Ländererlasse: Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft
Die Ländererlasse zur gewerbesteuerlichen Behandlung von unmittelbaren und mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft (Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG) wurden aktualisiert. Der aktuelle Erlass ersetzt das Vorgängerschreiben vom 18.02.2014.
Hintergrund
Nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG gilt bei einer Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, die unmittelbare oder mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes dergestalt, dass innerhalb von fünf Jahren mind. 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Durch die Vorschrift wird eine Übereignung eines zum Vermögen einer Personengesellschaft gehörenden Grundstücks auf eine fiktiv „neue“ Personengesellschaft fingiert. Zivilrechtlich liegt dagegen kein Rechtsträgerwechsel vor.
Verwaltungsanweisung
Zu Erwerbsvorgängen i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG nehmen die Obersten Finanzbehörden der Länder in einem aktualisierten Erlass Stellung. Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte sowie Änderungen gegenüber dem Vorgängerschreiben vom 18.02.2014 dargestellt. Die Änderungen beruhen insbesondere auf neuer Rechtslage und aktueller Rechtsprechung.
Steuerbarer Gesellschafterwechsel
Ein steuerbarer Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG liegt vor, wenn es sich um einen Gesellschafterwechsel dem Grunde nach (unmittelbarer oder mittelbarer Gesellschafterwechsel) handelt, der durch einen Neugesellschafter ausgelöst wird, und sich dadurch das Verhältnis der Altgesellschafter zu den Neugesellschaftern zu Lasten der Altgesellschafter verändert.
Unmittelbarer Gesellschafterwechsel
Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.2015).
Mittelbarer Gesellschafterwechsel
Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes der grundbesitzenden Personengesellschaft liegt u.a. dann vor, wenn sie sich aus schuldrechtlichen Bindungen der an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.2015). Sofern lediglich schuldrechtliche Bindungen vorliegen, kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden (vgl. BFH-Urteile vom 09.07.2014 und vom 25.11.2015, Ländererlasse vom 12.11.2018 zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden PersGes). Dieser Rückgriff erlaubt eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 GrEStG bei der Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften.
Die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils führt hingegen nicht zu einem mittelbaren Gesellschafterwechsel (vgl. BFH-Urteil vom 30.08.2017).
Alt- und Neugesellschafter
Unmittelbar sowie mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Altgesellschafter verlieren die Eigenschaft als Altgesellschafter mit Aufgabe ihrer Gesellschafterstellung. Erwirbt der (Alt-) Gesellschafter erneut einen Anteil an der Personengesellschaft, ist er Neugesellschafter i.S. des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG. Dies gilt auch dann, wenn das Ausscheiden aus der Personengesellschaft und der Wiedereintritt innerhalb des Fünfjahreszeitraums des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 16.05.2013).
Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften
Nur Kapitalgesellschaften selbst können unmittelbare oder mittelbare Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft sein, deren Gesellschafter jedoch nicht. Nach § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG wird eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mind. 95 % ändern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalgesellschaft den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllen würde. Der Fünfjahreszeitraum gilt nicht. Bei mehrstufigen mittelbaren Beteiligungen ist für jede Beteiligungsebene gesondert zu prüfen, ob die 95 %-Grenze erreicht ist. Ist die erforderliche Grenze erreicht, ist die mittelbare Beteiligung in voller Höhe zu berücksichtigen.
Besonderheiten bei der identitätswahrenden formwechselnden Umwandlung
Die identitätswahrende formwechselnde Umwandlung einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist nicht steuerbar. Das Gleiche gilt bei einer identitätswahrenden formwechselnden Umwandlung einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaft.
Wird eine unmittelbar oder mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft formwechselnd umgewandelt, führt sie ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafterin fort. Da die an der umgewandelten Gesellschaft beteiligten Gesellschafter erstmals eine gesamthänderische Mitberechtigung an dem Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft erlangen, werden sie Neugesellschafter. Die im Zeitpunkt der formwechselnden Umwandlung vorhandenen Beteiligungen der Gesellschafter an der formgewechselten Gesellschaft werden jedoch nicht in die Berechnung des Quantums des § 1 Abs. 2a GrEStG einbezogen, da es aufgrund der umwandlungsrechtlich geregelten Besonderheiten für diese Beteiligungen an dem Tatbestandsmerkmal „Übergang von Anteilen“ fehlt.
Bei der formwechselnden Umwandlung einer unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, werden die an der umgewandelten Gesellschaft beteiligten Gesellschafter Altgesellschafter in Bezug auf die Kapitalgesellschaft und verlieren ihre Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft.
Ermittlung des Vomhundertsatzes
Zur Ermittlung des Vomhundertsatzes ist auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen. Stockt ein Neugesellschafter seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Gesellschaftsanteile nach dem erstmaligen Erwerb des Mitgliedschaftsrechts auf, werden bei der Berechnung der Quote sowohl der erstmalige Erwerb als auch die Hinzuerwerbe berücksichtigt (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2017). Veränderungen der Vermögensbeteiligung von Neugesellschaftern durch Kapitalerhöhung bei deren Eintritt führen zum Übergang von Anteilen am Gesellschaftsvermögen und sind bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen. Gleiches gilt bei bloßen Kapitaländerungen zugunsten der Neugesellschafter im Verhältnis zu den Altgesellschaftern.
Grundstückserwerbe von einem Gesellschafter (§§ 5, 6 GrEStG) und verbleibende Altgesellschafter (§ 6 Abs. 3 GrEStG
Hierzu wird auf die Ausführungen in den gleichlautenden Ländererlassen vom 12.11.2018 zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG verwiesen.
Übergangsregelung für sukzessive Gesellschafterwechsel über den 06.11.2015
Für Fälle, bei denen der Tatbestand des § 1 Absatz 2a GrEStG vor dem 06.11.2015 verwirklicht wurde, sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.04.2013, II R 17/10 anzuwenden (§ 1 Abs. 2a GrEStG a. F.). Bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG nach dem 05.11.2015, findet die durch das Steueränderungsgesetz 2015 geänderte Rechtslage Anwendung. Für sukzessive Gesellschafterwechsel, bei denen der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nach dem 05.11.2015 verwirklicht wurde, aber ein Teil der Anteilsübertragungen vor dem 06.11.2015 stattgefunden hat, gilt Folgendes:
Mittelbare Änderungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften führen nur dann zu einem Gesellschafterwechsel, wenn auf der obersten Beteiligungsebene ein 100 %iger Wechsel stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2013). Dies ist auf alle Anteilsübertragungen vor dem 06.11.2015 anzuwenden. Auf alle Anteilsübertragungen nach dem 05.11.2015 ist die neue Rechtslage anzuwenden, nach der bei Gesellschaftsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften durch Personengesellschaften durchzurechnen und auf der Ebene jeder Kapitalgesellschaft die 95 %-Grenze zu prüfen ist.
Anwendung
Der Erlass ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.
Betroffene Norm
§ 1 Abs. 2a GrEStG
Fundstelle
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018 (zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG)
Weitere Fundstellen
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018 (zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden PersGes)
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018 (zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG)
BFH, Urteil vom 30.08.2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, 291, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.05.2017, II R 35/15, BStBl II 2017, S. 966, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 25.11.2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.07.2014, II R 49/12, BStBl II 2016, S. 57, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.05.2013, II R 3/11, BStBl II 2013, S. 963, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 24.04.2013, II R 17/10, BStBl II 2013, S. 833, siehe Deloitte Tax-News
