Niedersächsisches FG: Keine GrESt auf künftige Bauerrichtungskosten
Entgegen der Auffassung des FG stellt nach Ansicht des BFH im Streitfall das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude einen einheitlichen Erwerbsgegenstand dar. Zu Recht hat daher das Finanzamt die Aufwendungen der Kläger für das Gebäude in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen.
BFH, Urteil vom 27.09.2012, II R 7/12, Zusammenfassung Deloitte Tax-News
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Sachverhalt FG
Die Kläger erwarben am 16.11.2005 ein unbebautes Grundstück, dessen Kaufpreis als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer zugrunde gelegt wurde. Am 30.11.2005 hatten die Kläger einen umsatzsteuerpflichtigen Bauerrichtungsvertrag mit dem Bauunternehmen T&M über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf dem erworbenen Grund und Boden abgeschlossen. Die E&E Baubetreuung GmbH hatte von den Grundstücksverkäufern die Erlaubnis erhalten, die Grundstücke anbieten zu dürfen. Zwischen den Grundstücksverkäufern und den Unternehmen E&E bzw. T&M bestanden keine Verbindungen. Das Finanzamt ging von einem "einheitlichen Vertragswerk" aus, behandelte das künftig zu bebauende Grundstück als bebautes Grundstück und erhöhte die Grunderwerbsteuer für die Kläger, indem es die Bauerrichtungskosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einbezog. Hiergegen wandten sich die Kläger.
Entscheidung
Das Finanzamt hat zu Unrecht die Kosten für das nach Erwerb des unbebauten Grundstücks hergestellte Wohngebäude in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.
Allein der Grundstückskaufvertrag begründet einen Anspruch auf Übereignung (des Grund und Bodens) und unterliegt mit dem Kaufpreis der Grunderwerbsteuer. Der Bauerrichtungsvertrag ist dagegen ein selbständiger Werkvertrag, ein Vertrag über einen Gegenstand, der erst noch herzustellen ist, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existent ist. Da die Verpflichtung zur Ausführung der Bauerrichtungsleistungen nicht in § 1 GrEStG als steuerbarer Vorgang bezeichnet ist, fällt hierfür keine Grunderwerbsteuer, sondern allein Umsatzsteuer an. Der Bauerrichtungsvertrag vom 30.11.2005 ist auch kein unselbständiger Teil des notariellen Grundstückskaufvertrags vom 16.11.2005 oder Teil eines Einheitsvertrags, eines „einheitlichen Leistungsgegenstandes“, denn die beiden Verträge wurden nicht nur an verschiedenen Tagen, in verschiedenen Urkunden, sondern auch von verschiedenen Vertragspartnern über verschiedene Leistungsgegenstände abgeschlossen. Die zusätzliche Bauplanung durch das Unternehmen E&E ändert daran nichts. Zwar hat E&E in gewisser Weise die Anbieterseite organisiert, hierdurch aber keinen „einheitlichen“ Anbieter hervorgebracht. Die Kläger haben zwar zwei Verträge mit zeitlichem und einem losen wirtschaftlichen Zusammenhang abgeschlossen. Eine Zusammenfassung dieser beiden unterschiedlichen Vertragstypen zu einer „Einheit“ mit dem Namen „einheitlicher Leistungsgegenstand“ oder „einheitliches Vertragswerk“ sieht in der Regel weder das Bürgerliche Gesetzbuch, noch das Bewertungsgesetz (zum nächsten Bewertungsstichtag), noch das Umsatzsteuergesetz (Grundstückslieferung und Bauerrichtungsleistungen bleiben selbständige Leistungen) und auch nicht der hier einschlägige § 1 GrEStG (Steuerbarkeit nach dem Grunderwerbsteuergesetz) vor.
Die hier vorgenommene Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Umsatzsteuer überein. Neben dem Erwerb des unbebauten Grundstücks durch Kaufvertrag sind die Bauleistungen aufgrund des Bauvertrags zeitlich später auszuführen. Sie werden durch eine gegenüber der Grundstückslieferung unterschiedlich zu beurteilende sonstige Leistung bewirkt; die Leistungen und die Verpflichtung zur Entgeltsentrichtung beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgründen (vgl. BFH-Urteile vom 10.09.1992 und 15.10.1992). Die Steuerbarkeit der Bauerrichtungsleistungen wird bei der Grunderwerbsteuer sogar ausdrücklich abgelehnt (so BFH-Urteil vom 10.09.1992). Nur ausnahmsweise kann eine einheitliche Leistung dann angenommen werden, wenn die einzelnen Faktoren so ineinandergreifen, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem ganzen zurücktreten, etwa wenn ein Kunde von vornherein das noch zu errichtende Gebäude mit Grundstück allein nach den Regeln des Kaufvertrages erwerben will und soll, oder wenn nach einer für alle Steuerarten einheitlichen wirtschaftlichen Betrachtung der abgeschlossenen Verträge (also nicht nach einer nur für die Grunderwerbsteuer geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise) aus einem Bauherr ein Erwerber wird. Hier aber sind Grundstückslieferung und Bauerrichtungsleistungen der Sache nach nicht miteinander derart verbunden, dass die eine nicht ohne die andere Leistung ausgeführt werden konnte. Die Verbindung ist im Streitfall zwar zeitlich und wirtschaftlich in loser Weise hergestellt worden. Dies begründet aber keine einheitliche Leistung (vgl. z.B. BFH- Urteil vom 15.10.1992).
Im Gegensatz zur Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH betreibt der für Grunderwerbsteuer zuständige II. Senat des BFH eine davon und von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG abweichende, enorm steuerverschärfende Rechtsprechung. Danach werden regelmäßig die noch auszuführenden Bauleistungen mit Lieferungen unbebauter Grundstücke zu einheitlichen Leistungsgegenständen zusammengefasst mit der Folge, dass die GrESt auch auf Grundlage der zukünftigen Bauerrichtungskosten erhoben wird (z.B. BFH-Urteil vom 27.10.1999). Diese Rechtsprechung des II. Senats des BFH lehnt das erkennende Gericht ab, weil diese Rechtsprechung zum angeblich "einheitlichen" Vertragswerk gegen das Grunderwerbsteuergesetz, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt.
Betroffene Norm
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
Streitjahr 2005
Fundstellen
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.08.2011, 7 K 192/09, 7 K 193/09; BFH, Urteil vom 27.09.2012, II R 7/12
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 10.09.1992, V R 99/88, BStBl II 1993, S. 316
BFH, Urteil vom 15.10.1992, V R 17/89, BFH/NV 1994, S. 198
BFH, Urteil vom 27.10.1999, II R 17/99, BStBl II 2000, S. 34