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13.11.2023
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Zur Feststellung der Zuordnung des Arbeitnehmers im steuerlichen Reisekostenrecht

​Eine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung liegt nicht alleine deshalb vor, weil der Arbeitnehmer eine bestimmte betriebliche Einrichtung bei Bedarf oder zwei- bis dreimal pro Woche für Besprechungen oder sonstige berufliche Tätigkeiten aufsucht bzw. aufsuchen muss, er aber überwiegend außerhalb der betrieblichen Einrichtung tätig wird. In diesem Zusammenhang hat die Anwendung der 0,03 %-Regelung bei der Durchführung des Lohnsteuer-Abzugs lediglich Indizwirkung. 

Sachverhalt

Der Bauleiter (Kläger) war in den Streitjahren 2015-2017 als Projektleiter bei der Y-AG in Z beschäftigt, welche als international tätiges Unternehmen u. a. eine Niederlassung in der X-Straße in Z unterhielt. In seinem Arbeitsvertrag war sein „Einstellungsort“ in Z.

Im Rahmen des Lohnsteuerabzuges berücksichtigte die Y-AG auch den zur Nutzung gestellten PKW, indem für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte Sachbezüge i.S.d. 0,03 %-Regelung angesetzt wurden. Dementsprechend wurde ein Sachbezug i.H.v. 216,63 € festgesetzt, welcher sich aus der Multiplikation von 0,03 % mit dem Listenpreis i.H.v. 24.900 € und den einfachen Entfernungskilometern zwischen der Wohnung des Klägers und der ersten Tätigkeitsstätte i.H.v. 29 km ergab.

In der Einkommensteuererklärung 2015-2017 hatte der Kläger in der Anlage N Z als erste Tätigkeitsstätte eingetragen und hatte Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte erklärt sowie Verpflegungsmehraufwendungen unter der Einreichung von Belegen geltend gemacht. Das Finanzamt versagte schließlich den Abzug von Verpflegungsaufwendungen im Jahr 2015, während die Entfernungspauschale ungekürzt Berücksichtigung fand. In den Streitjahren 2015-2017 wurden die Verpflegungsaufwendungen vollständig berücksichtigt, jedoch die Entfernungspauschale gekürzt. Streitfrage war im zugrundliegenden Streitfall, ob der Kläger in Z aufgrund der Zuordnung zur Y-AG in Z eine erste Tätigkeitsstätte in Z begründet, auch wenn er diese betriebliche Einrichtung lediglich gelegentlich aufsuchen muss und überwiegend außerhalb der betrieblichen Einrichtung tätig wird.

Der Kläger klagte nach erfolglosem Einspruch vor dem FG Mecklenburg-Vorpommern, welches ihm Recht gab. Das Finanzamt legte anschließend Revision vor dem BFH ein. 

Entscheidung

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass Z nicht erste Tätigkeitsstätte des Klägers ist und bestätigt damit die Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern. 

Gesetzliche Grundlagen

Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 S. 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (mehr zur Verwaltungsauffassung zum Reisekostenrecht 2014 in den Deloitte Tax-News).

Z nicht erste Tätigkeitsstätte des Klägers

Da das FG rechtsfehlerfrei erkannt hat, dass keine (arbeitsrechtliche) Zuordnung zu der Niederlassung in Z erfolgt ist, ist der Arbeitslohn, um den steuerpflichtigen Sachbezug i.S.d. 0,03 %-Regelung zu kürzen und die Verpflegungsmehraufwendungen anzuerkennen. Ein Ansatz der Entfernungspauschale zwischen der Wohnung des Klägers und der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt nicht mehr.

Keine tatsächliche Zuordnung

Der Vorgesetzte des Klägers (Zeuge A) hatte ausgesagt, dass der Kläger nicht zur Niederlassung in Z zugeordnet war, sondern lediglich ihm als Gruppenleiter in Z unterstellt war. Dadurch hatte das FG unter dem Einbezug aller Umstände richtigerweise konstatiert, dass keine erste Tätigkeitsstätte des Klägers in Z vorliegt.

Keine vertragliche Zuordnung

Auch ergibt sich laut BFH keine Zuordnung aufgrund des Einstellungsorts in Z, da die Y-AG als internationales Unternehmen mehrere Niederlassungen in Deutschland besitzt. Folglich war, wie auch der Vorgesetzte des Klägers (Zeuge A) bestätigt, keine Zuordnung zu einer ortfesten Einrichtung vorgesehen. Denn es war keine Festlegung über Anwesenheitszeiten im Büro in Z oder an anderen Arbeitsorten arbeitsvertraglich festgelegt worden. Daneben deuten die Positionsbeschreibung des Bauleiters und Zeugenaussagen darauf hin, dass seine Tätigkeit überwiegend außerhalb der Niederlassung in Z stattfindet. Der Kläger war der Niederlassung in Z lediglich aus organisatorischen Gründen zugeordnet, sodass dahingehend keine Zuordnung des Tätigkeitsortes erfolgte (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 9, Beispiel 1 und Abwandlung). 

Keine Zuordnung durch schlüssiges Verhalten

Weiterhin erfolgt keine Zuordnung durch schlüssiges Verhalten dadurch, dass der Kläger einzelne, zu seinem Berufsbild gehörende Tätigkeiten in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers erbringt oder erbringen muss. So musste der Kläger im Streitfall die Niederlassung in Z lediglich gelegentlich aufsuchen, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder an Besprechungen teilzunehmen, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 9, Beispiel 1 und Abwandlung).

Keine Zuordnung durch gelegentliches Aufsuchen der ortsfesten Einrichtung

Der BFH bejaht, dass es regelmäßig der Lebenswirklichkeit entspricht, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitnehmers zugeordnet ist (BFH-Urteil vom 10.04.2019, VI R 6/17, Rz. 21; BFH-Urteil vom 12.07.2021, VI R 9/19, Rz. 16; BFH-Urteil vom 22.11.2022, VI R 6/21, Rz. 24). Jedoch führt der BFH weiter aus, dass bei einem an unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig werdenden Arbeitnehmer nicht allein aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer eine bestimmte betriebliche Einrichtung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gelegentlich aufsucht oder aufzusuchen hat, auf eine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers zu dieser Einrichtung geschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 26.10.2022, VI R 48/20, Rz. 23).

Keine Zuordnung durch die Durchführung des Lohnsteuer-Abzugs

Eine Zuordnung zur Niederlassung in Z erfolgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber des Klägers bei der Durchführung des Lohnsteuerabzug die 0,03 %-Regelung angewendet hat. Laut BFH-Auffassung hat diese Zuordnung lediglich Indizwirkung, da eine Aussage, ob ein Arbeitnehmer überhaupt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durchgeführt hat, nicht im Lohnsteuer-Abzugsverfahren, sondern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers erfolgt.

Betroffene Normen

​§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG

Streitjahr ​2015-2017

Vorinstanz

​Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 24. November 2021, 3 K 6/20, EFG 2022, S. 392 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14.09.2023, VI R 27/21

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 04.04.2019, VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl. II 2019, S. 536, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 10.04.2019, VI R 6/17, BFHE 264, S. 258, BStBl. II 2019, S. 539

BFH, Urteil vom 12.07.2021, VI R 9/19

BFH-Urteil vom 26.10.2022, VI R 48/20, BFHE 278, S. 464, BStBl. II 2023, S. 582

BFH, Urteil vom 22.11.2022, VI R 6/21

BMF, Schreiben vom 25.11.2020, BStBl. 2020, S. 1228, siehe Deloitte Tax-News

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