BFH: Keine Steuerfreiheit von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen nach § 3 Nr. 34 EStG
Mit Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende unentgeltliche oder vergünstigte Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen des Arbeitgebers sind regelmäßig nicht nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei. Der BFH schließt sich damit der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 20.04.2021, Rz. 34) an.
Sachverhalt

Die Klägerin, eine gGmbH, ermöglichte ihren Arbeitnehmern die Teilnahme an sog. Gesundheitstagen, die sie in Kooperation mit der B gGmbH, der C gGmbH und der D gGmbH veranstaltete. Die Unterbringung der Teilnehmer erfolgte während der Gesundheitstage in einem von der B betriebenen Ferienzentrum oder in einem Hotel eines nicht verbundenen Unternehmens.
Der für die Seminarteilnahme nebst Unterkunft und Verpflegung kalkulierte Preis betrug je Teilnehmer 285 Euro bzw. 280 Euro. Die Arbeitnehmer hatten lediglich einen Eigenanteil in Höhe von 99 Euro zu zahlen; darüber hinausgehende Kosten trug die gGmbH. Die Krankenkassen ordneten den von den Arbeitnehmern gezahlten Eigenanteil als Aufwendungen i.S.d. § 20 SGB V ein und erstatteten (auf Antrag) Beträge zwischen 75 Euro und 99 Euro.
Die gGmbH behandelte die Vorteile aus der vergünstigten Teilnahme an den Gesundheitstagen insgesamt als steuerfreien Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 34 EStG. Während das Finanzamt der Ansicht war, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG sich nicht auf Neben- oder Zusatzleistungen, wie die Kosten der Verpflegung und Unterkunft, erstrecke, hatte das FG entschieden, dass die Veranstaltung der Gesundheitstage als eine einheitliche Maßnahme insgesamt der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG unterliegt.
Entscheidung
Entgegen der Entscheidung des FG ist der BFH der Auffassung, dass die (geldwerten) Vorteile aus der unentgeltlichen oder vergünstigten Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen nicht nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei sind. Die Sache wird allerdings an das FG zurückverwiesen, da der BFH aufgrund fehlender Feststellungen des FG zur Höhe der geldwerten Vorteilen nicht abschließend entscheiden vermag.
Unterkunfts- und Versorgungsleistungen sind Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Nach dem BFH hat die gGmbH ihren Arbeitnehmern durch die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung von Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen anlässlich der Teilnahme an den Gesundheitstagen Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in Form von steuerbaren (geldwerten) Vorteilen zugewandt. Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der gGmbH als Arbeitgeberin daran, ihren Arbeitnehmern die mit der Teilnahme an den Gesundheitstagen verbundenen Vorteile hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung einzuräumen, bestand nicht, so der BFH.
Keine Steuerfreiheit der geldwerten Vorteile nach § 3 Nr. 34 EStG
Der BFH vertritt die Auffassung, dass die geldwerten Vorteile aus den Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen auch nicht gemäß § 3 Nr. 34 EStG a.F. steuerfrei sind. Nach § 3 Nr. 34 EStG a.F. sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers (beispielsweise) zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands, die bestimmten Anforderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (vgl. §§ 20 und 20a des SGB V) genügen steuerfrei, soweit sie 500 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen. Nach dem BFH zählen Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen nicht zu diesen Leistungen, da sie weder den allgemeinen Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbessern noch die Gesundheit fördern (vgl. BMF-Schreiben vom 20.04.2021, BStBl. I 2021, S. 700, Rz. 34).
Dies bestätige auch das Sozialversicherungsrecht, auf das die Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG a.F. Bezug nimmt. Es unterscheidet zwischen den in § 20 SGB V geregelten primären Präventionsleistungen und den in § 23 Abs. 2 S. 2 SGB V genannten "übrigen Kosten", die Versicherten im Zusammenhang mit nicht am Wohnort erbrachten allgemeinen Vorsorgeleistungen entstehen. Zu diesen "übrigen Kosten" zählen alle Nebenleistungen zu ambulant erbrachten Vorsorgeleistungen, insbesondere die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. An diese Unterscheidung knüpfe § 3 Nr. 34 EStG a.F. an, indem er hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit lediglich auf die Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V Bezug nimmt und die Vorschrift des § 23 SGB V unerwähnt lässt.
Keine „einheitliche Maßnahme“ der Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen
Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich die Steuerfreiheit der Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen auch nicht daraus, dass es sich bei den Gesundheitstagen um eine "einheitliche Maßnahme" handelt. Vielmehr habe die Prüfung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiungsvorschrift grundsätzlich für jeden gewährten Vorteil einzeln zu erfolgen (vgl. z.B. BFH- Urteile vom 18.05.2004, VI R 128/99 und vom 01.09.2021, VI R 21/19).
Nach dem BFH bedeutet dies für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG a.F., dass für jede Zuwendung gesondert zu prüfen ist, ob sie der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands dient, sie vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wird und ob sie hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20, 20a SGB V genügt. Lediglich für die Einhaltung des Jahreshöchstbetrags sind sämtliche im Kalenderjahr gewährten entsprechenden Zuwendungen zusammenzurechnen.
Auch dem BFH-Urteil vom 21.11.2018 (VI R 10/17) lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn hier wurden die Zuwendungen im Rahmen einer sog. Sensibilisierungswoche lediglich deshalb einheitlich als Arbeitslohn beurteilt, weil aufgrund des dort im konkreten Einzelfall vorliegenden Sachverhalts eine Aufteilung der Zuwendungen in betriebsfunktionale Bestandteile und Elemente mit Vorteilscharakter ausschied, so dass ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Zuwendung sämtlicher Vorteile im Rahmen der Sensibilisierungswoche nicht gegeben war. Dies ändere allerdings nichts daran, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendungen im ganz überwiegenden betrieblichen Eigeninteresse bei gemischt veranlassten Sachzuwendungen an Arbeitnehmer grundsätzlich möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2005, VI R 32/03 und vom 21.11.2018, VI R 10/17).
Betroffene Normen
§ 3 Nr. 34 EStG a.F.
Streitjahre: 2011 - 2014
Anmerkung
Rechtsentwicklung des § 3 Nr. 34 EStG
Dem Streitfall lag die Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG i.d.F. des JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2794) zugrunde. Die Vorschrift wurde durch das JStG 2018 vom 11.12.2018 (BGBl. I 2018, S. 2338) redaktionell an das geänderte SGB V angepasst. Mit dem Dritten Büroentlastungsgesetz vom 22.11.2019 (BGBl. I 2019, S. 1746) wurde der steuerfreie Betrag von 500 Euro auf 600 Euro erhöht.
Auffassung der Finanzverwaltung
Nach dem BMF-Schreiben vom 20.04.2021 (BStBl. I 2021, S. 700, Rz. 34) fallen nicht unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG u.a. die mit den Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende Neben- oder Zusatzleistungen (zum Beispiel Verpflegungs-, Reise- und Unterkunftskosten). Der BFH schließt sich mit dem o.g. Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung an.
Vorinstanz
Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 14.10.2021, 1 K 655/17
Fundstelle
BFH, Urteil vom 23.11.2023, VI R 24/21
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 20.04.2021, BStBl. I 2021, S. 700, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 18.05.2004, VI R 128/99
BFH, Urteil vom 01.09.2021, VI R 21/19, BStBl. II 2022, S. 233
BFH, Urteil vom 21.11.2018, VI R 10/17, BStBl. II 2019, S. 404
BFH, Urteil vom 18.08.2005, VI R 32/03, BStBl. II 2006, S. 30
