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10.04.2024
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

Länderfinanzbehörden veröffentlichen Erlasse zur Anteilsvereinigung und zu §§ 5, 6 GrEStG

Die gleichlautenden Erlasse zu § 1 Abs. 3 GrEStG, § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG für Organschaftsfälle und §§ 5 und 6 GrEStG enthalten vor allem Anpassungen an zwischenzeitlich erfolgte gesetzliche Neuerungen, sowie willkommene Klarstellungen. 

Die Finanzbehörden der Länder haben mit insgesamt drei Erlassen, alle vom 05. März 2024, die Verwaltungsauffassung zur Anwendung der folgenden Normen aktualisiert und redaktionell angepasst:

  • Anwendung des § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle (ersetzt den Erlass vom 19.09.2018),
  • Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG (ersetzt die beiden Erlasse vom 19.09.2018 sowie den Erlass vom 02.12.1999),
  • Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG (ersetzt den Erlass vom 12.11.2018). 

1. Gleichlautender Ländererlass zu § 1 Abs. 3 GrEStG

Mit Wirkung zum 01.07.2021 hat der Gesetzgeber das Grunderwerbsteuergesetz insbesondere im Hinblick auf die Eindämmung sog. Share-Deals angepasst (vgl. DTN vom 22.04.2021). Bei sog. Share Deals geht nicht das Grundstück selbst, sondern eine Beteiligung an einer grundstückshaltenden Gesellschaft auf einen oder mehrere Gesellschafter über. Kern der Gesetzesreform war, dass bei einem Übergang einer Beteiligung an einer grundstückshaltenden Personengesellschaft die wesentliche Beteiligungsgrenze, bei der Grunderwerbsteuer anfällt, von 95% auf 90% abgesenkt wurde. Eine vergleichbare Regelung wurde seinerzeit auch neu für grundstückshaltende Kapitalgesellschaften eingeführt. Weiterhin wurde der maßgebliche Beobachtungszeitraum für Steuervergünstigungen von 5 Jahren auf 10 Jahre ausgedehnt.

Der Erlass enthält zusammengefasst folgende wesentlichen Aussagen:

  • Anteilsbegriff bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften (Rz. 7 ff.): Der Anteil an einer Kapitalgesellschaft entspricht der Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft unabhängig davon, ob damit eine Rechtsmacht/ein Stimmrecht verbunden ist (bspw. bei Vorzugsaktien). Eigene Anteile bleiben bei der Bestimmung der Quoten unberücksichtigt. Bei mittelbarem Erwerb von Anteilen entspricht der Anteil sowohl bei einer Personen- als auch bei einer Kapitalgesellschaft der wirtschaftlichen Beteiligung am Gesellschaftskapital. Lediglich bei der unmittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt weiterhin das Pro-Kopf-Prinzip (vgl. § 24 GrEStG).
  • Keine mehrfache Grunderwerbsteuer bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen gem. § 1 Abs. 3 GrEStG (Rz. 21 ff): Bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen kann aufgrund desselben Rechtsgeschäfts auf verschiedenen Ebenen ein mehrfaches Auftreten von Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 3 GrEStG in Betracht kommen. Die Finanzverwaltung stellt klar, dass der nämliche Vorgang lediglich einmal Grunderwerbsteuer auslöst. Die Prüfung beginnt beim unmittelbar am Anteilsübergang beteiligten Rechtsträger und ist ggf. auf mittelbarer Ebene fortzusetzen.
  • Keine Grunderwerbsteuer bei Verstärkung einer bestehenden Anteilsvereinigung (Rz. 24 ff): Die Finanzverwaltung bestätigt den Grundsatz, dass bspw. die Verkürzung einer Beteiligungskette, der Wechsel von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung oder Aufstockung der Beteiligung nicht steuerbar nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist, wenn bereits eine Anteilsvereinigung besteht. Dabei ist es unerheblich sein, ob vorausgegangene Anteilsvereinigungen besteuert wurden bzw. welchen Umfang der Grundbesitz im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung hatte.
  • Verhältnis zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (Auseinanderfallen von Signing und Closing): Grundsätzlich haben nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG steuerbare Vorgänge Vorrang vor einer Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. § 1 Abs. 3 1. HS GrEStG). Dies soll aber nach Ansicht der Finanzverwaltung lediglich dann gelten, wenn Signing und Closing zusammenfallen, was insbesondere bei Vorgängen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG der Fall sein soll. Soweit Besteuerungszeitpunkte gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG und gem. § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG auseinanderfallen, soll eine Doppelbesteuerung weiterhin über § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG aufzulösen sein. In diesen Fällen sind strenge formale Voraussetzungen zu beachten.  

2. Gleichlautender Erlass zu §§ 5 und 6 GrEStG

Die Vorschriften des § 5 und § 6 GrEStG sehen Befreiungen von der Grunderwerbsteuer vor, wenn ein Grundstück auf eine Gesamthand bzw. von einer Personengesellschaft übertragen wird, soweit der Übertragende bzw. der Erwerbende an der Personengesellschaft beteiligt ist. Dies gilt auch für solche Fälle, in denen das Grundstück von einer Personengesellschaft auf eine andere übertragen wird, soweit eine Beteiligungsidentität der Gesellschafter an den Personengesellschaften besteht. Dabei stellen beide Vorschriften die Befreiung von der Grunderwerbsteuer unter bestimmte Haltefristen, welche befolgt werden müssen.

Der Erlass wurde nun an die durch die Reform der Grunderwerbsteuer per 1. Juli 2021 geltende geänderten Vorschriften angepasst, wobei durch die Reform insbesondere die zu befolgenden Haltefristen verlängert wurden.

Daneben befinden sich im Erlass Ausführungen zu der Möglichkeit der Option zur Körperschaftsbesteuerung durch Personengesellschaften (vgl. § 1a KStG) und zur befristeten Weitergeltung des sog. Gesamthandsprinzips bei rechtsfähigen Personengesellschaften für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zum 31.12.2026 (vgl. § 24 GrEStG).

Im Einzelnen wurden folgende Änderungen vorgenommen:

  • Allgemeines (Rz. 1 ff.): Der Abschnitt wurde umfassend überarbeitet und geht nun auf zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderungen ein. Dazu gehören neben Ausführungen zur Körperschaftsteueroption gem. § 1a KStG für Personengesellschaften auch allgemeine Aussagen zur zeitlich beschränkten Fortgeltung des Gesamthandsprinzips für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Klargestellt wird mit Verweis auf BFH-Rechtsprechung, dass die Vergünstigungen nach § 6 Abs. 4 GrEStG nicht für grundbesitzhaltende Personengesellschaften in Betracht kommen, die in den letzten 10 Jahren durch heterogenen Rechtsformwechsel entstanden sind.
  • Gesamthand (Rz. 11 ff.): Mit Verweis auf § 24 GrEStG i.V.m. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO gelten rechtsfähige Personengesellschaften weiterhin als Gesamthand und ihr Vermögen damit als Gesamthandsvermögen. Neu im Erlass ist die Ausführung, dass ausländische Körperschaften, die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt werden und deren Ort der Geschäftsleitung im Inland liegt, nicht unter die Begünstigungsvorschriften fallen (§ 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 und § 6 Abs. 3 S. 6 GrEStG).
  • Anteil am Vermögen (Rz. 14 ff.): Der Anteil am Vermögen bestimmt sich mit Verweis auf aktuelle BFH-Rechtsprechung nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften soll danach nicht die Zwischengesamthand als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen sein, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Zwischengesamthand beteiligten Gesamthänder erfolgen.
  • Ausschluss der Anwendbarkeit (Rz. 25): Klarstellend wird festgehalten, dass nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbare Vorgänge nicht unter die Anwendung der Steuerbegünstigung gem. §§ 5 und 6 GrEStG fallen.
  • Verhältnis zu den übrigen Steuervergünstigungen (Rz. 30 ff.): Die Verwaltungsauffassung zum Verhältnis der Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG zu den Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG wurde durch ein umfassendes Beispiel ergänzt. Zudem wird herausgearbeitet, dass die 10-jährige Überwachungsfrist (§ 5 Abs. 3 S. 1 GrEStG) enden soll, sobald ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht wurde, obwohl noch (bis zu) 10% mit einer Behaltensfrist belegt sein können.
  • Behaltensfrist (Rz. 39 f.): Klarstellend wird festgehalten, dass die Behaltensfrist für Erwerbsvorgänge ab dem 01.07.2016 10 Jahre beträgt (vgl. § 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG).
  • Versagung der Steuervergünstigung (ab Rz.41): Die Steuervergünstigung ist rückwirkend zu versagen, wenn innerhalb der Behaltensfrist der Anteil des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand gemindert wird. Eine Verminderung des Anteils des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand kann nach Auffassung der Finanzverwaltung mit Bezug auf BFH-Rechtsprechung auch aufgrund anderweitiger Vereinbarungen eintreten. Beispielsweise ist das der Fall, wenn es wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe des eingebrachten Grundstücks kommt, ohne dass sich die bürgerlich-rechtliche Beteiligung an der Gesellschaft ändert (Rz. 43, 44).
  • Auswirkungen und Folgen einer Option nach § 1a KStG (Rz. 121): Die Finanzverwaltung hat nunmehr auch – mit Verweis auf die gesetzlichen Regelungen - Aussagen zu den Rechtsfolgen der Körperschaftsteueroption nach § 1a KStG für Personengesellschaften getroffen.
  • Anzeigepflicht (Rz. 123): In Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung sind nunmehr auch Verminderungen der Beteiligung an der Gesamthand anzuzeigen, selbst wenn sich der personelle Gesellschafterbestand nicht verändert.

Fazit

Die aktualisierten Erlasse der Länderfinanzbehörden bieten hilfreiche Erläuterungen und Beispiele. Sie sind eine willkommene Klarstellung zu den in den letzten Jahren häufig geänderten Grunderwerbsteuerregelungen. Die Erlasse verdeutlichen jedoch auch die weiter gestiegene Komplexität der geänderten Vorschriften und den erhöhten Bedarf an sorgfältiger Analyse der grunderwerbsteuerlichen Implikationen bei Transaktionen, an denen Gesellschaften mit deutschem Grundbesitz direkt oder indirekt beteiligt sind. Die damit einhergehenden erforderlichen Regelungen in Anteilskaufverträgen sowie ggf. zu befolgende Anzeigeverpflichtungen sollten bei Transaktionen frühzeitig berücksichtigt werden, um ungewollte Überraschungen im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer zu vermeiden.  

Fundstelle

Oberste Finanzbehörden der Länder, Ländererlasse vom 05.03.2024, S 4501, S 4514 

Ihre Ansprechpartner

Alexander Vincenc
Director

avincenc@deloitte.de
Tel.: +49 89 290 368 337

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Director

mdeorofino@deloitte.de
Tel.: +49 89 290 366 927

Sebastian Ahrens
Senior Manager

sahrens@deloitte.de
Tel.: +49 40 32080 1981

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