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09.09.2021
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Kürzung der Verpflegungspauschalen auch ohne erste Tätigkeitsstätte

Die Verpflegungspauschalen sind im Fall einer Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber auch dann zu kürzen, wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Die Kürzung ist unabhängig davon vorzunehmen, ob der Arbeitnehmer die Mahlzeiten tatsächlich einnimmt. Dabei ist es unerheblich, aus welchen Gründen die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten nicht eingenommen werden. 

Sachverhalt

Der Kläger (A) war als Offizier auf See an Bord von Schiffen tätig und erhielt von seinem Arbeitgeber dort unentgeltliche Mahlzeiten. An Hafentagen nahm A die zur Verfügung gestellten Mahlzeiten teilweise nicht in Anspruch. An einzelnen Tagen musste er sich selbst versorgen.

Der Arbeitgeber behandelte den Sachbezug als steuerfrei. A machte täglich einen Verpflegungsmehraufwand von 24 Euro geltend, den das Finanzamt unter Hinweis auf die Kürzungsregelung in § 9 Abs. 4a S. 8 EStG nicht zum Abzug zuließ. Das FG stimmte der Auffassung des Finanzamtes nur teilweise zu und erkannte für die Tage, an denen A keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt bekommen hatte, den Abzug der Verpflegungspauschale an. Für die Tage, an dem A unentgeltlich Mahlzeiten erhielt, lehnte das FG ebenso den Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen ab, da auch bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte eine Kürzung der Verpflegungspauschale vorzunehmen sei.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Verpflegungspauschalen für die Tage der Mahlzeitengestellung auch dann nach § 9 Abs. 4a S. 8 EStG zu kürzen ist, wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.

Ansatz der Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a S. 3 EStG

Wird ein Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), kann er zur Abgeltung seiner tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen die nach Abwesenheitszeiten gestaffelten Verpflegungspauschalen geltend machen (§ 9 Abs. 4a S. 2, 3 EStG). Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gilt § 9 Abs. 4a S. 2, 3 EStG entsprechend (§ 9 Abs. 4a S. 4 Halbsatz 1 EStG). Denn liegen die Voraussetzungen einer ersten Tätigkeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 4 EStG nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit.

Kürzung der Verpflegungspauschalen bei erster Tätigkeitsstätte

Werden dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlagung durch einen Dritten Mahlzeiten zur Verfügung gestellt, sind die nach § 9 Abs. 4a S. 3 EStG ermittelten Verpflegungspauschalen allerdings gemäß § 9 Abs. 4a S. 8 EStG zu kürzen. Die Zurverfügungstellung einer Mahlzeit erfordert dabei nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2020, VI R 16/18). Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer die zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist unerheblich.

Kürzung der Verpflegungspauschalen auch ohne erste Tätigkeitsstätte

Nach Auffassung des BFH, ergibt sich die Kürzung der Verpflegungspauschalen im Fall der Mahlzeitengestellung für Arbeitnehmer, die – wie A – nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügen, aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 4a EStG. § 9 Abs. 4a S. 4 Halbsatz 1 EStG stellt durch die Anordnung der Geltung der Sätze 2 und 3 klar, dass der Ansatz von pauschalierten Verpflegungsmehraufwendungen auch erfolgt, wenn der Steuerpflichtige über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. § 9 Abs. 4a S. 8 EStG legt wiederum fest, inwiefern im Fall der Mahlzeitengestellung die in Satz 3 der Vorschrift geregelten Verpflegungspauschalen zu kürzen sind. Satz 8 ist als Modifikation der Sätze 2 und 3 ausgestaltet. Die Geltungsanordnung in § 9 Abs. 4a S. 4 Halbsatz 1 EStG erstreckt sich nach Ansicht des BFH für den Arbeitnehmer, der keine erste Tätigkeitsstätte hat, damit nicht nur auf die entsprechende Anwendung der Verpflegungspauschalen für Mehraufwendungen des Arbeitnehmers, der außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte tätig wird, sondern zugleich auf die entsprechende Anwendung der Modifikation dieser Verpflegungspauschalen nach Satz 8, soweit ihm eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.

Hintergrund der Regelung des § 9 Abs. 4a S. 8 EStG: Gleichstellung von Arbeitnehmern mit und ohne erste Tätigkeitsstätte

Durch diese vom BFH vorgenommene Lesart der Regelungen in § 9 Abs. 4a EStG wird eine vom Gesetzgeber – nach Ansicht des BFH – erkennbar nicht gewollte doppelte Begünstigung von Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte (durch unversteuert, beitragsfrei gebliebene Mahlzeit einerseits und einem gleichwohl bestehenden Werbungskostenabzug andererseits) und damit zugleich eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit erster Tätigkeitsstätte gegenüber solchen ohne erste Tätigkeitsstätte vermieden.

Ergebnis im Streitfall

Unter Beachtung der vom BFH aufgestellten Grundätze waren die A dem Grunde nach zustehenden Verpflegungspauschalen wegen der ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) gemäß § 9 Abs. 4a S. 8 EStG um insgesamt 100 % auf 0 Euro zu kürzen. Soweit dem A an einzelnen Hafentagen vom Arbeitgeber tatsächlich keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt wurden, waren – wie vom FG zutreffend entschieden – für diese Tage die ungekürzten Verpflegungsmehraufwendungen zu gewähren. 

Betroffene Normen

​§ 9 Abs. 4a S. 8 EStG

Streitjahr ​2014 

Anmerkungen

Werbungskostenabzug von Verpflegungspauschalen nach neuem Reisekostenrecht

Nach der bis 2013 geltenden Rechtslage blieb der Werbungskostenabzug in dem Fall, dass einem Arbeitnehmer bei einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit Mahlzeiten zur Verfügung gestellt wurden, in Höhe der Verpflegungspauschalen davon unberührt. Der geldwerte Vorteil musste jedoch im Gegenzug beim Arbeitnehmer als Sachbezug versteuert werden. Diese Rechtslage wurde mit der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 grundlegend neu gestaltet. Steht dem Arbeitnehmer dem Grunde nach der Werbungskostenabzug in Form von Verpflegungspauschalen zu, so unterbleibt gemäß § 8 Abs. 2 S. 9 EStG nunmehr die Lohnversteuerung der üblichen, nach § 8 Abs. 2 S. 8 EStG zu bewertenden Mahlzeiten. Im Gegenzug sind die Verpflegungspauschalen gemäß § 9 Abs. 4a S. 8 EStG entsprechend zu kürzen.

Erste höchstrichterliche Entscheidung zur Kürzung der Verpflegungspauschalen ohne erste Tätigkeitsstätte

 Mit der hier besprochenen Entscheidung des BFH liegt nun soweit ersichtlich die erste höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Kürzung der Verpflegungspauschalen ohne Vorhandensein einer ersten Tätigkeitsstätte vor. Damit wurde für diese Frage Rechtssicherheit geschaffen und die Steuerpflichtigen können entsprechend disponieren. 

Vorinstanz

​Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 02.07.2019, 15 K 266/16

Fundstelle

​BFH, Urteil vom 12.07.2021, VI R 27/19, BStBl. II 2021, S.642

BFH, Pressemitteilung Nr. 30/2021 vom 02.09.2021

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.07.2020, VI R 16/18, BStBl. II 2020, S. 783 

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