BFH: Regelsteuersatz für Leistungsbündel aus künstlerischen und kulinarischen Leistungen
Werden künstlerische und kulinarische Leistungen untrennbar miteinander verbunden, liegt eine komplexe, dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung vor.
Mit Urteil vom 10.12.2020 (V R 39/18) hat der BFH entschieden, dass die Leistungen eines Theaters, das während der Theateraufführung Bewirtungsleistungen erbringt, eine einheitliche, dem Regelsteuersatz unterliege Leistung darstellt. Auf die Qualität der Speisen kommt es nicht an.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Volkstheater. Mit dem Kauf der Eintrittskarten erhielten die Theatergäste die Eintrittsberechtigung sowie die Berechtigung zum Verzehr von Speisen während der Veranstaltung. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass die Bewirtung der Theatergäste Bestandteil der szenischen Darstellung war. Während der Aufführung wurden die Gäste von den Schauspielern bedient.
Die Klägerin erklärte die Leistungen mit dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt unterwarf die Umsätze dem Regelsteuersatz. Das Sächsische Finanzgericht gab der Klage statt und sah die Leistung der Klägerin als steuerfreie einheitliche Theaterleistung an. Hiergegen wandte sich das Finanzamt und legte Revision ein.
Entscheidung
Bei den Leistungen der Klägerin handelt es sich um eine einheitliche, steuerpflichtige Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliegt. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers sind die Theateraufführung und die Bewirtung untrennbar miteinander verbunden. Der BFH führt aus, dass eine derartige komplexe Leistung der Regelbesteuerung auch dann unterliegt, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die der Speisen.
Die Versagung der Steuerfreiheit begründet keinen Verstoß gegen die Kunstfreiheit, da der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet ist, jede steuerliche Begünstigung allen künstlerischen Bereichen gleichermaßen zugutekommen zu lassen.
Es liegen auch keine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Gastronomieumsätze vor. Denn Gastronomieumsätze sind durch einen eigenen, vom Theaterbesuch unabhängigen Zweck gekennzeichnet.
Auch die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG kommt vorliegend nicht in Betracht, weil der Verkauf der Speisen und Getränke nicht im Rahmen eines Zweckbetriebes ausgeführt wird.
Anmerkung
Im Streitfall begründete der Umstand, dass die Bewirtung in die künstlerische Darbietung szenisch integriert war, die Untrennbarkeit der Leistungselemente. Die Theatergäste konnten die künstlerischen Leistungen und die Bewirtung nicht getrennt in Anspruch nehmen und etwa auf die Bewirtung verzichten.
Die Entscheidung ist mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung zur Beurteilung von Dinner-Shows konsequent. Bereits 2013 hatte der BFH entschieden, dass die Kombination von künstlerischen und kulinarischen Elementen eine komplexe Leistung sein kann, die dem Regelsteuersatz unterliegt (BFH, Urteil vom 10.01.2013, V R 31/10, BStBl. II S. 352). Der Umstand, dass die Leistungselemente getrennt erbracht werden können, rechtfertigt keine Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs, wenn es den Theatergästen um die Verbindung der Leistungskomponenten geht. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die künstlerische Darbietung eine bessere Qualität aufweist als die kulinarischen Leistungen (BFH, Urteil vom 13.06.2018, XI R 2/16, BStBl. II 2018, 678).
Mit dem Urteil führt der BFH seine Rechtsprechung zur Bestimmung einer einheitlichen Leistung fort. Werden Leistungsbündel angeboten, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellen, ob die Leistungselemente für den Verbraucher einen eigenständigen Zweck erfüllen. Entscheidend für das Vorliegen einer komplexen Leistung ist die Untrennbarkeit der Leistungskomponenten. Maßgeblich ist die Sicht des Durchschnittverbrauchers. Kommt es dem Verbraucher nicht auf einzelnen Leistungselemente, sondern auf die gesamte Leistung an, liegt eine komplexe, einheitlich zu beurteilende Leistung vor.
Betroffene Normen
§ 4 Nr. 20 Buchst. a UStG; § 12 Abs. 1 UStG
Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25.10.2018, 6 K 835/17
Fundstelle
BFH, Urteil vom 10.12.2020, V R 39/18