Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: Befreiung nach § 6a GrEStG keine staatliche Beihilfe
Nach Einschätzung des Generalanwalts stellt die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern keine Beihilfe dar.
Hintergrund
Der BFH legte mit Beschluss vom 30.05.2017 (II R 62/14) dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Frage vor, ob die für die Grunderwerbsteuer geltende Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe darstellt (siehe Deloitte Tax-News). Wenn diese Befreiung als staatliche Beihilfe anzusehen wäre, bliebe § 6a GrEStG unanwendbar. Darüber hat der EuGH nun zu befinden. Falls § 6a GrEStG eine staatliche Beihilfe darstellen würde, hätte der BFH das Revisionsverfahren bis zum Erlass einer Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt auszusetzen.
Schlussanträge
Der Generalanwalt folgt in seinen Schlussanträgen vom 19.09.2018 in der Rechtssache C-374/17 (A-Brauerei) den Ausführungen der u.a. von Deloitte vertretenen Brauerei, die den Standpunkt vertreten hat, dass die Steuerbefreiung in § 6a GrEStG nicht selektiv ist.
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind in vier Abschnitte gegliedert. Zu Beginn werden die allgemeine Voraussetzung der Selektivität im Bereich der Steuern erläutert (Abschnitt A). Dann wird die Bedeutung der Wahl der Methode der Selektivitätsprüfung dargelegt sowie die Unterscheidung zwischen dem Kriterium der allgemeinen Verfügbarkeit und demjenigen der Diskriminierung (Abschnitt B). Im Anschluss beginnt die eigentliche Selektivitätsprüfung. Der Generalanwalt bevorzugt die Anwendung der klassischen Methode der Selektivitätsprüfung und stuft die Befreiung nach § 6a GrEStG als allgemeine Maßnahme ein (Abschnitt C), damit liegt schon keine beihilferechtlich relevante Maßnahme mehr vor. Hilfsweise prüft der Generalanwalt dann noch die Anwendung der Methode des Bezugsrahmens auf die Befreiung nach § 6a GrEStG (Abschnitt D), wobei er auch hier zu dem Ergebnis kommt, dass die Befreiung nicht zu einer selektiven Begünstigung führt.
Der Generalanwalt führt aus, dass die klassische Prüfungsmethode nicht auf dem Gedanken der Diskriminierung, sondern auf dem der allgemeinen Verfügbarkeit beruht. Nach diesem Ansatz ist jede Maßnahme selektiv, die einen Vorteil verschafft, der nur für „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ verfügbar ist. Dies entspricht dem Wortlaut von Art. 107 Abs. 1 AEUV, der nicht auf den Begriff der Diskriminierung Bezug nimmt. Nach diesem Ansatz sind die Vorteile als selektiv einzustufen, die nur entweder ein oder mehrere Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen oder ein oder mehrere Produktionszweige beanspruchen können. Da die grunderwerbsteuerliche Befreiung aber von alle Unternehmen unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich in Anspruch genommen werden kann, stellt § 6a GrEStG nach dieser Prüfungsmethode eine allgemeine Maßnahme dar, auf die Art 107 Abs. 1 AEUV nicht anwendbar ist.
Aber auch unter der hilfsweisen Anwendung der Methode des Bezugsrahmens kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass die Befreiung nach § 6a GrEStG keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Diese drei Schritte umfassende Methode gründet auf der Bestimmung eines „Bezugsrahmens“. Nach dieser Methode ist in einem ersten Schritt der Bezugsrahmen festzustellen, d. h. die im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare allgemeine oder normale Steuerregelung. Bereits hier vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass § 6a GrEStG Teil des Bezugsrahmens und keine Abweichung hiervon darstellt. In einem zweiten Schritt ist es erforderlich, zu beurteilen, ob die in Rede stehende steuerliche Maßnahme von diesem System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Selbst wenn man, so der Generalanwalt, in § 6a GrEStG daher eine Abweichung vom Bezugsrahmen sehen würde, wären die begünstigten und nicht begünstigten Unternehmen nicht in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation. In einem dritten Schritt ist noch zu überprüfen, ob die in Rede stehende Differenzierung durch die Natur oder den Aufbau der zuvor festgestellten Steuerregelung gerechtfertigt ist. Auch hier schließt der Generalanwalt mit dem Ergebnis, dass zumindest eine solche Rechtfertigung möglich sei und eine Selektivität daher ausscheidet.
Angesichts der sehr ausführlichen und mehrschichtigen Argumentation des Generalanwalts dürfte es dem EuGH nicht leicht fallen, von den Schlussanträgen abzuweichen. Dennoch bleibt abzuwarten, welche Prüfungsmethode der EuGH heranziehen wird und ob er dem Ergebnis des Generalanwalts folgt und damit dem Standpunkt der Kommission eine Absage erteilt.
Für Fragen stehen Ihnen Herr Dr. Alexander Linn (allinn@deloitte.de) und Herr Benedikt Pignot (bpignot@deloitte.de) gerne zur Verfügung.
