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07.08.2024
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

Kommission "Bürgernahe Einkommensteuer": Abschlussbericht vorgelegt

Nach gut einem Jahr Arbeit hat die Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ den Abschlussbericht vorgelegt und sich dabei sehr von dem Zielbild der bürgerfreundlichen Serviceleistungen der Finanzverwaltung leiten lassen. Was sind die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen?

Hintergrund

Im Juli 2023 hatte das BMF eine Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ eingesetzt. Diese hat am 12.07.2024 nun ihren Abschlussbericht mit dem Titel „Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung – Wege zu einer bürgerfreundlichen Einkommensteuer“ vorgelegt. Für die Kommission beschreibt eine bürgernahe Einkommensteuer ein Steuersystem mit einer starken Zentrierung auf die Bedürfnisse im Besteuerungsprozess. Dabei beschreibt Bürgerfreundlichkeit eine Gestaltung der Dienstleistungen der Finanzverwaltung, die den Erwartungen der Steuerpflichtigen entspricht und es ihnen damit ermöglicht, unbürokratisch ihren steuerlichen Pflichten nachkommen zu können. Die unterbreiteten Vorschläge sieht die Kommission nur als einen ersten Schritt für eine grundlegende Überarbeitung des Einkommensteuergesetzes an. Zur Weiterführung dieses Vorhabens setzt sich die Kommission für die Einsetzung einer umfassenden Steuerreformkommission ein.

Einen Teil der Vorschläge hat die Kommission mit dem besonderen Fokus auf drei Gruppen von Steuerpflichtigen erarbeitet: Selbständige, Arbeitnehmer sowie Rentner und Pensionäre. Im Bereich des Themenkomplexes Selbständige fokussierte sich die Kommission auf Aspekte einer
vereinfachten Gewinnermittlung und Erleichterungen bei den Buchführungspflichten. Für Arbeitnehmer wurde durch die Kommission insbesondere geprüft, inwieweit durch Änderungen des materiellen Rechts ein Beitrag geleistet werden kann, um Arbeitnehmer aus der Antragsveranlagung herauszunehmen. Für Rentner und Pensionäre lag der Fokus der Expertenkommission auf der konkreten Besteuerung von Rentnern.

Übergeordnet empfiehlt die Kommission bei Pauschalen zu prüfen, ob zur Vermeidung von Härten im Einzelfall die Möglichkeit eines Gegenbeweises nur sog. Ausreißern eingeräumt wird, die eine vom Gesetzgeber zu bestimmende Wesentlichkeitsschwelle überschreiten.

Vorschläge der Kommission

 
Freiberufler, Selbstständige und Gewerbetreibende

  • Die Kommission befürwortet die Zusammenführung der §§ 13-18 EStG zu einer unternehmerischen Einkunftsart, von der nur noch die private Vermögensverwaltung (§§ 20-22 EStG) und die nichtselbständige Arbeit (§ 19 EStG) negativ abzugrenzen sind.
  • Die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Betriebsausgabenpauschale sollte im EStG gesetzlich verankert werden.
  • In Übereinstimmung mit der in § 19 Abs. 2 UStG enthaltenen umsatzsteuerlichen Regelung für Kleinunternehmer sollte es den Steuerpflichtigen möglich sein, zur Erfassung der tatsächlichen Betriebsausgaben („Regelbesteuerung“) mit einer Bindungsfrist von fünf Jahren zu optieren.
  • Die Grenzen für die vereinfachte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) und die Istbesteuerung nach § 20 UStG sollten auf einen Umsatz von 1.000.000 Euro und einen Gewinn von 200.000 Euro angehoben werden.
  • Es wird die Streichung der Vorschrift des § 13a EStG (LuF Durchnittssätze) vorgeschlagen.
  • Die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) sollte auf 2.500 Euro festgesetzt werden.
  • Für Wirtschaftsgüter zwischen 2.500 Euro und 10.000 Euro wird eine Poolabschreibung über drei Jahre vorgeschlagen. (Hinweis: Mit dem Entwurf eines Steuerfortentwickungsgesetzes sollen bereits die Grenzen für die Poolabschreibung auf 800 Euro und 5.000 Euro sowie die GWG-Grenze auf 800 Euro angehoben werden, siehe Deloitte Tax-News). Die Aufzeichnungspflichten von GWG und Sammelposten (Poolabschreibung) sollten angeglichen werden und sowohl für GWG als auch für die Poolabschreibung sollte auf laufend zu führende Verzeichnisse verzichtet werden.
     

Arbeitnehmer

  • Mehrheitlich schlägt die Expertenkommission die Zusammenfassung der Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, Home-Office und das häusliche Arbeitszimmer zu einer Arbeitstagepauschale in Höhe eines fixen Euro-Betrages pro Arbeitstag vor. Dies sollte korrespondierend dann auch für den Betriebsausgabenabzug bei den Gewinneinkünften gelten. Auf die Unterscheidung zwischen den Kategorien des sog. häuslichen Arbeitszimmers und des sog. Home-Office sollte verzichtet werden. Mehrheitlich wird von der Kommission vorgeschlagen, auf eine Öffnungsklausel zur Berücksichtigung weitergehender Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer zu verzichten. Für die Gruppe der Fernpendler soll es unter Berücksichtigung einer Wesentlichkeitsgrenze, die Möglichkeit geben, gefahrene Kilometer, die nicht über die Arbeitstagepauschale abgedeckt sind, mit einer fixen Cent-Pauschale/km steuerlich geltend zu machen. Einer gesonderten Regelung neben der Arbeitstagepauschale bedürften nur noch Dienstreisen im sprachgebräuchlichen Sinne.
  • Weitere Werbungskosten (bspw. Arbeitsmittel, Beiträge zu Berufsverbänden etc.) mit geringen Aufwendungsbeträgen sollten pauschaliert berücksichtigt werden. Hierfür werden verschiedene Varianten vorgeschlagen.
  • Für gesonderte Fahrtkosten bei Dienstreisen, die mit dem eigenen Fahrzeug durchgeführt und nicht von dritter Seite ersetzt werden, wird empfohlen, einzig auf die Wegstreckenentschädigung nach dem BRKG abzustellen.
  • Die (pauschalierte) Anrechnung von vom Arbeitgeber oder Dritten zur Verfügung gestellten Mahlzeiten im Rahmen der auswärtigen Tätigkeit sollte ersatzlos gestrichen werden.
     

Rentner und Pensionäre

  • Es wird die Einführung einer Rentenabzugsteuer auf alle Renteneinkünfte vorgeschlagen. Alle Versorgungsträger (Deutsche Rentenversicherung, Versorgungswerke, private Rentenversicherer etc.) sollten zum Einbehalt der Rentenabzugsteuer verpflichtet werden. Auf die Veranlagung sollte verzichtet werden, wenn die Werbungskosten nur eine untergeordnete Bedeutung spielen. Mit einem Werbungskostenpauschbetrag könnten diese abgebildet werden.
  • Ausdehnung der Rentenabzugsteuer auf Pensionäre: Nach Abschluss der Übergangsphase zur vollständigen nachgelagerten Besteuerung der Renten sollte die Rentenabzugsteuer auch für Pensionen und andere Alterseinkünfte, die bisher dem Lohnsteuerabzug unterliegen, greifen.
  • Überprüfung der Ertragsanteilsberechnung: Der Gesetzgeber wird aufgefordert, zu prüfen, ob der derzeitige Zinssatz in Höhe von 3 % bei der Bestimmung der Höhe des Ertragsanteils noch zutreffend gewählt ist, und ob die Ertragsanteilsbesteuerung im Hinblick auf die fehlende Entscheidungsneutralität systematisch verbessert werden kann.
     

Sonderausgaben

  • Werbungskostenabzug der Altersvorsorgeaufwendungen: Es sollte geprüft werden, ob statt des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen ein Werbungskostenabzug gestattet werden sollte.
  • Die Abzugsmöglichkeit sonstiger Vorsorgeaufwendungen sollte überarbeitet werden. Mögliche Optionen: Abschaffung des Abzugs oder Erhöhung der Höchstbeträge bzw. Einführung eines Pauschbetrags.
  • Die Kinderbetreuungskosten sollten als Sonderausgaben ohne Typisierung weiter bestehen. Der Höchstbetrag sollte allerdings regelmäßig evaluiert werden.
  • Überarbeitung des Parteispendenabzugs: Die Regelung des § 10b Abs. 2 EStG sollte gestrichen werden. Dafür sollte der Höchstbetrag des § 34g EStG so angepasst werden, dass es zu einer der derzeitigen Gesetzeslage entsprechenden Berücksichtigung kommt.
  • Berücksichtigung der Kirchensteuer bei Berechnung der Lohnsteuer: Die Expertenkommission empfiehlt als Prüfauftrag zu eruieren, wie der Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer in das Lohnsteuerabzugsverfahren integriert werden kann.
  • Sonderausgaben-Pauschbetrag: Der Pauschbetrag sollte um die sonstigen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG erweitert und entsprechend erhöht werden.
     

Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen

  • Die Regelung wird von der Kommission in Frage gestellt.
     

Digitalisierung

  • Die Entwicklung einer transparenten Digitalisierungsstrategie, die auch die relevanten Stakeholder des steuerlichen Ökosystems einschließt und einbezieht, ist nach Auffassung der Kommission unabdingbar. Hierfür wird die Befassung mit den folgenden Handlungsfeldern vorgeschlagen: Plattformstrategie, Prozessmanagement, Datenmanagement, Portalstrategie und Change-Management.
  • Es wird eine konsequente Verfolgung eines Digital First Denkens und Handelns empfohlen.
  • Es wird eine schnelle und konsequente Schaffung der notwendigen Voraussetzung digitaler Identitäten für private Personen und Unternehmen sowie die Berücksichtigung des stellvertretenden Handelns (auch) in den digitalen Besteuerungsprozessen angeregt.
  • Das Konzept einer digitaltauglichen (Steuer)Gesetzgebung soll konsequent weiterverfolgt werden. Der bestehende Digitalcheck sollte weiterentwickelt und um einen „Praxistest“ oder eine „Simulation“ der digitalen Vollzugsfähigkeit des Steuerrechts bereits während des Gesetzgebungsverfahrens ergänzt werden.
  • Das Once-Only-Prinzip sollte im Besteuerungsverfahren und darüber hinaus beschleunigt eingeführt werden.
  • Es wird eine stärkere Angleichung des Lohnsteuerabzugsverfahrens an das Ergebnis der Einkommensteuerveranlagung empfohlen, um die Veranlagungsfälle zu reduzieren.
  • Die vorausgefüllte Steuererklärung sollte um Felder erweitert werden.
     

Fundstelle

Abschlussbericht der Expertenkommission "Bürgernahe Einkommensteuer"

Ihr Ansprechpartner

Dietmar Gegusch
Director

dgegusch@deloitte.de
Tel.: +4921187723826

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dgegusch@deloitte.de
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