BFH: Innergemeinschaftliches Reihengeschäft: Zuordnung der Warenbewegung, Vertrauensschutz
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 25.02.2015 entschieden, dass bei Reihengeschäften die Prüfung, welche von mehreren Lieferungen über ein und denselben Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei ist, anhand der objektiven Umstände und nicht anhand der Erklärungen der Beteiligten vorzunehmen ist; Erklärungen des Erwerbers können allerdings im Rahmen der Prüfung des Vertrauensschutzes (§ 6a Abs. 4 UStG) von Bedeutung sein.
Hintergrund
Eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der gelieferte Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) befördert oder versendet wird (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG). Bei Reihengeschäften bereitet eine solche Feststellung oft Schwierigkeiten: Liefert ein Unternehmer (A) Waren an einen anderen Unternehmer (B), der diese an einen dritten Unternehmer (C) weiterliefert, kann nur diejenige Lieferung umsatzsteuerfrei sein, der der Warentransport in den anderen Mitgliedstaat zuzuordnen ist.
Sachverhalt
Im Streitfall verkaufte eine deutsche GmbH (A) zwei Maschinen an ein US- amerikanisches Unternehmen (B). B teilte A auf Anfrage lediglich die USt-IdNr. eines finnischen Unternehmens (C) mit, an die es die Maschinen weiterverkauft habe. Die Maschinen wurden von einer von B beauftragten Spedition bei A abgeholt und zu C nach Finnland verschifft. Nach Ansicht des zuvor auf Vorlage des BFH mit dem Streitfall befassten Gerichtshof der Europäischen Union ist bei sog. Reihengeschäften regelmäßig die erste Lieferung (von A an B) umsatzsteuerfrei; anders sei es jedoch, wenn B der C bereits Verfügungsmacht an der Ware verschafft habe, bevor die Ware das Inland verlassen hat (EuGH, Urteil v. 27.09.2012 - Rs. C-587/10; VSTR). Im Streitfall war im Nachhinein jedoch nicht mehr zu ermitteln, wann B der C die Verfügungsmacht an den Waren verschafft hatte.
Entscheidung
Nach Ansicht des BFH setzt bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft mit drei Beteiligten (A, B und C) und zwei Lieferungen (A an B sowie B an C) die erforderliche Zuordnung der innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung des Gegenstands zu einer der beiden Lieferungen eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung voraus, ob der Ersterwerber (B) dem Zweiterwerber (C) die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, im Inland übertragen hat.
Dabei komme es in der Regel allein auf die objektiven Umstände an; hiervon abweichende Absichtsbekundungen können (nur) im Rahmen der Prüfung des Vertrauensschutzes von Bedeutung sein.
Verbleiben nach der erforderlichen Sachverhaltsaufklärung durch das Finanzgericht, bei der insbesondere der Ersterwerber (B) zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden kann, nicht behebbare Zweifel daran, dass der Ersterwerber (B) dem Zweiterwerber (C) die Verfügungsmacht noch im Inland übertragen hat, ist die Warenbewegung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen.
Anmerkung
Der BFH tritt mit seiner Entscheidung ausdrücklich der Auffassung des FG Münsters entgegen, nach der es in Fällen der vorliegenden Art allein auf die "Verpflichtung und Absichtsbekundung" des Zwischenerwerbers ankomme, den Liefergegenstand zu befördern oder zu versenden (FG Münster, Urteil v. 16.01.2014 - 5 K 3930/10 U). Nach Ansicht des BFH sind demgegenüber alleine die die objektiven Umstände entscheidend.
Fundstelle
BFH, Urteil v. 25.02.2015, XI R 15/14
Weitere Fundstelle
FG Münster, Urteil v. 16.01.2014, 5 K 3930/10 U