BFH: Einhalten der Vorbehaltensfrist bei Ausgliederung zur Aufnahme
Bei der Ausgliederung zur Aufnahme muss die fünfjährige Vorbehaltensfrist i.S.d. § 6a S. 4 GrEStG auch dann eingehalten werden, wenn das abhängige Unternehmen erst innerhalb der fünfjährigen Vorbehaltensfrist gegründet und im Anschluss innerhalb dieses Zeitraums auf diese Gesellschaft Vermögen im Wege der Aufnahme übertragen wurde.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine 100%-ige Tochter der X AG, wurde 2017 gegründet und im April 2017 ins Handelsregister eingetragen.
Mit Ausgliederungsvertrag vom 07.07.2017 übertrug die X AG aus ihrem Vermögen einen Teilbetrieb auf die Klägerin. Die Übertragung erfolgte im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme. Die Übertragung erfolgte im Innenverhältnis zum 01.01.2017 gegen Gewährung eines neuen Geschäftsanteils an der übernehmenden Gesellschaft an die übertragende Gesellschaft.
Das Finanzamt berücksichtigte die Steuervergünstigung des § 6a S. 1 GrEStG für den im Rahmen der Umwandlung verwirklichten Grundstückserwerb der Klägerin nicht. Das hielt auch das FG für zutreffend.
Entscheidung
Der BFH kommt in Übereinstimmung mit dem FG zu dem Ergebnis, dass die Anwendung der Steuervergünstigung des § 6a S. 1 GrEStG an der nicht eingehaltenen Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG scheitert.
Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG
Die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer setzt nach § 6a GrEStG voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang eine oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. § 6a S. 3 und 4 GrEStG verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist).
Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG. Eine vor oder nach der Umwandlung nicht existente Gesellschaft kann die in § 6a S. 4 GrEStG bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen (BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19 (II R 56/15)).
Die in § 6a S. 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie auf Grund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Das gilt bei der Verschmelzung sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige Gesellschaft als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Die Nachbehaltensfrist muss bei der Verschmelzung und die Vorbehaltensfrist bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nicht eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen (Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19 (II R 56/15)).
Nichteinhaltung der Vor- oder Nachbehaltensfrist nur aus umwandlungsbedingten Gründen
Die Nichteinhaltung der Vorbehaltens- oder Nachbehaltensfrist muss auf umwandlungsbedingten Gründen beruhen. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung kann die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht. Bei der Ausgliederung zur Aufnahme durch Übertragung eines Teils oder von Teilen jeweils als Gesamtheit auf einen oder mehrere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) entsteht die ausgegliederte Gesellschaft nicht durch die Umwandlung neu. Vielmehr bestanden beide am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften schon vor der Ausgliederung. Die Vorbehaltensfrist kann in einem solchen Fall eingehalten werden. Deshalb ist eine Auslegung des § 6a S. 4 GrEStG dahingehend, dass auch dann, wenn bei einer Ausgliederung zur Aufnahme das abhängige Unternehmen erst innerhalb der fünfjährigen Vorbehaltensfrist gegründet und im Anschluss innerhalb dieses Zeitraums auf diese Gesellschaft Vermögen im Wege der Aufnahme übertragen wurde, die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden muss, nicht möglich.
Ergebnis im Streitfall
Danach war die Steuerbegünstigung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel im Streitfall zu versagen. Die Einhaltung der Vorbehaltensfrist war weder rechtlich noch faktisch unmöglich und hätte durch eine Ausgliederung zu einem späteren Zeitpunkt eingehalten werden können.
Betroffene Normen
§ 6a S. 1-4 GrEStG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG 1995, § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG 1995
Streitjahr 2017
Anmerkung
Einordnung des Urteils in die bisherige Rechtsprechung
Ausgliederung zur Aufnahme: Divergenz zum Beschluss des FG Nürnberg vom 27.06.2013, 4 V 1742/12
Das FG Nürnberg (Beschluss vom 27.06.2013, 4 V 1742/12) hatte Zweifel daran, ob bei einer Ausgliederung zur Aufnahme die Vorbehaltensfrist nach § 6a S. 4 GrEStG einzuhalten sei. Der BFH hat zwischenzeitlich aber eindeutig entschieden, dass die Vorbehaltensfrist nur in den Fällen nicht einzuhalten ist, in denen dies umwandlungsbedingt nicht möglich ist (BFH, Urteile vom 21.08.2019, II R 19/19 (II R 63/14) und II R 21/19 (II R 56/15), siehe Deloitte Tax News). Dies gilt bei Ausgliederungen nur für solche zur Neugründung, bei der im Rahmen der Ausgliederung die aufnehmende Gesellschaft neu entsteht, nicht aber wie im Streitfall für Ausgliederungen zur Aufnahme, wo die aufnehmende Gesellschaft bereits vor der Ausgliederung existierte.
Einbringung zur Neugründung: Anhängiges Verfahren (II R 33/23)
Das FG Sachsen hat mit Urteil vom 09.11.2023, 2 K 939/20, BFH-anhängig: II R 33/23, entschieden, dass für den Fall, dass eine Muttergesellschaft die Anteile an einer Tochterkapitalgesellschaft, welche mittelbar sämtliche Anteile an Personengesellschaften mit inländischem Grundbesitz hält, auf eine neugegründete Tochterkapitalgesellschaft überträgt, die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden kann und dies der Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel nach § 6a GrEStG nicht entgegen steht. Der BFH wird nun darüber zu entscheiden haben, ob die Vorbehaltensfrist im o.g. Streitfall als erfüllt anzusehen ist und somit § 6a S. 4 GrEStG auch bei der Einbringung zur Neugründung teleologisch zu reduzieren ist.
Der BFH hat bislang entschieden, dass in bestimmten Fällen (im Hinblick auf die Vorbehaltensfrist bei der Aufspaltung zur Neugründung, der Abspaltung zur Neugründung und der Ausgliederung zur Neugründung) die für die Steuerbegünstigung vorausgesetzten Vor- und Nachbehaltensfristen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können (vgl. BFH-Urteile vom 21. und 22.08.2019, II R 15/19, II R 16/19, II R 17/19, II R 18/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19, siehe Deloitte Tax News).
Hingegen hat das Hessische FG bei Einbringung einer Beteiligung an einer grundbesitzenden KG in eine bereits bestehende Vorrats-GmbH das Einhalten der Vorbehaltensfrist gemäß § 6a S. 4 GrEStG als nicht entbehrlich angesehen (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21, BFH-anhängig: II R 46/22, siehe Deloitte Tax News).
Vorinstanz
Finanzgericht München, Urteil vom 03.03.2022, 4 K 1241/21
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 03.05.2023, II B 27/22
Weitere Fundstellen
BFH, Urteile vom 21.08.2019, II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, S. 344, und II R 19/19 (II R 63/14), BStBl. II 2020, S. 337, siehe Deloitte Tax News
Finanzgericht Nürnberg, Beschluss vom 27.06.2013, 4 V 1742/12, siehe Deloitte Tax News