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21.01.2011
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

FG Hamburg: Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ansatzes von Grundbesitzwerten für die Grunderwerbsteuer

Mit Beschluss vom 04.05.2011 hat der BFH die Entscheidung des FG Hamburg aufgehoben und den AdV-Antrag abgelehnt. Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel hinsichtlich der Bemessung der Grunderwerbsteuer nach Grundbesitzwerten sei keine AdV zu gewähren, da nicht davon auszugehen sei, dass eine Entscheidung des BVerfG (in den durch die Vorlagebeschlüsse vom 02.03.2011 - II R 64/08 und II R 23/10 - eingeleiteten Verfahren 1 BvL 13/11 sowie 1 BvL 14/11) zu einer Änderung bereits ergangener Steuerbescheide führen werde. Mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung durch das Finanzamt sei dem Rechtsschutzinteresse daher Genüge getan.
BFH, Beschluss vom 04.05.2011, II B 151/10, nicht amtlich veröffentlicht
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FG Hamburg
Wird ein Grundstück von dem Gesellschafter einer KG in die KG eingebracht und die KG innerhalb von fünf Jahren formwechselnd in eine AG umgewandelt, ist die Grunderwerbsteuer für die Einbringung in voller Höhe zu erheben. Das gilt auch, wenn die spätere Umwandlung im Zeitpunkt der Einbringung noch nicht geplant oder abgesprochen war. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Ansatz gesondert festgestellter Grundbesitzwerte für die Bemessung der Grunderwerbsteuer bei einer Einbringung im Jahr 2006 verfassungsmäßig ist.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darum, ob eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG wieder entfällt, wenn zwei Jahre nach Einbringung eines Grundstücks in eine Kommanditgesellschaft diese formwechselnd in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird. Alleinige persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitalbeteiligung der in 2006 gegründeten C GmbH & Co. KG (KG) war die D GmbH, deren Geschäftsführer Herr C war. Alleiniger Kommanditist wurde ebenfalls Herr C. Die Kommanditeinlage war durch Einbringung von Grundstücken zu leisten. In 2008 beschlossen die Gesellschafter der KG deren Umwandlung durch Formwechsel in eine AG (Antragstellerin). Alleiniger Aktionär der AG ist Herr C. Das Finanzamt behandelte die Übertragung der Grundstücke auf die KG zunächst als nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei. Nach der Anzeige des Formwechsels stellte das Finanzamt die Grundbesitzwerte durch entsprechende Feststellungsbescheide fest und setzte anschließend Grunderwerbsteuer fest. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) sowohl der Feststellungsbescheide als auch des Grunderwerbsteuerbescheids. Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG erfüllt ist. Nach § 5 Abs. 2 GrEStG wird die Steuer, wenn ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand übergeht, in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Diese Regelung ist nach der Bestimmung in Absatz 3 der Vorschrift jedoch insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. Herr C übertrug das ihm allein zustehende Eigentum an den streitgegenständlichen Grundstücken auf die KG, an deren Vermögen er zu 100 % beteiligt war, so dass die Grunderwerbsteuer für diesen Vorgang nach § 5 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe zunächst nicht zu erheben war und durch das Finanzamt auch nicht erhoben wurden. Durch den zwei Jahre später durchgeführten Formwechsel wurde der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG jedoch erfüllt. Bei einem Formwechsel bleibt der Rechtsträger zwar identisch, er erhält aber eine andere Rechtsform. Der Gesellschafter der Personengesellschaft war in einem derartigen Fall vor dem Formwechsel am Vermögen der Gesellschaft gesamthänderisch beteiligt. Nach dem Formwechsel hält der Anteilseigner hingegen nur noch Anteile an der Kapitalgesellschaft, die als juristische Person nunmehr alleinige Eigentümerin des Vermögens und damit auch etwaiger Grundstücke ist. Der Anteilseigner verliert seine frühere gesamthänderische Beteiligung an den Grundstücken. Folglich verminderte sich der Anteil des Herrn C am Vermögen der Gesamthand, der KG, durch den zwei Jahre nach der Einbringung durchgeführten Formwechsel auf 0, sodass die Anwendung des § 5 Abs. 2 GrEStG nachträglich ausgeschlossen wurde.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides ist aber deshalb ernstlich zweifelhaft, weil Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Ansatzes der gesondert festgestellten Grundstückswerte (§ 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG) bestehen. Die verfassungsrechtlichen Zweifel betreffen nicht nur die Feststellungsbescheide als Grundlagenbescheide (vgl. hierzu Beschluss des FG Münster vom 04.08.2010), sondern auch die Grunderwerbsteuerbescheide, in denen sich die Steuer nach den Grundbesitzwerten bemisst (vgl. BFH-Beschluss vom 27.05.2009). Der Gesetzgeber hat die vom BVerfG festgestellten Verfassungsverstöße bei der Grundbesitzbewertung nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, nicht aber für die Grunderwerbsteuer für nach dem 31.12.2008 verwirklichte Erwerbsvorgänge mit Wirkung ab dem 01.01.2009 beseitigt. Daher kommt nunmehr eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG - und zwar auch für Besteuerungszeitpunkte vor dem 01.01.2009 - in Betracht. Sollte das BVerfG die Bestimmung des § 8 Abs. 2 GrEStG und unter Umständen auch die Tarifvorschrift des § 11 Abs. 1 GrEStG für verfassungswidrig und nichtig erklären, könnte die Grunderwerbsteuer wegen Fehlens einer Bemessungsgrundlage oder eines Steuersatzes nicht festgesetzt werden.

Im Streitfall steht dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer geordneten Haushaltsführung nicht entgegen. Insbesondere würde die Aussetzung der Vollziehung im Ergebnis nicht zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen. Die Regelung in § 8 Abs. 2 GrEStG betrifft nur bestimmte (Ausnahme-) Fallgestaltungen im Rahmen der grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestände, so dass von der Aussetzung keine Breitenwirkung ausgeht (ebenso FG Münster, Beschluss vom 04.08.2010). AdV wird (nur) bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens angeordnet, denn ein Klageverfahren in der Hauptsache ist noch nicht anhängig und es ist davon auszugehen, dass sich die allein zweifelhafte Rechtsfrage, die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG, während des Einspruchsverfahrens klären wird, weil das Verfahren bis zum Abschluss des vor dem BFH anhängigen Verfahrens II R 64/08 ruhen oder der angefochtene Bescheid für vorläufig erklärt wird. Das FG Hamburg hat die Beschwerde zugelassen, weil noch keine höchstrichterliche Entscheidung zur AdV in einem vergleichbaren Fall vorliegt (vgl. Beschluss des FG Münster vom 04.08.2010, gegen den offenbar keine Beschwerde eingelegt wurde).

Betroffene Normen

§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GrEStG, § 138ff BewG, § 5 Abs. 2 GrEStG, § 5 Abs. 3 GrEStG
Streitjahr 2006

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 12.11.2010, 3 V 153/10, Beschwerde zugelassen

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 27.05.2009, II R 64/08, BStBl II 2009, S. 856, Beitrittsaufforderung an das BMF
Finanzgericht Münster, Beschluss von 04.08.2010, 3 V 936/10 F, BB 2010, S. 2206
BVerfG, Beschluss vom 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, S. 192
Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass vom 01.04.2010, 3 - S 0338/58, DStR 2010, S. 1239, siehe Zusammenfassung in Deloitte Tax-News

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