BFH: GrESt-Befreiung bei Anteilsvereinigung aufgrund gemischter Schenkung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft
Sachverhalt
Der Kläger erhielt im Jahr 1997 von seinem Vater (V) unentgeltlich einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von 41 % des Stammkapitals an der grundbesitzenden (GmbH). Am 18.06.2008 übertrug V im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen verbliebenen Geschäftsanteil von 59 % auf den Kläger. Dieser verpflichtete sich, an V auf dessen Lebenszeit als dauernde Last monatlich einen Betrag zu zahlen. Weitere Gegenleistungen hatte der Kläger nicht zu erbringen.
Das Finanzamt setzte wegen der Vereinigung aller Anteile an der GmbH in der Hand des Klägers Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger für die Übertragung des Geschäftsanteils die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG begehrte, blieb ohne Erfolg. Die Klage, die sich wegen des für die Anteilsübertragung gezahlten Entgelts und des Verwandtschaftsverhältnisses zusätzlich auf die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG richtete, wurde abgewiesen.
Entscheidung
Die Anteilsvereinigung ist entgegen der Auffassung des FG von der Grunderwerbsteuer befreit (§ 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG), soweit die Anteile an der GmbH dem Kläger freigebig zugewendet wurden. Soweit der am 18.06.2008 übertragene Anteil an der GmbH von 59 % wegen der vereinbarten dauernden Last entgeltlich übertragen wurde, hat das FG zutreffend entschieden, dass eine Steuerbefreiung (§ 3 Nr. 6 GrEStG) nicht zu gewähren ist; die Anteilsvereinigung ist insoweit grunderwerbsteuerpflichtig.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Im Streitfall ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der Kläger, der bereits Inhaber eines GmbH-Geschäftsanteils von 41 % war, hat aufgrund des notariell beurkundeten Vertrags vom 18.06.2008 einen Anspruch auf Übertragung des weiteren GmbH-Geschäftsanteils von 59 % erworben. Nach der Übertragung war der Kläger alleiniger Anteilseigner der GmbH. Der damit verbundene (fiktive) Erwerb der Grundstücke der GmbH durch den Kläger ist steuerbar.
Nach § 3 Nr. 2 GrEStG sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S.d. ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG ist auch auf eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG anzuwenden, die auf einer schenkweisen Übertragung von Gesellschaftsanteilen beruht. Der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung steht nicht entgegen, dass in diesem Fall grunderwerbsteuerrechtlich ein Grundstückserwerb von der Gesellschaft und schenkungsteuerrechtlich ein Erwerb des Gesellschaftsanteils von dem früheren Gesellschafter besteuert wird. Für die Anwendung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG auch auf Anteilsvereinigungen ist maßgebend, dass nur ein Lebenssachverhalt - die freigebige Zuwendung eines Anteils an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft - gegeben ist, der der Schenkungsteuer unterliegt. Die durch die schenkweise Zuwendung eines Anteils ausgelöste Anteilsvereinigung ist - zur Vermeidung der Doppelbelastung - insoweit von der Grunderwerbsteuer zu befreien, als sie auf dieser freigebigen Zuwendung beruht.
Der Umfang der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG für den fiktiven Grundstückserwerb bestimmt sich damit nicht nur nach dem zuletzt schenkweise übertragenen Anteil, der die Anteilsvereinigung auslöst, sondern danach, inwieweit die Anteile in der Hand des Erwerbers diesem insgesamt freigebig zugewendet wurden. Soweit in den BFH-Urteilen vom 31.03.1982 und vom 08.06.1988 zur Anwendung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG eine andere Rechtsauffassung vertreten wurde, wird daran nicht mehr festgehalten.
Im Streitfall hat der Kläger von V Anteile an der GmbH im Jahr 1997 in Höhe von 41 % unentgeltlich und am 18.06.2008 in Höhe von 59 % gegen Zahlung einer dauernden Last erhalten. Soweit im Streitfall der Anteil an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft entgeltlich erworben wurde, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG nicht in Betracht. Nach § 3 Nr. 6 S. 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind. § 3 Nr. 6 S. 1 GrEStG ist eine personenbezogene Steuerbefreiung, weil sie auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber abstellt. Eine solche personenbezogene Steuerbefreiung ist auf die Vereinigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht anwendbar. Denn § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG besteuert einen fiktiven Grundstückserwerb von der Kapitalgesellschaft. Zwischen der Kapitalgesellschaft und demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft hält, kann ein Verwandtschaftsverhältnis nicht bestehen. Die Annahme einer Transparenz der Kapitalgesellschaft widerspricht auch dem eindeutigen Regelungswillen des Gesetzgebers.
Bei einer steuerbaren Anteilsvereinigung sind die festgestellten Grundbesitzwerte (§ 138 Abs. 2 bis 4 BewG) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG). Soweit Anteile gegen Entgelt übertragen wurden, ist § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG eine Sonderregelung zu § 8 Abs. 1 GrEStG, wonach sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung bemisst. Dies schließt es aus, in den Fällen des § 8 Abs. 2 GrEStG die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung zu bemessen
Die Sache ist nicht spruchreif. Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, inwieweit der Kläger den zuletzt übertragenen Anteil in Höhe von 59 % entgeltlich bzw. unentgeltlich erworben hat und in welcher Höhe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer anzusetzen ist. Das FG wird daher den Verkehrswert dieses Anteils und der vom Kläger übernommenen Verpflichtung zur Zahlung einer dauernden Last noch festzustellen haben. Soweit dieser Anteil unentgeltlich übertragen wurde, ist die Anteilsvereinigung ebenfalls steuerbefreit.
Betroffene Norm § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, § 3 Nr. 6 GrEStG, § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG
Vorinstanz
Finanzgericht Köln, 17.02.2010, 5 K 3962/08, EFG 2010, S. 1151
Fundstelle
BFH, Urteil vom 23.05.2012, II R 21/10, BStBl II 2012, S. 793
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 31.03.1982, II R 92/81, BStBl II 1982, S. 424
BFH, Urteil vom 08.06.1988, II R 143/86, BStBl II 1988, S. 785