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21.06.2013
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft

Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Kapital- und Personengesellschaften sind hierbei gleichermaßen als transparent zu betrachten. Eine Grunderwerbsteuer auslösende Veränderung der Beteiligungsverhältnisse ist nur dann gegeben, wenn sich der Bestand der Rechtsträger (natürliche und juristische Personen außer Kapitalgesellschaften), die wirtschaftlich hinter einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft als Gesellschafterin beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaft stehen, vollständig ändert.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine grundstücksbesitzende GmbH & Co KG. Alleingesellschafterin der mit 6 % an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligten persönlich haftenden Gesellschafterin (A-GmbH) ist eine weitere GmbH (C-GmbH), deren alleinige Gesellschafterin zunächst die I-AG war. Die I-AG veräußerte zum 01.01.2005 die Hälfte ihrer Beteiligung an der C-GmbH an die K (Anstalt des öffentlichen Rechts). Den restlichen Anteil an der C-GmbH übertrug die I-AG am 31.03.2006 auf eine 100%ige Tochtergesellschaft (I-GmbH). Die einzige Kommanditistin der Klägerin, die G-AG, übertrug ihre Beteiligung (94 %) an der Klägerin am 16.03.2006 auf die H-GmbH.

Das Finanzamt stellte fest, dass bei der Klägerin am 31.03.2006 ein Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden habe. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG war der Ansicht, der Gesellschafterbestand der Klägerin habe sich durch die Übertragung der Kommanditbeteiligung der G-AG auf die H-GmbH zu 94 % unmittelbar geändert. Aufgrund der Übertragung der Beteiligung der I-AG an der C-GmbH auf die K und die I-GmbH je zur Hälfte habe sich der Gesellschafterbestand der Klägerin zu weiteren 6 % mittelbar geändert.

Entscheidung

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG wurde entgegen der Ansicht des FG nicht verwirklicht. Die unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes durch die Übertragung der Kommanditbeteiligung der G-AG auf die H-GmbH betraf lediglich 94 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin. Zu weiteren zu berücksichtigenden Änderungen des Gesellschafterbestandes der Klägerin ist es nicht gekommen. Die Veränderungen auf den Beteiligungsebenen oberhalb der persönlich haftenden Gesellschafterin, der A-GmbH, erfüllen nicht das Tatbestandsmerkmal der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes der Klägerin.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG).

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft liegt nach übereinstimmender Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle (BFH-Urteile vom 29.02.2012 und vom 16.01.2013). Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft ist hingegen nach Auffassung des BFH nur nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet hier aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt.

Eine an wirtschaftlichen Gesichtspunkten und am Sinn und Zweck der Regelung ausgerichtete Auslegung, erfordert es, Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen über alle Beteiligungsebenen als transparent zu behandeln. Dabei sind nur diejenigen Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen relevant, durch die solche Rechtsträger neu beteiligt werden, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können (natürliche und juristische Personen außer Kapitalgesellschaften).

Soweit die Finanzverwaltung (gleich lautende Erlasse vom 25.10.2010) danach unterscheidet, ob an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft wiederum eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, vermag dem der BFH nicht beizutreten. Nach der Erlassregelung soll bei Beteiligung einer Personengesellschaft auf deren jeweilige Beteiligungsverhältnisse abzustellen und dementsprechend durchzurechnen sein, und zwar auch bei mehrstöckigen Personengesellschaften. Bei der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft soll eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft demgegenüber dann vorliegen, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar um mindestens 95 % ändern. Bei mehrstufigen Beteiligungen von Kapitalgesellschaften soll die Prüfung, ob die 95%-Grenze erreicht ist, für jede Beteiligungsebene gesondert vorgenommen werden. Gehen bei einer Kapitalgesellschaft 95 % der Anteile auf neue Anteilseigner über, soll die Beteiligung der Kapitalgesellschaft an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft in voller Höhe bei der Ermittlung des Prozentsatzes i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen sein. Für diese Differenzierungen, die zu einer Ungleichbehandlung je nach der Rechtsform der an der grundstücksbesitzenden Gesamthand unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft führen, gibt das Gesetz keine Rechtsgrundlage.

Eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an einer im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum unmittelbar an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gebliebenen Kapital- oder Personengesellschaft lässt diese nur dann fiktiv zu einer neuen Gesellschafterin werden, wenn sich in diesem Zeitraum deren Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren Beteiligungsebenen, im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat. Ein nicht vollständiger Wechsel genügt nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG. Dass auf der Ebene der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft selbst lediglich ein Übergang von 95 % der Anteile erforderlich ist, lässt ohne gesetzliche Regelung nicht den Schluss zu, dass dies auch für die Frage gilt, unter welchen Voraussetzungen bei einem mittelbaren Gesellschafterwechsel ein fiktiver Übergang der Beteiligung der zivilrechtlich an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter vorliegt.

Im Streitfall ist es über die unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes der Klägerin durch die Übertragung des 94%-Anteils der G-AG am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf die H-GmbH hinaus zu keiner (mittelbaren) Änderung des Gesellschafterbestandes der Klägerin gekommen. Denn die Anteilsübertragung auf die I-GmbH spielt im Rahmen des Tatbestands des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG keine Rolle, weil die I-AG und somit auch ihre Gesellschafter über ihre Tochtergesellschaft I-GmbH mittelbar an der Klägerin beteiligt geblieben sind.

Betroffene Norm
§ 1 Abs. 2a GrEStG
Streitjahr 2006

Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2010, 7 K 1410/09 GE, EFG 2010, S. 1240

Fundstelle
BFH, Urteil vom 24.04.2013, II R 17/10

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 29.02.2012, II R 57/09, BStBl II 2012, S. 917, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.01.2013, II R 66/11, BFH/NV 2013, S. 653, siehe Deloitte Tax-News
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25.02.2010, BStBl I 2010, S. 245

Englische Zusammenfassung

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