BFH: Grunderwerbsteuer bei Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch einen Treuhänder
Ein Treuhänder kann den Tatbestand der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) erfüllen, wenn sich in seiner Hand erstmalig alle Anteile einer grundbesitzenden GmbH unmittelbar oder mittelbar vereinigen. Es kommt nicht darauf an, dass der Treuhänder einen Teil der Anteile für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft durch einen Treuhänder bei diesem der Grunderwerbsteuer i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt.
Der Kläger war zusammen mit seinem Bruder B jeweils zur Hälfte Gesellschafter der X GmbH. Die X GmbH war Eigentümerin eines Grundstücks in A. Der Kläger, sein Bruder und die X GmbH haben jeweils 33,33 % der Anteile der Y GmbH gehalten. Diese war Eigentümerin von zwei Grundstücken.
Mit notariellem Vertrag vom 03.08.2012 schloss der Kläger mit Herrn D einen Geschäftsanteilskauf- und Treuhandvertrag ab. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Kläger treuhänderisch für D Geschäftsanteile des B in Höhe von 10 % an der X GmbH und in Höhe von 6,67 % an der Y GmbH zu erwerben. Gleichzeitig verpflichtete sich D diese beiden Geschäftsanteile sodann von dem Kläger zu erwerben. Im gleichen Vertrag wurde auch die Abtretung der Geschäftsanteile von dem Kläger an D geregelt.
Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 10.08.2012 hat der Kläger von B dessen sämtliche Geschäftsanteile an beiden GmbHs erworben. Die Abtretung der Anteile ist mit sofortiger Wirkung in derselben Urkunde erfolgt.
Das Finanzamt hat die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an der X GmbH und an der Y GmbH durch Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 10.08.2012 festgestellt. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Hinweis: Gegenstand des Revisionsverfahrens war nur noch die Frage der Anteilsvereinigung an der Y GmbH, da das FG-Urteil die Feststellung der Anteilsvereinigung an der X GmbH betreffend bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben war.
Entscheidung
Der BFH bestätigt die Ansicht des FG, dass sich aufgrund des notariellen Vertrags vom 10.08.2012 alle Anteile der Y GmbH in der Hand des Klägers vereinigt haben und diese Vereinigung der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt. Der Umstand, dass der Kläger einen Teil der Anteile treuhänderisch für einen Dritten erworben hat, lässt keine andere Beurteilung zu.
Gesetzliche Grundlage
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.
Dieser Tatbestand erfasst die infolge der Vereinigung der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken. Die Vorschrift will die Sachherrschaft erfassen, die jemand hinsichtlich des Gesellschaftsgrundstücks aufgrund der rechtlichen Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile erlangt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 22.01.2019, II B 98/17).
Anteilsvereinigung bei Treuhandschaft
Die mögliche Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann dadurch erfolgen, dass sich die Anteile in der Hand des Erwerbers teils unmittelbar und teils mittelbar vereinigen (BFH-Urteil vom 04.03.2020, II R 2/17). Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird (BFH-Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15).
Dies gilt nach Ansicht des BFH auch für einen Treuhänder, der die sich in seiner Hand vereinigenden Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt. Er kann Erwerber im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG sein. Ein Treuhandverhältnis kann unter anderem dadurch begründet werden, dass der Treuhänder Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Auftrag des Treugebers von einem Dritten erwirbt. Der Treuhänder ist dann unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 03.03.2015, II R 30/13).
Keine entgegenstehende BFH-Rechtsprechung
Die BFH-Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Personengesellschaften durch schuldrechtliche Bindungen hinsichtlich des Anteils am Gesellschaftsvermögen (BFH-Urteile vom 09.07.2014, II R 49/12 und vom 17.05.2017, II R 35/15 sowie vom 30.08.2017, II R 39/15) steht der Annahme einer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Anteilsvereinigung bei Erwerb durch einen Treuhänder nicht entgegen. Sie ist dem BFH zufolge zu anderen Sachverhalten ergangen und enthält keine Aussage zu der Frage, ob auch in der Hand eines Treuhänders, der zivilrechtlicher Eigentümer von Gesellschaftsanteilen wird, durch die Übertragung dieser Anteile, die zu einer erstmaligen Vereinigung von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile führt, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht werden kann.
Auch hindert das BFH-Urteil vom 03.03.2015, II R 30/13, nicht die Annahme einer steuerbaren Anteilsvereinigung bei dem erwerbenden Treuhänder, so der BFH. Diese Entscheidung besagt lediglich, dass bei Begründung eines Treuhandverhältnisses hinsichtlich eines Anteils an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft der Treuhänder unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter ist. Danach erfüllt auch der Treuhänder den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn er Inhaber von mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile und dadurch unmittelbarer Gesellschafter der Gesellschaft wird.
Schließlich führt auch die BFH-Rechtsprechung, nach der die bloße Auswechslung eines Treuhänders nicht zu einem steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führt (BFH-Urteil vom 16.07.1997, II R 8/95 sowie BFH-Beschluss vom 22.01.2019, II B 98/17) nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Rechtsprechung erging zu der Frage, ob der Treugeber den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG bei der Auswechslung des Treuhänders erfüllt, wenn sich Anteile an einer Gesellschaft mittelbar in seiner Hand vereinigen. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Frage, ob ein Treuhänder bei dem unmittelbaren (Zu-)Erwerb von Gesellschaftsanteilen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklichen kann, betrifft einen anderen Sachverhalt, zu dem die zitierte Rechtsprechung keine Aussage enthält.
Ergebnis im Streitfall
Nach diesen Grundsätzen haben sich aufgrund des notariell beurkundeten Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 10.08.2012 erstmals alle Anteile der Y GmbH in der Hand des Klägers vereinigt und diese Vereinigung hat die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöst.
Die Anteile an der grundbesitzenden Y GmbH haben vor der Übertragung am 10.08.2012 jeweils zu 33,33 % der Kläger, sein Bruder und die X GmbH gehalten. Durch den notariellen Vertrag vom 10.08.2012 hat der Kläger unmittelbar die restlichen 50 % der Anteile an der X GmbH und dadurch mittelbar weitere 33,33 % der Anteile an der Y GmbH erworben. Im Übrigen hat er in derselben notariell beurkundeten Vereinbarung die restlichen 33,33 % an der Y GmbH von seinem Bruder erworben.
Deshalb war der Kläger nach der Übertragung am 10.08.2012 zu 2/3 unmittelbarer und zu 1/3 mittelbarer Gesellschafter der Y GmbH. Alle Anteile der grundbesitzenden Y GmbH haben sich damit zum ersten Mal in der Hand des Klägers gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vereinigt. Der Umstand, dass der Kläger einen Teil dieser Geschäftsanteile durch die Treuhandvereinbarung vom 03.08.2012 für einen Dritten (D) erworben hat, ist unerheblich, da er auch als Treuhänder unmittelbarer Gesellschafter der Y GmbH war.
Betroffene Norm
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
Streitjahr: 2012
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, 09.07.2021, 5 K 1880/19
Fundstelle
BFH, Urteil vom 10.04.2024, II R 34/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 04.03.2020, II R 2/17, BStBl. II 2020, S. 511
BFH, Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, BStBl. II 2018, S. 667 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 03.03.2015, II R 30/13, BStBl. II 2015, S. 777
BFH, Urteil vom 09.07.2014, II R 49/12, BStBl II 2016, S. 57, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 25.11.2015, II R 18/14, BFH/NV 2016, S. 490, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 30.08.2017, II R 39/15, BFH/NV 2018, S. 291, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.07.1997, II R 8/95, BFH/NV 1998, S. 81
BFH, Beschluss vom 22.01.2019, II B 98/17, BFH/NV 2019, S. 412