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24.03.2022
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung

In Fällen konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung (§ 38 Abs. 1 S. 2 EStG) ersetzt das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Unbeschadet dessen muss die entsandte Person nach allgemeinen Grundsätzen als Arbeitnehmer des wirtschaftlichen Arbeitgebers anzusehen sein.

Sachverhalt

Die in der Schweiz ansässige AG war die alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Die AG und die Klägerin hatten eine "Dienstleistungsvereinbarung" (DV) geschlossen, wonach die AG der Klägerin einen Geschäftsführer (B) zur Verfügung stellte, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Dafür zahlte die Klägerin (in Deutschland ansässiges aufnehmendes Unternehmen) Monatspauschalen an die AG. B war gleichzeitig Verwaltungsrat der AG und CEO der Unternehmensgruppe.

Das Finanzamt ist der Meinung, dass die Zahlungen, die die Klägerin an die AG gemäß der DV für die Tätigkeit des Geschäftsführers B geleistet hat, dem deutschen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen sind. Die Klägerin sei nach § 38 Abs. 1 S. 2 EStG wirtschaftliche Arbeitgeberin des B, der in Deutschland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG beschränkt steuerpflichtig sei. Die Einkünfte seien nach Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz im Inland zu versteuern. Das sah auch das FG so.

Entscheidung

Der BFH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Feststellungen des FG keine abschließende Beantwortung der Frage zulassen, ob das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen (Klägerin) den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 38 Abs. 1 S. 2 EStG ist in den Fällen der internationalen Arbeitnehmerentsendung das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, inländischer Arbeitgeber, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen; Voraussetzung hierfür ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt. Der wirtschaftliche Arbeitgeber ist ebenso wie der zivilrechtliche Arbeitgeber lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber und damit gemäß § 38 Abs. 3 EStG zur Einbehaltung und nach § 41a EStG zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer verpflichtet.

Wirtschaftlicher Arbeitgeber

Das inländische aufnehmende Unternehmen wird nach der Rechtsprechung nicht allein schon dadurch zum wirtschaftlichen Arbeitgeber, dass es dem entsendenden Unternehmen den Arbeitslohn erstattet, der auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit entfällt. Voraussetzung für die wirtschaftliche Arbeitgeberstellung ist vielmehr außerdem, dass der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt und dass der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist (BFH-Urteil vom 23.02.2005, I R 46/03; BMF-Schreiben vom 03.05.2018, IV B 2-S 1300/08/10027).

Das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns ersetzt nach Auffassung des BFH die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff sonst erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Dies ändere aber nichts daran, dass die betreffende Person (nach allgemeinen Grundsätzen) auch als Arbeitnehmer des (wirtschaftlichen) Arbeitgebers anzusehen sein muss.

Bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung beachtliche Grundsätze

Für den Streitfall kann der BFH der Auffassung des FG, dass die Klägerin mit den gezahlten Monatspauschalen den Arbeitslohn des B wirtschaftlich anteilig getragen habe, nicht ohne weitere Feststellungen folgen. Folglich hat er die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückverwiesen. Dabei hat der BFH dem FG einige Hinweise und zu beachtende Grundsätze mit auf den Weg gegeben:

  • Zur Beantwortung der Frage, ob das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, ist nach Ansicht des BFH auf den wirtschaftlichen Gehalt und die tatsächliche Durchführung der zugrunde liegenden Vereinbarungen abzustellen (s.a. BMF-Schreiben vom 03.05.2018). Daher könne entgegen der Auffassung des FG allein aus den vereinbarten und von der Klägerin an die AG gezahlten Monatspauschalen nicht geschlossen werden, dass die Klägerin durch diese Zahlungen den von der AG an B geleisteten Arbeitslohn, soweit er auf die Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin entfiel, wirtschaftlich trug.
  • Die Tatsache, dass sich die zwischen der Klägerin und der AG vereinbarte Monatspauschale an dem von dem vorherigen Geschäftsführer der Klägerin bezogenen Gehalt orientierte, lasse nicht den Schluss zu, dass die Monatspauschale nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt auch in einer Beziehung zu dem von der AG an den Kläger gezahlten Arbeitslohn stand, den die Klägerin der AG durch Zahlung der Monatspauschale ersetzt haben soll.
  • Die Feststellungen des FG trügen nicht dessen Auffassung, dass B. die Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin als deren Arbeitnehmer ausgeübt hat. Zwar sei das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Einsatz des B. als Geschäftsführer der Klägerin (auch) in deren Interesse lag. Allerdings habe das FG keine konkreten Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass der Einsatz des B. als Geschäftsführer der Klägerin ausnahmsweise in erster Linie im Interesse der AG (als Gesellschafterin der Klägerin) erfolgte.
  • Zudem sei die Ansicht des FG, B sei in den Arbeitsablauf der Klägerin eingebunden gewesen, nicht ohne weiteres nachvollziehbar. So bestand im Streitfall kein Geschäftsführerdienstvertrag zwischen der Klägerin und B. Aus den Feststellungen des FG lasse sich auch sonst nicht entnehmen, dass B. vertraglichen Regelungen mit der Klägerin oder mit der AG unterworfen war, denen z. B. Aussagen zu bestimmten Arbeitszeiten, zu persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gegenüber der Klägerin zu entnehmen sind und die damit auf eine Eingliederung des B. in den Betrieb der Klägerin hindeuten können.
  • Auch habe das FG nicht beachtet, dass die Beteiligungsquote des B. an der AG und deren Stellung als Alleingesellschafterin der Klägerin ebenfalls Anlass geben können, die Tätigkeit des B. als Geschäftsführer der Klägerin als selbstständige zu beurteilen. Denn die Beteiligungsquote könne im Rahmen der steuerlichen Beurteilung zumindest als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit herangezogen werden.
  • Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung gelangen, dass die Klägerin der AG mit der Zahlung der Monatspauschale den Arbeitslohn des B. erstattet hat und die wirtschaftliche Arbeitgeberin des als Arbeitnehmer anzusehenden Geschäftsführers B. war, habe es zu prüfen, ob die sich hierdurch ergebende Aufteilung des von B. insgesamt bezogenen Arbeitslohns zwischen der Klägerin und der AG Fremdvergleichsgrundsätzen standhält. Sollte sich dabei aber eine zum Nachteil der Klägerin gereichende Aufteilung des Arbeitslohns ergeben, wäre die Zahlung des Mehrbetrags durch die Klägerin an die AG steuerrechtlich nicht als die Erstattung von Arbeitslohn, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen, die die Klägerin nicht in ihrer Eigenschaft als wirtschaftliche Arbeitgeberin des B. geleistet hätte.

Betroffene Normen

§ 38 Abs. 1 S. 2 EStG

Streitzeitraum: Juli 2012 bis Oktober 2015

Anmerkungen

Die Revision war zugelassen worden, weil die im Streitfall entscheidenden Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt sind. Da der BFH die Sache nun zurückverwiesen hat, lässt eine höchstrichterliche Klärung noch weiter auf sich warten. Der BFH gibt aber einige Hinweise und stellt Grundsätze auf, die im Falle einer konzerninternen internationalen Arbeitnehmerentsendung beachtlich sind.

Vorinstanz

Thüringer Finanzgericht, 13.12.2018, 3 K 795/16

Fundstelle

BFH, Urteil vom 04.11.2021, VI R 22/19, lBStBl. II 2022, S. 562

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 23.02.2005, I R 46/03, BStBl. II 2005, S. 547

BMF, Schreiben vom 03.05.2018, IV B 2-S 1300/08/10027, BStBl. I 2018, S. 643, siehe Deloitte Tax-News und Deloitte Tax-News

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