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07.11.2017
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: EuGH Vorlagen zur Sollbesteuerung

 BFH hat Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Vorfinanzierung der Steuer im Rahmen der Sollbesteuerung. Die dem Steuerpflichtigen vom Fiskus zugedachte Aufgabe eines Steuereinnehmers lässt es nach Auffassung des Gerichts fragwürdig erscheinen, ob er die Steuer für eigene Leistungen über mehrere Jahre vorzufinanzieren hat. Das Gericht neigt dazu, die Steuerentstehung von der Fälligkeit der Gegenleistung abhängig zu machen.

Hintergrund

 Der BFH hat mit Urteil vom 24.10.2013, V R 31/12, entschieden, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer, der seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung wegen zeitweiser Uneinbringlichkeit zur Steuerberichtigung berechtigt ist (vgl. auch Abschn. 17.1 Abs. 5 S. 3 UStAE). Eine Uneinbringlichkeit des Entgelts liegt demnach vor, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Denn die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrjährige Zeiträume ist im Verhältnis zur Besteuerung der Unternehmer, die der Ist-Besteuerung unterliegen, nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Damit schränkte der BFH die Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den Steuerpflichtigen im Rahmen der Sollbesteuerung entgegen der bisherigen Praxis erheblich ein. Ausdrücklich offen gelassen hatte der BFH jedoch, ob die aufgestellten Grundsätze auch auf andere Fallgestaltungen, wie die des Leasings anwendbar sind.

Unter Fortführung dieser BFH Rechtsprechung hat das FG Niedersachsen im vorliegenden Sachverhalt entschieden, dass Uneinbringlichkeit auch dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der mit dem Leistungsempfänger getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die Fälligkeit des Entgeltes für mehr als zwei Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

 Die Klägerin, eine Spielervermittlerin, die von Fußballvereinen Provisionen bei erfolgreicher Vermittlung eines Fußballers erhielt, unterliegt der Sollbesteuerung. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung der Spieler setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieben und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilt hat. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Ratenansprüche und deren Fälligkeit unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte.

Vorabentscheidungsersuchen des BFH

 Aufgrund der erheblichen Praxisbedeutung insbesondere für bedingte Vergütungsansprüche, befristete Zahlungsansprüche oder auch im Rahmen von einzelnen Formen des Leasings, legt der BFH dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Ist Artikel 63 MwStSystRL unter Berücksichtigung der dem Steuerpflichtigen zukommenden Aufgabe als Steuereinnehmer für den Fiskus einschränkend dahingehend auszulegen, dass der für die Leistung zu vereinnahmende Betrag

a) fällig ist oder
b) zumindest unbedingt geschuldet wird?

2. Bei Verneinung der ersten Frage: Ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann?

3. Bei Bejahung der zweiten Frage: Sind die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der ihnen nach Artikel 90 Absatz 2 MwStSystRL zustehenden Befugnisse berechtigt, bereits für den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung von einer Berichtigung nach Artikel 90 Absatz 1 MwStSystRL auszugehen, wenn der Steuerpflichtige den zu vereinnahmenden Betrag mangels Fälligkeit erst zwei Jahre nach Eintritt des Steuertatbestands vereinnahmen kann?

Hinweis:

 Die dem EuGH in dieser Rechtssache vorgelegten Fragen beziehen sich in erster Linie auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch bei befristeten Zahlungsansprüchen, wie etwa beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings von Bedeutung sein. Auch hier besteht nach gegenwärtiger Praxis für den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für seine Leistung bereits zum Zeitpunkt der eigenen Leistungserbringung und unabhängig von der Vereinnahmung der Gegenleistung vollständig abführen zu müssen. Dies gilt nach bisheriger Praxis auch dann, wenn er einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann. Folgt der EuGH den Überlegungen des BFH würde dies eine signifikante Angleichung der Soll- an die Istbesteuerung bedeuten.

Betroffene Norm

 § 17 Abs. 1, Abs. 2 UStG; Art. 63 MwStSystRL

Vorinstanz

 FG Niedersachsen, Urteil vom 18.08.2016, 5 K 288/15

Fundstelle

 BFH, Beschluss vom 21.6.2017, V R 51/16

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
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ugruenwald@deloitte.de
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Dr. Diana-C. Kurtz
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Tel.: 089 29036-8025

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