe Deloitte Tax-News) .

Entscheidung

Entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH mit Grundsatzurteil vom 20.12.2016, VR 26/15, entschieden, dass eine vom Unternehmer vorgenommene Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde. Damit hält der Senat an seiner früheren Rechtsprechung, wonach die Vorsteuer aus einer berichtigten Rechnung erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung abgezogen werden konnte, nicht mehr fest. Trotz formell fehlerhafter Eingangsrechnungen sind Unternehmer daher nicht mehr am sofortigen Vorsteuerabzug gehindert. Auch bei späteren Beanstandungen entfällt für die Unternehmer künftig die Verpflichtung zu Steuernachzahlungen und der Entrichtung der Zinsen.

Damit schließt sich der BFH den Ausführungen im EuGH Urteil in der Rechtssache Senatex vom 15.09.2016, C-518/14, an, nach der eine Ergänzung um die in der Ursprungsrechnung nicht enthaltenen Angaben ex tunc wirkt und der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung formelle, aber nicht materielle Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug darstellt. Der EuGH hatte zudem ausgeführt, dass das pauschale Entstehen von Nachzahlungszinsen nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip der Mehrwertsteuer im Einklang steht. Über die Feststellungen des EuGH im Fall Senatex hinausgehend, stellt der BFH zudem klar, welche Mindestanforderungen an das Ausgangsdokument zu stellen sind und folgt seiner bereits im Senatsbeschluss vom 20.07.2012, V B 82/11 dargelegten Ansicht. Eine berichtigungsfähige Rechnung liegt vor, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Ausreichend ist, dass das Dokument diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen.

Mit Blick auf die Leistungsbeschreibung führt der BFH aus, dass diese Mindestanforderungen erfüllt sind, wenn, wie im vorliegenden Fall die Rechnung unter dem Briefkopf eines Rechtsanwalts erteilt wird und auf einen nicht näher bezeichneten Beratervertrag Bezug genommen wird oder dass sie über "allgemeine wirtschaftliche Beratung" oder "betriebswirtschaftliche Beratung" ausgestellt ist. Zu beachten ist, dass der BFH ausdrücklich keine Entscheidung darüber treffen musste, ob schon die ursprünglichen Rechnungen, insbesondere deren Leistungsbeschreibungen, den gesetzlichen Anforderungen entsprachen und in Einklang mit der jüngsten EuGH Rechtsprechung im Fall Barlis06 vom 15.09.2016, C-516/14, stehen. Ferner nimmt der BFH in diesem Urteil Stellung zu der bislang noch offenen Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Rechnungsberichtigung noch vorgenommen werden kann. Danach kann die Rechnung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden. Der BFH führt aus, dass es weder nach Unionsrecht noch nach den Regelungen des nationalen Rechts eine zeitliche Grenze für die Berichtigung der Rechnung gibt. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen müsse die Berichtigung daher bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG möglich sein, da das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheide und zu diesem Gesamtergebnis alle rechtserheblichen Umstände tatsächlicher Art, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren gehören. In diesem Zusammenhang verweist der BFH auch auf seine ständige Rechtsprechung zu Belegnachweisen, die ebenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG erbracht werden können.

Was bereits aus der EuGH Rechtsprechung zu Senatex für Unternehmen folgte, gilt auch für das nunmehr veröffentlichte Grundsatzurteil des BFH. Sofern Unternehmen in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen Zinsen entrichtet haben, sollten diese prüfen, ob ein Anspruch auf Erstattung der Zinsen besteht, bzw. ob die Zinsfestsetzungen noch änderbar sind. Betroffene Unternehmen, die aufgrund formell fehlerhafter Eingangsrechnungen der Vorsteuerabzug versagt und die mit einer Zinsfestsetzung belastet sind und gegen diese Einspruch eingelegt haben, können sich nunmehr sowohl auf die EuGH als auch auf die BFH Rechtsprechung berufen. Abzuwarten bleibt noch die Reaktion der Finanzverwaltung und deren Umsetzung der EuGH und BFH Rechtsprechung. Nach alledem ist auch davon auszugehen, dass sich insbesondere Konzernbetriebsprüfungen, bei denen die Kontrolle von Rechnungen oftmals einen wesentlichen Aspekt darstellte, künftig ändern werden, da die Rechnungsberichtigungen ex tunc wirken und die Erhebung von Nachzahlungszinsen künftig nicht mehr in Betracht kommt.

Betroffene Norm (Pflicht)
Art. 167, 178a, 179, 219, 226(3), 273 MwStSystRL; § 15(1) Nr. 1, § 14 Abs. 4 Nrn. 1-9 UStG; § 31(5) UStDV


Fundstelle (Pflicht)
BFH, Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15

Englischer Beitrag zum Thema

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