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03.12.2020
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft

Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist für eine Anteilsvereinigung i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung). Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95% der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, war mit 100% an der B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH war wiederum als Kommanditistin zu 95% am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden KG beteiligt. Weitere Kommanditistin der KG mit einem Anteil von 5% am Gesellschaftsvermögen war die G-GmbH. Komplementärin der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen war die A-GmbH. An der A-GmbH war mit 100% die V-GmbH beteiligt. In 2011 verkaufte die V-GmbH ihre 100% Anteile an der A-GmbH an die Klägerin. Des Weiteren verkaufte die G-GmbH ihre 5%ige Kommanditbeteiligung an der KG an die B-GmbH. Nach den Verkäufen und in der Folge durchgeführten Übertragungen waren somit an der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen die A-GmbH als Komplementärin und als Kommanditistin die B-GmbH zu 100% am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Die Klägerin war sowohl an der B-GmbH als auch an der A-GmbH zu 100% beteiligt.

Finanzamt und FG gingen davon aus, dass der Erwerb der Kommanditbeteiligung an der KG seitens der B-GmbH und der Erwerb aller Anteile an der A-GmbH seitens der Klägerin den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt hätten und setzten gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest.

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Schluss, dass die Erwerbsvorgänge keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand begründen. Für eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist aus Sicht des BFH auch bei einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Gesellschaft maßgebend.

Gesetzliche Grundlage

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer – soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt – ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95% der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.

Begriff der grundbesitzenden Gesellschaft

Grundbesitzende Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann nach Ansicht des BFH sowohl eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein. Der Wortlaut der Vorschrift, der von "Vermögen" und "Anteil" an einer grundbesitzenden "Gesellschaft" spricht, differenziere insoweit nicht.

Auslösung der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG

Die Steuerbarkeit wird durch die erstmalige Vereinigung der Anteile und hierbei durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt (vgl. BFH-Urteile vom 12.03.2014, II R 51/12 und vom 27.09.2017, II R 41/15).

Voraussetzung für das Vorliegen eines mittelbaren Anteilserwerbs

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH kommt es für das Vorliegen eines mittelbaren Anteilserwerbs entscheidend auf die rechtlich begründete Einflussmöglichkeit auf die grundbesitzende Gesellschaft an. Dies setzt voraus, dass der Anteilserwerber bei der Zwischengesellschaft bzw. den Zwischengesellschaften und der Grundstücksgesellschaft die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen (vgl. BFH-Urteile vom 12.03.2014, II R 51/12 und vom 27.09.2017, II R 41/15).

Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft

Wird die Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten, ist nach der BFH-Rechtsprechung für die Beurteilung, ob mittelbar mindestens 95% der Anteile i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden, in Hinblick auf die zwischengeschaltete Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung des erwerbenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, welchem sich mittlerweile auch die Finanzverwaltung in ihren koordinierten Ländererlassen vom 19.09.2018 angeschlossen hat; ebenso bereits – nur für die mittelbare Beteiligungsebene –[ZN2] BFH-Urteil vom 12.03.2014, II R 51/12, Hinweis: für die unmittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft vertritt der BFH in diesem Urteil eine abweichende Auffassung, siehe zu der Problematik aber unter „Anmerkung“). Der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft vermittelt regelmäßig, soweit er mindestens 95% beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.

Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft

Dieselben Grundsätze gelten nach Auffassung des BFH, wenn die grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft ist und es sich bei der zwischengeschalteten Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt. Anteil der grundbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei auch in diesem Falle der Anteil an deren Vermögen und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung. Für den Fall der mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft hatte der BFH bereits mit Urteil vom 12.03.2014 (II R 51/12) entschieden[ZN3] , dass als Anteil i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen maßgeblich ist (abweichende Auffassung hier aber für die unmittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft). Das sieht mittlerweile auch die Finanzverwaltung so (Koordinierte Ländererlasse vom 19.09.2018).

Weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr steuerbar

Hält der Erwerber bereits mittelbar mindestens 95% der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer mittelbarer Anteilserwerb aus Sicht des BFH nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. 

Streitfall

Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin bereits vor den Erwerbsvorgängen durch ihre 100%ige Beteiligung an der zwischengeschalteten B-GmbH, die ihrerseits 95% der Anteile am Vermögen der KG hielt, mittelbar zu 95% an der KG beteiligt. Der mittelbaren Beteiligung der Klägerin an der KG i.H.v. mindestens 95% steht damit nach Ansicht des BFH nicht entgegen, dass vor den Anteilsverkäufen die G-GmbH als weitere Kommanditistin und die A-GmbH als Komplementärin an der KG beteiligt waren. Denn für die mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden KG kommt es auf den Anteil am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft an, so der BFH.

Anmerkung

Unmittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft

Der BFH vertritt in seinem Urteil vom 27.05.2020 in einem obiter dictum die Auffassung, dass viel dafür spreche, dass auch für die unmittelbare Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen (gesamthänderische Mitberechtigung) maßgebend sei. Die Finanzverwaltung ist demgegenüber unterschiedlicher Ansicht. In ihren gleich lautenden Ländererlassen vom 19.09.2018 vertreten die obersten Finanzbehörden der Länder die Auffassung, dass bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Personengesellschaften die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen und bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgebend ist (ebenso auch noch der BFH in seinem Urteil vom 12.03.2014, II R 51/12). 

Betroffene Normen

§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG

Streitjahr ​2011​​

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.10.2016, 12 K 15054/13, EFG 2018, S. 864 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27.05.2020, II R 45/17, BStBl. II 2021, S. 315

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, BStBl II 2018, S. 667, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 12.03.2014, II R 51/12, BStBl II 2016, S. 356, siehe Deloitte Tax-News 

Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Ländererlasse vom 19.09.2018 

Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Ländererlasse vom 09.12.2015, BStBl I 2016, S. 477​ 

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