Hessisches FG: Keine grunderwerbsteuerliche Konzernklausel bei Fehlen eines herrschenden Unternehmens im Rahmen einer Anteilseinbringung
Bringen Anteilseigner ihre Anteile an einer grundbesitzenden GmbH in eine KG als Sacheinlage bei Neugründung ein, fehlt es an einem herrschenden Unternehmen beim Einbringungsvorgang, wenn keiner der Anteilseigner die GmbH und die KG mit grunderwerbsteuerlicher Mehrheit beherrscht.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, wurde im Rahmen einer Erbauseinandersetzung in der Weise gegründet, dass die drei Erben als Kommanditisten zusammen mit der I-GmbH als persönlich haftende und nicht am Vermögen beteiligte Gesellschafterin die GmbH & Co. KG errichteten.
Die Kommanditeinlagen wurden sämtlich durch Einlage des zuvor geteilten Nachlasses, darunter auch zwei GmbH-Beteiligungen, einschließlich der bereits zuvor bestehenden Altbeteiligungen der einzelnen Erben, durch Abtretung an die KG erbracht. Hierdurch wurde die KG alleinige Anteilseignerin der beiden GmbHs, die über Grundbesitz verfügten .
Das Finanzamt setzte gegen die KG Grunderwerbsteuer wegen Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Mit der Klage begehrt die KG die Anwendung bzw. Feststellung der Anwendbarkeit des § 6a GrEStG.
Entscheidung
Das FG schließt sich der Auffassung des Finanzamts an und kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 6a GrEStG nicht vorlagen und die Steuerbefreiung nicht zu gewähren war.
Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt der Steuer ein Rechtsgeschäft (hier der Gesellschaftsvertrag), das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers, hier der KG als Steuerschuldnerin (§ 13 Nr. 5 Bst. a GrEStG) allein vereinigt werden würden.
Durch die erfolgte Einbringung und Abtretung aller Gesellschaftsanteile an den beiden GmbHs an die neu gegründete KG ist es bei der KG zu einer erstmaligen Vereinigung aller Anteile an den GmbHs gekommen, wodurch jeweils der grunderwerbsteuerliche Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG tatbestandlich verwirklicht wurde.
Keine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG
Für die Anteilsübertragungen war keine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG zu gewähren.
Nach dieser Vorschrift wird u.a. für einen nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Einbringung auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage keine Grunderwerbsteuer erhoben, wenn an diesem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a S. 3 GrEStG). Eine Gesellschaft gilt nach § 6a S. 4 GrEStG als abhängig, wenn das herrschende Unternehmen an ihrem Kapital oder Gesellschaftsvermögen innerhalb von fünf Jahren vor und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Die gesetzlich nicht gesondert definierte "Beherrschung" ergibt sich zwingend aus der Abhängigkeitsdefinition als Kehrseite.
Beteiligt am Rechtsvorgang sind dabei nur die Rechtsträger, deren Vermögen unmittelbar betroffen ist, d.h. für Einbringungsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage nur die unmittelbaren Vertragspartner der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen. Im Streitfall waren demnach neben den Gesellschaftern der KG als Einbringende die KG selbst beteiligt. Soweit daher überhaupt die einzelnen Gesellschafter nur in ihrer Miterbenstellung (als Erbengemeinschaft) als herrschendes Unternehmen zu werten sein könnten, da jeder Einzelne von ihnen keine entsprechenden Anteilsmehrheiten hätte, und diese Gesellschafter auch das gesamte Gesellschaftskapital der KG hielten, fehlte es im Streitfall daran, dass diese theoretisch denkbare gesamthänderische Beherrschung tatsächlich wegen der nicht zum Nachlass gehörenden "Altanteile" einzelner Erben nicht vorlag, da keine grunderwerbsteuerliche Beherrschung der GmbHs von 95 % beim Erblasser vorgelegen hatte und auch bei der Einbringung der GmbH-Anteile in die KG nicht bestanden hat. Denn eine solche Beherrschung, die sich über die KG fortgesetzt haben könnte, wäre wenn überhaupt erst mit dem Erbfall begründet worden und ließe sich bezogen auf die GmbH-Anteile auch nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge heraus zu einem früheren Zeitpunkt herleiten. Vor dem Erbfall bestand demnach keine Anteilsmehrheit des Erblassers an den GmbHs im grunderwerbsteuerlich erforderlichen Umfang von 95 %.
Einordnung in die bisherige BFH-Rechtsprechung
Daran ändert auch die bisherige BFH-Rechtsprechung nichts (Urteile vom 21.08.2019, II R 21/19 und II R 15/19, und vom 22.08.2019, II R 18/19), wonach § 6a S. 4 GrEStG dahingehend auszulegen ist, dass die Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie auf Grund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Somit war es zwar bezogen auf den Einbringungsvorgang nicht schädlich, dass die KG erst neu entstanden ist und daher nicht vorher "herrschen" oder "abhängig sein" konnte, dennoch hätte bei der Einbringung ein "herrschendes Unternehmen" schon "beherrschen" müssen. Eine solche "Beherrschung" zwischen den Beteiligten des Einbringungsvorgangs, also den Kommanditisten und der KG, lag aber nicht vor; sie waren auch nicht beide von "einem" anderen herrschenden Unternehmen abhängig. Auch kann nach Ansicht des FG aus der Fiktion des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wonach es bei einer Anteilsvereinigung zu einem fiktiven Erwerb des Grundbesitzes von der vereinigten Gesellschaft kommt, keine "Beteiligung" der GmbHs an dem Rechtsvorgang der Einbringung hergeleitet werden.
Betroffene Normen
§ 6a GrEStG
Streitjahr 2017
Fundstelle
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 01.12.2022, 5 K 852/21, BFH-anhängig: II R 2/23
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19, BStBl. II 2020, S. 352, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19, BStBl. II 2020, S. 344, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, S. 329, siehe Deloitte Tax News