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28.08.2014
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Flächenbezogener Verzicht auf Steuerfreiheit

Der Verzicht auf Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG kann auch teilweise für einzelne, eindeutig bestimmbare Flächen eines Mietobjekts wirksam sein. Eine Teiloption ist insoweit auch für einzelne Räume eines Mietobjekts möglich. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ist für einen Teilverzicht kein abgrenzbarer Funktionsbereich erforderlich.

Sachverhalt

Die Eigentümerin eines bebauten Grundstücks (Klägerin) verwendete den Großteil der vermietbaren Fläche steuerfrei für den Betrieb eines Studentenwohnheims. Das im Erdgeschoss befindliche Bistro vermietete sie unter Verzicht auf die Steuerfreiheit gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 UStG. Die im 1.OG befindlichen Büroflächen vermietete sie ebenfalls unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an eine GmbH. Die GmbH nutzte die Büroflächen überwiegend für umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten wie Bauentwicklung, Baubetreuung und Verwaltung fremder Immobilien. Zu einem geringen (räumlichen) Teil nutzte die GmbH die Büroflächen zur umsatzsteuerfreien Verwaltung eigener Wohnimmobilien.

Die Klägerin teilte die größtenteils aus Sanierungskosten stammenden Vorsteuerbeträge des Streitjahres 2009 nach einem Flächenschlüssel auf und ging im Hinblick auf die steuerpflichtige Vermietung von Bistro und Büroflächen von einem anteiligen Recht auf Vorsteuerabzug aus.

Das Finanzamt erkannte den Verzicht auf die Steuerfreiheit nur bei der Vermietung des Bistros, nicht aber auch bei der Vermietung an die GmbH an, da die GmbH die angemieteten Büroflächen nicht ausschließlich für zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke verwendet hat. Das FG bestätigte diese Auffassung und fügte dem hinzu, dass auch kein wirksamer Teilverzicht auf die Steuerfreiheit vorläge, da ein abgrenzbarer Funktionsbereich fehle, der Gegenstand eines selbständigen Mietvertrags sein könne.

Die Klägerin argumentierte, dass sich in dem abzugsschädlich verwendeten Raum zwei Arbeitsplätze befunden haben, wovon nur einer zur umsatzsteuerfreien Verwaltung eigener Wohnimmobilien genutzt wurde und somit nur die Hälfte dieses Raums für Umsätze ohne Recht auf Vorsteuerabzug genutzt worden sei. Bei einer flächenbezogenen Betrachtung sei die Mieterin nur bzgl. dieser Fläche nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Danach sei auch der Verzicht bzgl. der übrigen, nicht vorsteuerabzugsschädlich genutzten Fläche wirksam. Aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH ergebe sich nicht, dass einzelne Flächen eines Raumes nicht weiter aufgeteilt werden können.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass die Klägerin berechtigt ist den Verzicht nach § 9 Abs. 2 S. 1 UStG auch nur teilweise auszuüben. § 9 Abs. 2 S. 1 UStG lasse einen nur teilweisen Verzicht im Umfang der Verwendung des Mietgegenstands für Umsätze zu, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Bei der Vermietung soll es dem Vertragspartner ermöglicht werden, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen als wäre er dessen Eigentümer. Die erforderliche Inbesitznahme des Grundstücks beziehe sich auf die Flächen des mietweise überlassenen Grundstücks. Berechtigt § 9 Abs. 2 S. 1 UStG zu teilweisem Verzicht, beziehe sich dieser dementsprechend auf Teilflächen des Mietgegenstands.

Der Verzicht gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 UStG könne daher auch teilweise für einzelne Flächen eines Mietobjekts wirksam sein, wenn diese Teilflächen eindeutig bestimmbar sind. Einer Teiloption müsse dementsprechend ein hinreichend objektiv nachprüfbarer Aufteilungsmaßstab zugrunde liegen. Dies sei bei einer Abgrenzung der Teilflächen nach baulichen Merkmalen wie etwa nach den Räumen eines Mietobjekts zu bejahen. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sei kein abgrenzbarer Funktionsbereich erforderlich, der Gegenstand eines selbständigen Mietvertrags sein könne. Teilflächen innerhalb eines Raums seien hingegen im Regelfall nicht hinreichend abgrenzbar.

Schließlich wies der BFH das FG – an den die Sache zurückverwiesen wurde – an, dass Gemeinflächen wie Flure, Küchen- und Sanitärflächen nach den Verhältnissen des Streitfalls der steuerpflichtig vermieteten Teilfläche zugerechnet werden können, da nur einer von mehreren Büroräumen – und dieser auch nur teilweise – für vorsteuerabzugsschädliche Umsätze verwendet wurde.

Betroffene Norm

§ 9 Abs. 2 S. 1 UStG, § 4 Nr. 12 Buchstabe a) UStG
Streitjahr: 2009

Anmerkungen

Die Möglichkeit einer Teiloption des Vermieters nach Räumen stellt eine Gestaltungsalternative zur vertraglichen Absicherung des Nicht-Überschreitens der Bagatellgrenze von 5% dar und relativiert zugleich deren Bedeutung. Sollte ein Mieter nicht zusagen können, die 5%-Bagatellgrenze einzuhalten, oder wäre eine Überschreitung im Voraus nicht vorhersehbar, könnte alternativ oder zusätzlich vertraglich vereinbart werden, dass der Mieter die vorsteuerschädlichen Umsätze (nur) in einem bzw. mehreren bestimmten Räumen durchführt, so dass eine Teiloption des Vermieters bezüglich der übrigen Räume möglich wäre und damit zumindest sein anteiliges Recht zum Vorsteuerabzug aufrechterhalten bliebe.

Vorinstanz

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 11.04.2013, 5 K 393/11

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.04.2014, V R 27/13

Ihre Ansprechpartner

Evelyn Domagalski
Consultant

edomagalski@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-3399

Sven Roth
Director

svroth@deloitte.de
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