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10.03.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Geschäftsleitende Holding zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt – Personengesellschaft kann Organgesellschaft sein

Eine geschäftsleitende Holding ist ungeachtet des Umfangs ihrer geschäftsleitenden Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nach dem V. Senat kommt nun auch der XI. Senat des BFH zu dem Ergebnis, dass eine Personengesellschaft nach geltendem deutschen Recht Organgesellschaft einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann.

Hintergrund

Der XI. Senat des BFH hatte mit Entscheidung vom 11.12.2013 dem EuGH die Fragen vorgelegt, nach welcher Berechnungsmethode die Vorsteuerabzugsquote einer geschäftsleitenden Holding zu berechnen ist und ob der Ausschluss einer Personengesellschaft aus dem Kreis möglicher Organgesellschaften nach deutschem Recht dem Gemeinschaftsrecht widerspricht.

Entscheidung

Der BFH folgt dem EuGH (Urteil vom 16.07.2015, C-108/14 und C-109/ 14, Larentia + Minerva) und spricht einer geschäftsleitenden Holding dem Grunde nach den vollen Vorsteuerabzug zu. Auf den Umfang der geschäftsleitenden Tätigkeit kommt es nicht an, so dass auch eine wirtschaftliche Tätigkeit mit relativ geringen Umsätzen zum Abzug relativ hoher Vorsteuerbeträge berechtigt.
Die Höhe des Vorsteuerabzugs richtet sich nach den Ausgangsumsätzen. Schließen diese den Vorsteuerabzug teilweise aus, so ist nur ein quotaler Abzug der Steuer auf die Eingangsleistungen abziehbar.

Ausdrücklich weist der BFH darauf hin, dass steuerfreie Einlagen bei Kreditinstituten, die zur Haupttätigkeit des Unternehmers gehören, keine Hilfsumsätze i.S.d. § 43 Nr. 3 UStDV sind und daher die Vorsteuerquote mindern.

Nach dem V. Senat, der unmittelbar nach Ergehen der Entscheidung des EuGH die bis dahin ruhenden Verfahren wieder aufgegriffen hat, um noch vor dem XI. Senat zur Eingliederung einer Personengesellschaft in eine umsatzsteuerliche Organschaft Stellung zu nehmen (BFH-Urteile vom 02.12.2015, V R 25/13, V R 15/14, V R 67/14 und vom 03.12.2015, V R 36/13), kommt nun auch der XI. Senat in der EuGH Nachfolgeentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Begriff „juristische Person“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass er auch eine GmbH& Co. KG umfasst.

Aus dem Grundsatz der Unionstreue folge die Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie entspricht. Bestehe ein Auslegungsspielraum, sei das nationale Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich auszuschöpfen. Dies hat der BFH nunmehr getan.
Unbeantwortet lässt der Senat allerdings die Frage, weshalb er zu dieser Erkenntnis nicht bereits vor Vorlage an den EuGH gekommen ist. In der Vorlageentscheidung neigte er noch dazu, dass eine richtlinienkonforme Auslegung, nach der unter die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG genannten „juristischen Personen“ auch Personengesellschaften fallen, nicht möglich ist. Der EuGH hatte hierzu nichts gesagt; musste er auch nicht, da er Gemeinschaftsrecht und nicht nationales Recht auslegt.

Praxishinweis

Für Steuerpflichtige bedeutet die Entscheidung, dass sie sich nach der, wenn auch nicht in der Begründung so doch im Ergebnis, übereinstimmenden Rechtsprechung beider Umsatzsteuersenate des BFH nunmehr auch für die Vergangenheit darauf berufen können, dass eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organschaftlich in das Unternehmen des (Mehrheits-) Gesellschafters eingegliedert ist, sofern die Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt sind.

Gegen die Berücksichtigung zu seinen Ungunsten wird der Steuerpflichtige wohl den Schutz seines Vertrauens in die bisherige Rechtsauffassung einfordern können.

Es ist davon auszugehen, dass die Verwaltung kurzfristig mit einem BMF-Schreiben auf diese Entscheidungen reagiert und für eine Übergangszeit die Besteuerung unter Ausschluss der eingegliederten Personengesellschaft nicht beanstandet.

Ob der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der überraschenden Erkenntnisse des BFH noch die Notwendigkeit sieht, die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG kurzfristig zu ändern, darf bezweifelt werden.

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG, § 15 Abs. 4 UStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG
Streitjahr 2006

Anmerkung

Mit Verfügung vom 24.05.2016 hat sich die OFD Frankfurt a.M. zur Anwendung der BFH-Urteile V R 67/14, V R 15/14, V R 25/13 vom 02.12.2015 sowie des BFH-Urteils XI R 38/12 vom 19.01.2016 geäußert.
Der BFH hatte mit Urteil vom 02.12.2015, V R 25/13, siehe Deloitte Tax-News, entschieden, dass auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein könne, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind.
Die OFD Frankfurt a.M. legt nun fest, dass die BFH-Urteile V R 25/13 und XI R 38/12 vorläufig grundsätzlich nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden seien. Abweichend davon könnten sich aber – sofern die Voraussetzungen beider Urteile vorlägen – der Organträger und die GmbH & Co. KG einheitlich auf die Rechtsprechung berufen. Dafür sei erforderlich, dass bei einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft an dieser neben dem Organträger nur Personen beteiligt sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Vertrauensschutz nach § 176 AO werde nicht gewährt. Daneben sei eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der GmbH & Co. KG in das Unternehmen des Organträgers – auch noch im Zeitpunkt der Berufung auf die Rechtsprechung – erforderlich; zudem müssten alle betroffenen Steuerfestsetzungen noch änderbar sein.

Vorinstanzen
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 10.10.2012, 2 K 189/10
BFH, Entscheidung vom 11.12.2013, XI R 38/12, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 16.07.2015, C 108/14 und C 109/14, Larentia + Minerva, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.01.2016, XI R 38/12
Pressemitteilung Nr. 23 vom 09.03.2016

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 15/14, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 25/13, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 67/14, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 03.12.2015, V R 36/13, siehe Deloitte Tax-News
OFD Frankfurt a.M., Verfügung vom 24.05.2016, S 7105 A - 22 - St 110

Ihr Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: 030 25468-258

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