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21.06.2019
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Erkennbarkeit von Teilen und Zubehör

Im Rahmen der Zolltarifierung genügt die bloße Eignung und Bestimmung einer Ware zum Einbau in eine andere Ware noch nicht für die Einordnung als Teil i.S.d. Kombinierten Nomenklatur (KN). Vielmehr müsste - in Einklang mit dem EuGH - ein eingebautes Teil unabdingbar für die Funktion des Ganzen sein, um sich vom Zubehör zu unterscheiden. Um dies zu beurteilen ist auf den Erkenntnishorizont eines Sachverständigen abzustellen. Sofern der Zolltarif nichts Anderes bestimmt, stellen an der Ware fest angebrachte Etiketten grundsätzlich kein objektives Merkmal für die zollrechtliche Tarifierung dar.

Sachverhalt

In dem Revisionsurteil des BFH vom 23.10.2018, VII R 19/17, wird im Rahmen der Nacherhebung von Zoll um die richtige Zolltarifierung von Brauch- und Frischwassertanks gestritten. Jene wurden aus einem Drittland importiert und zur Überführung in den freien Verkehr als „Kohlenstofffasern und Waren aus Kohlenstofffasern“ mit dem Zollsatz „frei“ angemeldet. Das Hauptzollamt (HZA) tariffierte die Tanks vielmehr als „Teile von Hubschraubern oder Starrflügelflugzeugen“ (Abschnitt XVII, Pos. 8803 KN) und forderte 2,7 % Zoll. Hiergegen wendet sich die (Revisions-) Klägerin.

In der Vorinstanz urteilte das Finanzgericht (FG) auf Basis von Erläuterungen zur Position 8803 (HS) zugunsten des HZA und befand die Tarifierung als „Teile von Hubschraubern oder Starrflügelflugzeugen“ als rechtmäßig. In wieweit diese Erläuterungen aufgrund des EuGH Urteils allerdings anwendbar sind, ist fraglich. Die Einfüllöffnungen, die speziellen Befestigungsvorrichtungen bei den Abwassertanks, die Formgebung und das Material würden eine Verwendung in der Luftfahrtindustrie nahelegen. Jedenfalls sei für den durchschnittlich sachkundigen Betrachter anhand von fest angebrachten Etiketten mit der Aufschrift „Aerospace…“ und der Funktion und der Positionierung der Tanks /z.B. „Waste Tank“ eine Verwendung im Flugzeugbau erkennbar. Auf die Erkennbarkeit wurde deswegen abgestellt, da Anm. 3 zu Abschn. XVII KN festlegt, dass Teile i.S.d. der Kapitel 88 nur Teile sind, die erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kapitels 88 bestimmt sind. Eine weitere Abgrenzung zu Zubehör wurde seitens des FG Hamburg nicht durchgeführt, da man dort die Einreihung in dieselbe Tarifnummer als gegeben sah.

Im Rahmen des BFH Verfahrens stellte sich zunächst die Frage, ob die angebrachten Etiketten ein objektives Merkmal für die Tarifierung darstellen können. Des Weiteren ging es darum, welcher Erkenntnishorizont für die „Erkennbarkeit“ des Verwendungszwecks maßgeblich ist – der eines Sachverständigen oder der eines Durchschnittsbeamten.

Entscheidung

Etiketten als objektive Merkmale

Kennzeichnungen, die für Funktion, Gebrauch, Wirkung oder Wesen der Ware selbst keine Bedeutung haben, können keine objektiven Merkmale oder Eigenschaften dieser Ware sein. Dies trifft auf Verkaufs- oder Herstellerprospekte, Auftrags- oder Lieferunterlagen, Bezeichnungen im Handelsverkehr ebenso zu wie auf Etikette, Warenzeichen, Stempel oder ähnliche Kennzeichen auf den Erzeugnissen. Solange die KN nicht ausdrücklich etwas Anderes bestimmt hat, sind dies nur Anhaltspunkte für die Ermittlung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale. Im konkreten Fall genügt die Etikettierung der Tanks daher nicht, um sie als Teile von Hubschraubern oder Starrflügelflugzeugen zu deklarieren.

Erkenntnishorizont

In der – oben aufgeführten - Anmerkung zur KN wird darauf hingewiesen, dass Waren nur dann Teile darstellen, soweit sie erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich zum Einbau in Güter der Kapitel86-88 der KN bestimmt sind. Fraglich ist, aus welcher Perspektive diese Erkennbarkeit zu beurteilen ist. Der BFH hat nun entschieden, dass es ausreicht, wenn ein Sachverständiger mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Zweckbestimmung einer Ware erkennen kann. Dies gelte nur dann nicht, wenn die KN ausdrücklich etwas Anderes bestimme. Zudem ist, wenn der Zolltarif darauf abstellt, dass eine Ware als Teil oder Zubehör für andere Waren bestimmt ist, für die Erkennbarkeit auf den Zeitpunkt der Zollabfertigung abzustellen.

Abgrenzung Teil und Zubehör

Es bleibt aufgrund dessen, dass das Finanzgericht die erforderlichen Feststellungen nicht in der gebotenen Weise getroffen hat und der BFH auch Mängel in der Subsumtion sieht, offen, ob es sich bei den Brauch- und Frischwassertanks um Teile oder Zubehör handelt. Diese Feststellung wäre allerdings erforderlich gewesen im Falle der Brauch- und Frischwassertanks, da die Pos. 8803 lediglich „Teile“ umfasst. Der BFH greift für die Abgrenzung auf die ständige Rechtsprechung des EuGHs zurück: Das „Teil“ unterscheidet sich vom „Zubehör“ darin, dass es unabdingbar für die Funktion oder das Funktionieren eines Ganzen ist. „Zubehör“ sind auswechselbare Vorrichtungen, die ein Gerät für die Ausführung einer bestimmten Arbeit geeignet macht, seine Verwendungsmöglichkeit erweitert oder es in die Lage versetzt, eine im Zusammenhang mit seiner Hauptfunktion stehende Sonderarbeit auszuführen. 

Der BFH stellt fest, dass nur, weil die Tanks zum Einbau in ein Luftfahrzeug geeignet oder bestimmt seien, vom Finanzgericht nicht gefolgert werden könne, dass sie für die Funktion oder das Funktionieren der Ware unabdingbar seien. 

Dementsprechend hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das FG Hamburg.

Betroffene Normen

Art. 220 Abs. 1 ZK, Abschn. XVII Kap. 86, 87, 88 KN (insbes. Pos. 8803 KN)

Streitjahr: 2012

Anmerkungen

Indem der BFH auf den Erkenntnishorizont eines Sachverständigen abstellt, hält er an seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich nicht mehr fest. Im BFH Urteil vom 17.10.2006 Az. VII R 41/05 vertrat er noch die Ansicht, dass hinsichtlich der Erkennbarkeit der Zubehöreigenschaft keine besondere, sondern lediglich eine durchschnittliche Sachkunde vorauszusetzen sei. Diese Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung gilt es in der Praxis zu beachten.

Bezüglich der Abgrenzung von „Teilen“ zu „Zubehör“ hat sich der BFH an die Rechtsprechung des EuGH gehalten, indem er die Unabdingbarkeit für die Einreihung als Teil voraussetzt. Insoweit ist die weite Auslegung des FG Hamburg basierend auf Erläuterungen abzulehnen und entspricht auch nicht der Definition des EuGH. Ebenso ist die Einordnung von Etiketten als Umstände, die lediglich Anhaltspunkte zur Ermittlung von objektiven Merkmalen bzw. Eigenschaften der Ware bieten können, eine konsequente Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Einordnung von u.a. Beschreibungen in Verkaufs- oder Herstellerprospekten, Auftrags- oder Lieferunterlagen und Bezeichnungen im Handelsverkehr.

Ob es sich im Falle der Brauch- und Frischwassertanks dennoch um Teile oder doch um Zubehör von Hubschraubern bzw. Starrflügelflugzeugen handelt, wird sich in der neuen Entscheidung des FG Hamburg zeigen.

Vorinstanz

FG Hamburg, Urteil vom 19.02.2016, 4 K 58/14 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 23.10.2018, VII R 19/17, BFHE 262, S. 478

Weitere Fundstellen

Definition „Teile“

EuGH, Urteil vom 25.02.2016, C-143/15, EU:C:2016:115, Rz. 60

EuGH, Urteil vom 20.11.2014, C-666/13, EU:C:2014:2388, Rz. 44

EuGH, Urteil vom 12.12.2013, C-450/12, EU:C:2013:824, ZfZ 2014, S. 105

Definition „Zubehör“

EuGH, Urteil vom 04.03.2015, C-547/13, EU:C:2015:139, Rz. 69

EuGH, Urteil vom 19.07.2012, C-336/11, EU:C:2012:500, Rz 34

EuGH, Urteil vom 07.02.2002, C-276/00, EU:C:2002:88, Rz. 30, 32

Vorherige Rechtsprechung des BFH zum Erkenntnishorizont

BFH, Urteil vom 17.10. 2006, VII R 41/05, BFH/NV 2007, S. 289

Rechtsprechung zur Beschaffenheitsfeststellung aufgrund von Beschreibungen in Verkaufs- und Herstellerprospekten, Auftrags- oder Lieferunterlagen, Bezeichnungen im Handelsverkehr usw.:

EuGH, 17.03.2005, C-467/03, EU:C:2005:182, ZfZ 2005, S. 161

BFH, 21.10.2015, VII B 145/14

BFH, 09.10.2008, VII B 31/08

BFH/NV 2009, S. 236

Ihre Ansprechpartner

Bettina Mertgen
Partnerin

bmertgen@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 6321

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