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30.06.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Kartenpfand für die Überlassung elektronischer Zahlungskarten

Ist ein Pfandbetrag, der für die Überlassung einer elektronischen Zahlungskarte erhoben wird, als Schadensersatz oder als Entgelt für die ermöglichte Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zu qualifizieren?

Hintergrund

Der Einsatz von Zahlungskarten ist insbesondere auf größeren Events oder auch in Fußballstadien bei Besuchern beliebt. Die Zahlungskarten räumen den Karteninhabern die Möglichkeit ein, bargeldlos zB. für Essen und Getränke bezahlen zu können. In der Regel werden die Karten gegen Bezahlung einer „Gebühr“ oder der Erhebung eines Pfands ausgegeben. Welche umsatzsteuerlichen Hürden im Zusammenhang mit der Überlassung elektronischer Zahlungskarten gegen Bezahlung eines Kartenpfands bestehen können, zeigt das vorliegende Urteil des BFH. Zum einen geht um die Abgrenzung von Entgelt und Schadensersatz (vgl. Deloitte Tax-News), die Grundsätzen zur Bestimmung einer einheitlichen Leistung (vgl. Deloitte Tax-News) sowie um die Reichweite der Steuerbefreiung für Zahlungsumsätze (vgl. Deloitte Tax-News).

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A, die bargeldlose Zahlungssysteme vertreibt. A ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der B, die den Besuchern von Fußballstadien elektronische Zahlungskarten zur bargeldlosen Bezahlung von Speisen und Getränken in den Stadien überlässt. Bei der Kartenausgabe erhob B einen Pfandbetrag. Für den Fall der Rückgabe der Karte innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erstattete B den Besuchern den Pfandbetrag. B übernahm auch alle administrativen, organisatorischen und technischen Leistungen, indem sie u.a. Kartenlesegeräte bereitstellte, den Vertrieb sowie die Aufladung und Rückgabe der Zahlungskarten in den Stadien organisierte.

Während der Kläger die Erhebung des Pfandbetrages als pauschalierten Schadensersatz einordnete, behandelte das Finanzamt das Kartenpfand als Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung der Zahlungskarte. Die Klage vor dem FG Hamburg hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Das im Rahmen eines bargeldlosen Zahlungssystems für die Überlassung elektronischer Zahlungskarten in Stadien erhobene Kartenpfand ist nicht als pauschalierter (durch die Kartenrückgabe auflösend bedingter) Schadensersatz zu qualifizieren. Nimmt der Unternehmer selbst die Übertragung der Gelder vor, handelt es sich um eine einheitliche sonstige Leistung, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei ist.

Da das FG keine Feststellungen zum Vorsteuerabzug getroffen hat, wurde die Sache an das FG zurückverwiesen.

Anmerkung

Bei dem erhobenen Kartenpfand handelt es sich um Entgelt für einen steuerbaren Umsatz. Durch das eröffnete Kartenzahlungssystem, das es den Stadionbesuchern erlaubte, in den Stadien bargeldlos zu zahlen, wurden einheitliche sonstige Leistungen erbracht, die als Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei sind. Für die Annahme eines pauschalierten Schadensersatzes fehlt es vorliegend an einem schädigenden Ereignis, da auch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Karte, der Karteninhaber nicht zur Kartenrückgabe an das kartenausgebende Unternehmen B verpflichtet war.

Ausgehend vom Interesse des Karteninhabers, das sich weder auf den Erwerb der Zahlungskarte an sich noch auf das Wechseln von Bargeld in elektronische Guthaben bezieht, sondern allein auf den entgeltlichen Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr im Stadion gerichtet ist, begründet die Kartenüberlassung keine eigenständige Lieferung. Aus Sicht des Karteninhabers stellt die Karte lediglich das „Mittel zum Zweck“ dar. Die Kartenüberlassung gegen die Bezahlung eines Pfandbetrages und die damit dem Inhaber eröffnete Möglichkeit, im Stadion bargeldlos zu zahlen, sind eng miteinander verbunden und bilden einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang. Danach liegt eine einheitliche sonstige Leistung vor, deren leistungsprägender Bestandteil die im Stadion eröffnete bargeldlose Zahlungsmöglichkeit ist. Da vorliegend, im Rahmen des bargeldlosen Zahlungssystems, der kartenausgebende Unternehmer nach der von ihm durchgeführten Prüfung und Freigabe der Zahlungen selbst die Übertragung von Geldbeträgen bewirkte, waren die Umsätze als Umsätze im Zahlungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei. In diesem Zusammenhang weist der BFH erneut darauf hin, dass Steuerbefreiungen als Ausnahmetatbestände grundsätzlich restriktiv auszulegen sind.

Die Steuerbefreiung setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes voraus, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen eines Umsatzes im Zahlungs- und Überweisungsverkehrs erfüllt (vgl. EuGH, Urt. v. 25.07.2018, C-5/17, DPAS; EuGH, Urt. v. 26.05.2016, C‑607/14, Bookit). Steuerfreie Leistungen im Zahlungsverkehr sind von materiellen oder technischen Leistungen abzugrenzen, die nicht die Übertragung von Geldern bewirken (vgl. EuGH, Urt. v. 26.05.2016, C-130/15, National Exhibition Centre; EuGH, Urt. v. 28.07.2011, C-350/10, Nordea Pankki Suomi). Vorliegend bewirkte B als kartenausgebende Stelle die Übertragung selbst, da der Zahlungsvorgang unmittelbar das Guthaben des jeweiligen Kartenkunden verminderte und mindestens mittelbar das des jeweiligen Caterers erhöhte. Die administrativen und technischen Leistungen des kartenausgebenden Unternehmens B stellten lediglich begleitende Tätigkeiten dar. Damit entsprach der Streitfall im Kern dem des EuGH Urteil Cardpoint (Urt. v. 3.1.0.2019, C-42/18, siehe auch Deloitte Tax-News​, bei dem der EuGH für die Steuerfreiheit auf die Genehmigung für die Bargeldabhebung, die Belastung des Bankkontos des Nutzers des Automaten mit dem entsprechenden Betrag und die unmittelbare Geldzahlung an Nutzer abgestellt hat.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 07.02.2017, 2 K 14/16

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26.01.2022, XI R 19/19 (XI R 12/17)​

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

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