Zurück zur Übersicht
20.09.2013
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Leiharbeitnehmer regelmäßig auswärts tätig

Bei einem Leiharbeitnehmer liegt auch dann keine regelmäßige Arbeitsstätte vor, wenn er abweichend von den vertraglichen Grundlagen während seines gesamten Dienstverhältnisses ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des Arbeitgebers tätig wird. Auch in diesem Fall ist eine Auswärtstätigkeit anzunehmen. Die Aufwendungen für Fahrten an seinen Beschäftigungsort sind mit den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen.

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 2009 Leiharbeitnehmer und seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2007 ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden seines Arbeitgebers tätig. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass der Kläger an verschiedenen Einsatzorten in Kundenbetrieben beschäftigt werden sollte und jederzeit abberufen werden konnte. Für das Streitjahr machte der Kläger Fahrtkosten für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten in tatsächlicher Höhe geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrkosten allerdings nur als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Maßgabe der Entfernungspauschale. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das FG die erhobene Klage ab.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des FG liegt bei einem Leiharbeitnehmer auch dann keine regelmäßige Arbeitsstätte vor, wenn er abweichend von den vertraglichen Grundlagen während seines gesamten Dienstverhältnisses ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des Arbeitgebers tätig wird. Auch in diesem Fall ist eine Auswärtstätigkeit anzunehmen, für die die tatsächlichen Fahrtkosten zu berücksichtigen sind.

Eine regelmäßige Arbeitsstätte liegt vor, wenn es sich um eine dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Eine betriebliche Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers erfüllt diese Kriterien nicht (vgl. BFH, Urteil vom 10.07.2008). Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und diese optimieren kann. Dies rechtfertigt eine Ausnahme vom Ansatz der tatsächlichen Fahrtkosten (vgl. BFH, Urteil vom 09.02.2012).

Bei einem Leiharbeitnehmer ist diese Nachhaltigkeit allerdings grundsätzlich zu verneinen, wenn er außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Tätigkeitsstätte eingesetzt wird (vgl. BFH, Urteil vom 17.06.2010). Der Kläger war ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden tätig, wodurch der örtliche Bezug zum Arbeitgeber nicht gegeben war. Dabei gilt eine generalisierende und typisierende Betrachtungsweise, die im Nachhinein aufscheinende Zufälligkeiten und Besonderheiten in der tatsächlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt. Zwar ist für den betreffenden Veranlagungszeitraum zu prüfen, ob sich aufgrund neuer Tatumstände eine abweichende Beurteilung der Tätigkeit im Vergleich zum vorangegangen Veranlagungszeitraum ergibt. Neue Tatumstände liegen jedoch nicht vor, wenn – wie im Streitfall – die vertraglichen Grundlagen für die Tätigkeit unverändert sind und es lediglich nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Nachhinein den Anschein hat, dass der Leiharbeitnehmer an seinem Einsatzort fortdauernd und nachhaltig tätig wird. Auch dann wird sich der Leiharbeitnehmer nicht auf Ort, Dauer und konkrete Tätigkeit für die Zukunft einstellen können.

Im Streitfall hat der Kläger zu Recht für die Fahrten an seine Beschäftigungsorte mangels regelmäßiger Arbeitsstätte die tatsächlichen Aufwendungen für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten berücksichtigt. Ohne Einzelnachweis können die pauschalen Kilometersätze geltend gemacht werden.

Betroffene Norm
§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG
Streitjahr 2009

Anmerkung
Zum 01.01.2014 tritt das neue steuerliche Reisekostenrecht in Kraft (zum BMF-Entwurf eines Einführungsschreibens zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 01.01.2014 siehe Deloitte Tax-News). Der Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ wird durch den Begriff „erste Tätigkeitsstätte“ ersetzt. Diese ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Eine Zuordnung erfolgt erstrangig durch arbeits- und dienstrechtliche Festlegung des Arbeitgebers. Die Dauerhaftigkeit ist bei einer Zuordnung für die Dauer des – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses oder bei einer Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus gegeben. Liegt eine Feststellung nicht oder nicht eindeutig vor, werden quantitative Kriterien für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte herangezogen, siehe Deloitte Tax-News.

Wir weisen auf unsere VeranstaltungsreiheNeues Reisekostenrecht 2014 - Umsetzung in der Praxis im Oktober 2013 hin.

Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2012, 11 K 3870/10, EFG 2012, S. 1738

Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.05.2013, VI R 18/12

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 10.07.2008, VI R 21/07, BStBl II 2009, S. 818
BFH, Urteil vom 17.06.2010, VI R 35/08, BStBl II 2010, S. 852, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.02.2012, VI R 22/10, BStBl II 2012, S. 827, siehe Deloitte Tax-News

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.