BFH: Erbschaftsteuerliche Begünstigung von Kapitalgesellschaftsanteilen aufgrund einer Poolvereinbarung
Die für eine Poolvereinbarung i.S. des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG a.F. (jetzt § 13b Abs. 4 Nr. 2 S. 2 ErbStG) und damit für die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Kapitalgesellschaftsanteilen erforderlichen Verpflichtungen der Gesellschafter zur einheitlichen Verfügung über die Kapitalgesellschaftsanteile und zur einheitlichen Stimmrechtsausübung können sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder einer gesonderten Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ergeben. Die Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung kann dabei sowohl schriftlich als auch mündlich (gilt nicht für die Verfügung über Anteile) getroffen werden (entgegen R E 13b.6 Abs. 6 EStR). Nicht ausreichend ist jedoch eine einheitliche Stimmrechtsausübung aufgrund eines faktischen Zwangs, einer moralischen Verpflichtung oder einer langjährigen tatsächlichen Handhabung.
Sachverhalt
Der Kläger ist Alleinerbe eines Einzelunternehmens, dessen Wert zu 91 % aus einem Gesellschaftsanteil von 12 % am Nennkapital einer GmbH bestand. An dieser GmbH waren zudem der Kläger zu 74 % und eine Kommanditgesellschaft zu 14 % beteiligt, an welcher der Kläger wiederum zu 100 % beteiligt war. Im Gesellschaftsvertrag der GmbH war vorgesehen, dass die Abtretung von Geschäftsanteilen (vorbehaltlich der Einwilligung aller Gesellschafter zur Abtretung an einen oder mehrere Dritte) nur an Gesellschafter, Ehegatten und Abkömmlinge zulässig war (Vinkulierungsklausel). Zudem bedurfte die Abtretung an Ehegatten und Abkömmlinge der Genehmigung der Gesellschaft, die vom Geschäftsführer zu erteilen war. Eine Regelung zur Stimmrechtsausübung war im Gesellschaftsvertrag nicht enthalten. Der Erblasser hatte allerdings ein höchstpersönliches und auf Erben nicht übergehendes Stimmrecht in zehnfacher Höhe (rund 58% der Stimmen in der Gesellschafterversammlung). Der Kläger ging davon aus, dass dies als Poolvereinbarung nach § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ErbStG a.F. anzusehen ist. Finanzamt und FG teilten diese Auffassung nicht und versagten die beantragte Steuerbefreiung.
Die zur Berücksichtigung einer Poolvereinbarung erforderliche einheitliche Stimmrechtsausübung muss nach Ansicht des BFH nicht zwingend im Gesellschaftsvertrag und nicht stets schriftlich vereinbart sein. Nicht ausreichend sei jedoch, dass der Erblasser durch ein Stimmrecht in zehnfacher Höhe sich bislang in Abstimmungen stets allein durchsetzen konnte. Dadurch hätten sich die weiteren Gesellschafter nicht konkludent zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung verpflichtet.
Gesetzliche Grundlagen
Für den Erwerb von Betriebsvermögen sieht § 13a i.V.m. § 13b ErbStG a.F. unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen vor. Ausgenommen von der Steuerbefreiung des § 13a ErbStG a.F. bleibt Betriebsvermögen, wenn es zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG a.F.). Zum Verwaltungsvermögen gehören nach § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 ErbStG a.F. Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn u.a. die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 % oder weniger beträgt.
Bei der Prüfung, ob die Beteiligungsquote 25 % übersteigt, sind zunächst die vom Erblasser gehaltenen Anteile zu ermitteln. Beträgt die Beteiligung des Erblassers an der Kapitalgesellschaft 25 % oder weniger, ist zu prüfen, ob aufgrund einer Poolvereinbarung die Anteile weiterer Gesellschafter (als Poolmitglieder) hinzuzurechnen sind und die Beteiligungsquote damit 25 % übersteigt, so dass die zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gesellschaftsanteile nicht als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren sind.
Voraussetzungen für eine Poolvereinbarung
Die Berücksichtigung der Anteile weiterer Gesellschafter aufgrund einer Poolvereinbarung i.S. des 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG a.F. setzt voraus, dass der Erblasser und die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen. Zudem ist es erforderlich, dass die Gesellschafter verpflichtet sind, ihr Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben.
Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung über die Gesellschaftsanteile
Unter Verfügung ist die Übertragung des Eigentums an dem Gesellschaftsanteil zu verstehen. Der Erblasser und die weiteren Gesellschafter müssen verpflichtet sein, die Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile nach einheitlichen Grundsätzen vorzunehmen (vgl. R E 13b.6 Abs. 4 S. 1 ErbStR). Dabei ist eine Verpflichtung zu einer Übertragung nach einheitlichen Grundsätzen gegeben, wenn die Poolmitglieder die Anteile nur auf einen beschränkten Personenkreis übertragen dürfen oder eine Übertragung der Zustimmung der Mehrheit der gebundenen Gesellschafter bedarf (vgl. R E 13b.6 Abs. 4 S. 2 und 3 ErbStR). Eine solche Verpflichtung kann sich nach Ansicht des BFH aus den Vertragsklauseln der Satzung der Gesellschaft ergeben. Alternativ könne eine gesonderte Vereinbarung von den Gesellschaftern geschlossen werden.
Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung
Der Wortlaut des § 13 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 2 ErbStG a.F. stellt darauf ab, dass die weiteren Gesellschafter das Stimmrecht „einheitlich ausüben“. Die Vorschrift ist nach Auffassung des BFH dahin zu verstehen, dass eine Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung bestehen muss. Dabei erfordere die Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung eine schuldrechtliche Vereinbarung. Ein rein faktischer Zwang (z.B. aufgrund von Mehrheitsverhältnissen in der Gesellschafterversammlung), eine moralische Verpflichtung oder eine langjährige tatsächliche Handhabung seien hierfür nicht ausreichend. Eine Verpflichtung könne sowohl im Gesellschaftsvertrag oder in einer gesonderten Vereinbarung getroffen werden. Diese könne bei einer GmbH schriftlich oder mündlich geschlossen werden; eine besondere Form sei entgegen R E 13b.6 Abs. 6 EStR nicht erforderlich.
Betroffene Norm
§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG a.F.
Streitjahr 2009
Anmerkung
Übertragung auf die aktuelle Rechtslage
Das Urteil betrifft ausgelaufenes Recht. Allerdings wurde die Regelung zur Poolvereinbarung in leicht abgeänderter Form in die ab dem 01.07.2016 anzuwendenden Verschonungsregelungen des § 13b Abs. 4 Nr. 2 S. 2 ErbStG übernommen. Die Urteilsgrundsätze sind daher grundsätzlich auch für die aktuelle Rechtslage von Bedeutung. Allerdings führt die Qualifizierung von Kapitalgesellschaftsanteilen als Verwaltungsvermögen nun stets dazu, dass diese insoweit aus der Begünstigung von Betriebsvermögen ausgenommen werden (Ausnahme: § 13b Abs. 7 ErbStG mit der dort vorgesehenen 10 %-Grenze greift).
Mündliche Stimmrechtsvereinbarungen
Der BFH erkennt auch mündliche Stimmrechtsvereinbarungen an. Das sieht die Finanzverwaltung im Entwurf von R E 13b.6 ErbStR-E 2019 anders. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung den Entwurf der Richtlinien unter Berücksichtigung der Auffassung des BFH noch ändern wird. Für die steuerliche Beratungspraxis ist in jedem Fall zu empfehlen, Stimmrechtsvereinbarungen stets schriftlich zu treffen.
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.06.2016, 3 K 3171/14, EFG 2016, S. 1530
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20.02.2019, II R 25/16
